Die dunkelhaarige Cellistin Raphaela Gromes im sehr eleganten blauen Jumpsuit mit freier rechter Schulter, die blonde Violinistin Eldbjørg Hemsing im langen grünen Kleid mit V-Ausschnitt, hinter den beiden ein dunkel gekleideter, gutaussehender Pianist Alexei Volodin am edlen Steinway-Flügel; er wird dezent assistiert von einer Notenwenderin. Die Location: Der gediegen-historische Mozartsaal im Südflügel des Schwetzinger Schlosses.
Als die Cellistin und Residenzkünstlerin Raphaela Gromes ihr drittes Konzert der Schwetzinger SWR-Festspiele gab, standen „Wunderkinder“ im Mittelpunkt. Es waren Musikerinnen, deren großes Talent schon früh in ihrer Kindheit zutage trat: Clara Wieck, die nach ihrer Heirat mit dem Klaviervirtuosen Robert Schumann als Clara Schumann bekannt wurde und schon in frühester Jugend als Wunderkind galt, und Lera Auerbach, die schon mit 12 Jahren ihre erste Oper komponierte. Auch die norwegische Violinistin Eldbjørg Hemsing, die zu dem Trio von Gromes am Mittwochabend gehörte, galt als Wunderkind, denn sie hatte bereits im zarten Alter von sechs Jahren ihren ersten öffentlichen Auftritt. Zusammen mit dem Pianisten Alexei Volodin präsentierte das Trio drei höchst unterschiedliche Kompositionen für Violine, Violoncello und Klavier.
Eingangs stellte die Cellistin Gromes kurz das Programm vor. Es begann mit dem Klaviertrio g-Moll op. 17 von Clara Schumann (1819 – 1896). Diese spielte bereits als knapp Neunjährige zum ersten Mal öffentlich im Leipziger Gewandhaus; mit 15 Jahren gab sie ihr erstes großes Klavierkonzert, eine Komposition von Felix Mendelssohn-Bartholdy, der sie als Musikerin schätzte und mit dem sie eine jahrelange Freundschaft verband. Bedauerlicherweise nahm sie sich selbst nicht so sehr als Komponistin ernst, was auf das damalige Frauenbild zurückzuführen sei, erklärte Gromes, die sich intensiv mit Komponistinnen auseinandersetzt. „Das Weib gebiert den Menschen, der Mann das Kunstwerk,“ zitierte Gromes den Philosophen Friedrich Schlegen. Tatsächlich durften Frauen zwar in der Öffentlichkeit musizieren, aber nur so lange, wie sie nicht eigene Werke spielten! Clara Schumann selbst äußerte sich so: „Es geht doch nichts über die Freude, selbst zu komponieren.“ Dennoch sagte sie über ihr Werk: „Es sind einige hübsche Stellen in dem Trio, und wie ich glaube, ist es auch in der Form ziemlich gelungen, aber natürlich bleibt es immer Frauenzimmerarbeit, bei denen es immer an der Kraft und hie und da an der Erfindung fehlt.“ „Wie klingt denn die Musik einer Dame?“, fragte Gromes lächelnd schulterzuckend. Gromes war froh, dass diese Zeiten vorüber seien.
Die 1973 geborene, zeitgenössische russisch-amerikanischen Komponistin, Pianistin, Schriftstellerin und bildende Künstlerin Lera Auerbach galt als Wunderkind und war schon früh auf Tournee. Bei einer dieser Konzertreisen nach New York beschloss sie mit 17 Jahren, nicht mehr in ihre russische Heimat zurückzukehren. Die Musik, die dort akzeptiert wurde, war ihr zu restriktiv. Heute gehört sie zu den am meisten aufgeführten zeitgenössischen Komponisten und gastiert seit ihrem Debüt-Auftritt mit Gidon Kremer regelmäßig in der New Yorker Carnegie Hall. Sie war Komponistin des zweiten Stücks, das zwölfminütige Trio Nr. 1 aus dem Jahr 1992/93; es ist in drei Sätze gegliedert: ein Präludium in mäßig schnellem Tempo, ein klagendes Andante als Mittelsatz und ein rasendes Presto-Finale, das von einem geheimnisvollen Adagio unterbrochen wird. Um den Kreis zu schließen, wie Gromes kommentierte, erfolgte als drittes Stück nach einer Pause das Trio für Violine, Violoncello und Klavier Nr. 1 d-Moll op. 49 von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
Welche Komposition die Zugabe war, blieb zunächst ein Rätsel – zumindest so lange, bis die Musiker wieder zu einem kleinen Talk nach dem Konzert zu den geduldig Wartenden im Foyer des Konzertsaals zurückkehrte; es war ein romantischer Gruß mit Robert Schumanns „Märchenerzählungen“.
Raphaela Gromes spielt ein Instrument mit unglaublich schönem, klaren, warmem Klang: ein Cello von Carlo Bergonzi von 1740; es ist das einzige Cello des italienischen Meisters, das heute noch aktiv gespielt wird – eben von Raphaela Gromes. Sie selbst erhielt zusammen mit ihrem langjährigen Pianopartner Julian Riem 2020 den sehr renommierten Opus-Klassik-Preis in der Kategorie Kammermusikeinspielung Duo mit "Offenbach". Heute ist sie heute eine der international gefragtesten Cellistinnen und unterwegs auf den großen Bühnen der Welt; während ihres Aufenthalts in Schwetzingen jettete sie eben noch nach Tokyo, wo sie ebenfalls mehrere Konzerte gab. Auch die Violinistin Eldbjørg Hemsing ist Opus-Klassik-Preisträgerin; sie erhielt 2023 die Ehrung für ihr Werk „Arctic“ im Bereich „Klassik ohne Grenzen“; einer Hommage an die Schönheit der Natur der Arktis und ihre Gefährdung. Die Norwegerin spielt auf einer Stradivari aus dem Jahre 1707.
So schön kann Klassik sein! Die Präzision und Eleganz der Darbietung überwältigten. Zudem verzauberten die Musikschaffenden durch den herrlichen Klang ihrer Instrumente. Gelungen war die Abfolge im Programm, das mit Clara Schumann begann, mit Lera Auerbach herausforderte und mit Mendelssohn wieder beruhigte. Ein tolles Erlebnis, das so nur live möglich ist, wenn man den emotionalen Ausdruck der Musizierenden beobachten kann und die Musik Raum hat, sich zu entfalten!
In Schwetzingen wird Raphaela Gromes nochmals zu sehen sein mit amerikanischer Musik „Big-Band Orchestra“ im Rokokotheater am Mittwoch, 28. Mai, um 19.30 Uhr mit Vorgespräch ab 18.30 Uhr mit Julian Riem (Klavier) und dem Signum Saxophone Quartet und am Donnerstag, 29. Mai, um 11 Uhr mit Julian Riem mit „Mann und Weib“ im Mozartsaal.