In den letzten Ausgaben ging es um zwei zentrale Orte des Geschehens, die eng mit Weil im Schönbuch verbunden sind, und um den organisatorischen Ablauf unserer drei Theater-Wanderungen.
Heute und in den folgenden drei Wochen vor dem Aufführungsbeginn wird es um die vier schauspielerischen Szenen selbst gehen, die dabei in den zeitlichen und geschichtlichen Kontext eingebettet werden. Es soll eine Einführung für all diejenigen sein, die an den Theater-Wanderungen teilnehmen, ohne dabei zu viel Inhalt vorwegzunehmen, und eine inhaltliche Ergänzung für Interessierte. Der Bauernkrieg, oder anders gesagt „Deutschlands großer Volksaufstand“[i], in dem um Freiheit und Mitbestimmungsrecht gerungen und gekämpft wurde, beschäftigte die Menschen durch alle Zeiten hindurch. Die Rezeptionsgeschichte zeigt, dass er auch von unterschiedlichen Gruppen und politischen Richtungen benutzt oder gar missbraucht wurde.[ii] Auch zeigen sich uns heute die gegenüberstehenden Seiten nicht mehr in schwarz-weiß, oder als „armer Bauer“ und „reicher Adliger“. Vielmehr sind die Linien teils fließend.[iii] Man kann dazu in Württemberg bei den Aufständischen von „Landespatrioten als Rebellen“ sprechen.[iv] Die Literatur zum Bauernkrieg füllt Regale, und ganze Museen, wie das Bauernkriegsmuseum Böblingen oder die große Landesausstellung, widmen sich ausgiebig diesem Ereignis.[v] Wir können hier allein kleine Ausschnitte, oder anders formuliert, vier Fenster in die Geschichte öffnen, die für den geschichtlichen Hergang entscheidend waren und in direktem Zusammenhang mit unserem Ort stehen – sozusagen vier Schlüsselszenen. Die folgenden Inhalte bilden eine Symbiose aus den Ereignissen vor 500 Jahren und dramaturgisch erzählten Elementen des Drehbuchs.[vi] Vier Szenen, vier Spielorte, vier Ereignisse und vier verschiedene Tage werden gezeigt. So wie das Denkmal für Böblingen, von Peter Lenk, in fünf Szenen „Gesichter des Bauernkriegs“ zeigt,[vii] so wollen wir in vier Szenen die Geschichte lebendig machen. Wer sich weiter und umfassender mit dem Thema befassen möchte, den laden die Literatur, weitere Veranstaltungen und Museen dazu ein.
Da bei Weil im Schönbuch das Heer des Schwäbischen Bundes mit ca. 6.000 Fußsoldaten, knapp 2.000 Reitern und 18 Kanonen lagerte, beginnen wir unsere Wanderung an diesem Schauplatz, blicken 500 Jahre zurück und gehen zum 11. Mai 1525. Weil hatte Mitte des 16. Jh. mind. 111 Hofstellen.[viii] Man kann nur erahnen, was das für die Bevölkerung an Belastung bedeutete, da auch Brandschatzung mittlerweile ein legitimes Mittel des Schwäbischen Bundes war.[ix] Die Mannschaft musste mit Wasser und Nahrung versorgt werden, gleichermaßen die 2.000 Pferde und auch logistische Fragen, wie die der Notdurft, lassen sich nicht ignorieren. Zwei Tage, am 10. und 11. Mai 1525, lagerte das Heer in und bei Weil (vgl. Ausgabe 14/2025). Wie kam es aber dazu, dass Weil im Schönbuch in die Quellen der Protagonisten[x] überhaupt Einzug fand? Das Heer aus Fußsoldaten und Reitern bestand weitestgehend aus Söldnern[xi], die schlicht Dienst gegen Geld leisteten. Der Heerführer Georg III. Truchsess von Waldburg-Zeil zog Anfang Mai gegen Tübingen und lagerte für mehrere Tage in der Gegend zwischen Rottenburg und Tübingen.[xii] Als er den Aufständischen nach Lustnau folgen wollte, meuterte sein Fußvolk wie schon Wochen zuvor.[xiii] Die Bauern zogen daraufhin in Richtung Norden ab in den Schönbuch. Der Truchsess saß weiterhin fest, während die gut koordinierten Aufständischen (württembergische Bauern und der Schwarzwälder Haufen) Herrenberg stürmten. Teile eines entsandten Heeres konnten die Bauern letztlich in Herrenberg zum Abzug bewegen, so dass der Truchsess Herrenberg letztlich besetzen konnte. Die Aufständischen zogen Richtung Böblingen und Sindelfingen und ließen dabei ihren Schriftverkehr zurück.[xiv] Bevor der Truchsess aus Herrenberg und der Gegend bei Lustnau den Bauern nach Böblingen folgen konnte, musste er entscheidende Soldfragen klären. So nahm er den Weg über Weil im Schönbuch und lagerte dann mit dem gesamten Heer in und bei Weil, während die Söldner auf ihren Lohn warteten.[xv] Der nahegelegene und reiche Einsiedel (Kirchentellinsfurt) wurde in diesen Tagen gebrandschatzt. Noch immer meuterten die Landsknechte im Heerlager. Grund der Meuterei war die fehlende Liquidität des Truchsess` und damit der ausstehende halbe Monatssold (10.000 Gulden). Am 9. Mai schon schrieben die Räte des Bauernjörgs (Truchsess) an den Bund, sie hätten schon drei Mal um Geldnachschub gebeten. Man schickte den ritteradligen Dietrich Spät mit 100 Pferden nach (Bad) Urach, um Liquidität zu beschaffen.[xvi]
Viele der Aufständischen wurden zur Teilnahme gezwungen.[xvii] Die Aufständischen des Hellen Christlichen Haufens (500 aus dem Böblinger Amt)[xviii] waren sich uneinig darüber, ob man weiter verhandeln oder eine kriegerische Lösung anstreben sollte und hatten schon vor der Schlacht, am Morgen des 11. Mai, ihren Hauptmann Matern Feuerbacher abgesetzt und festgenommen. Er war umstritten, da er stets um eine friedliche Lösung durch Verhandlungen bemüht war, was die radikalen Kräfte nicht mehr überzeugte.[xix] Feuerbacher kämpfte am Tag darauf allerdings mit und überlebte die Schlacht.[xx] Derweilen wurde eine Gesandtschaft des Haufens von Böblingen aus ins Heerlager nach Weil geschickt, um zu verhandeln, darunter Theis Gerber, Thomann Maier und Jörg Ratgeb. Sie handelten am Morgen des 11. Mai 1525[xxi] mit dem Truchsess aus, diesem bis mittags tags darauf eine Antwort der Bauern zukommen zu lassen.[xxii]
Was aus Dietrich Späts Mission nach Urach wurde und was die Aufständischen forderten, das erfahren wir in der Szene 1. Was aus der Abmachung für den nächsten Tag 12 Uhr wurde, das erfahren wir in Szene 4, mit der die Theater-Wanderung dann schließlich enden wird.
Für die folgende Szene 2 reisen wir aber erst einmal ein Jahr zurück und wandern das Tal hinauf nach Weil im Schönbuch, bis wir im Sommer des Vorjahres 1524 ankommen.
Nächste Woche folgt an dieser Stelle Szene 2 – Die Unterdrückung.
Recherchen, Text und Gestaltung: Christoph J. Lehnert, ArchPal-Kulturvermittlung 2025.
Die drei inhaltlich identischen und geführten Theater-Wanderungen finden an folgenden Sonntagen statt:
11. Mai, ab 11:00 Uhr Gastronomie, Beginn Wanderung 12:00 Uhr (11:45 Uhr Grußwort des Landrats)
18. Mai, ab 12:00 Uhr Gastronomie, Beginn Wanderung 13:00 Uhr 25. Mai, ab 12:00 Uhr Gastronomie, Beginn Wanderung 13:00 Uhr Treffpunkt/Start: OaseWeil, Innenhof (Waldenbucher Str. 151, 71093) Ziel: WeilerSportZentrum (In der Röte 94/2 bzw. 95, 71093)
Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist erforderlich und erst ab 14. April ab 08:30 Uhr möglich: im Rathaus an der Pforte zu den Öffnungszeiten, telefonisch unter 07157/1290-0 zu den Öffnungszeiten des Rathauses oder per E-Mail (ab 14.04. ab 8:30 Uhr) unter info@weil-im-schoenbuch.de
[i] Chr. Pantle, Der Bauernkrieg. Deutschlands großer Volksaufstand (Berlin 2024) Titel.
[ii] Th. Kaufmann, Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis (Freiburg i. B. 2024) 50 ff, 318 ff..; vgl. auch die Beispiele in der Dauerausstellung im Deutschen Bauernkriegsmuseum Böblingen; P. Blickle, der Bauernkrieg. Die Revolution des Gemeinen Mannes (6. Aufl. München 2024) 122.
[iii] G. Schwerhoff. Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung (München 2024) 166; vgl. Ausstellung „Der Aufstand in Person“, Deutsches Bauernkriegsmuseum Böblingen, 08.06.-17.11.2024, Bsp. Jörg Gerlach.
[iv] Schwerhoff 2024, 279 f; 273.
[v] „500 Jahre Bauernkrieg“ Große Landesausstellung Baden-Württemberg 2024/25.
[vi] Drehbuch der Schönbuchbühne Weil 1986 e.V.; 1993: Reiner Rupp; 2025: Roland Blessing u. Thomas Schefold (Bearb.)
[vii] Gesichter des Bauernkriegs von Peter Lenk. Ein außergewöhnliches Kunst-Denkmal von Peter Lenk zum Gedenkjahr „500 Jahre Bauernkrieg“. Spendeninformationen der Stadt Böblingen, im Frühjahr 2025.
[viii] Pantle 2024, 162; W. Hahn, Heimatbuch Weil im Schönbuch. Breitenstein. Neuweiler (Pliezhausen 1988) 298.
[ix] Hahn 1988, 61.
[x] Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 54 Bü 9, 28 (B 124); Hauptstaatsarchiv Nürnberg, Fürstentum Ansbach, Geheimes Archiv: Bauernkriegsakten 1/125.
[xi] Pantle 2024, 69.
[xii] Schwerhoff 2024, 283; A. Heusel, Das Stift St. Peter zum Einsiedel. In: A. Heusel/P. Maier (Hrsg.), Der Einsiedel im Schönbuch. Stiftskirche, Schloss und Hofgut (Reutlingen 2018) 59.
[xiii] Schwerhoff 2024, 166; Heusel 2018, 59.
[xiv] Heusel 2024, 60; Schwerhoff 2024, 372 ff; Pantle 2024, 161.
[xv] Heusel 2024, 59 f.
[xvi] ebd.
[xvii] vgl. Schwerhoff 2024, 275.
[xviii] zeitreise bb: Die Bauernschlacht bei Böblingen.
[xix] O. zu Stolberg-Wernigerode (Hrsg.), Neue deutsche Biographie Bd. 5 (Berlin 1961) 115.
[xx] Schwerhoff 2024, 373 f., 280
[xxi] Pantle 2024, 160.
[xxii] Hahn 1988, 62.
Abb. 1/Logo: Bildausschnitt Richard Hohly, Regionalinitiative Kreis Böblingen 500 Jahre Bauernkrieg.
Abb. 2: Hauptstaatsarchiv Stuttgart H 54 Bü 9 (B 124).
Abb. 3: Schwerhoff 2024, 575 (Ausschnitt).