Nachdem wir Szene 3 im Schaichtal verlassen haben, gehen wir zu Szene 4, an welcher sich unsere Zeitreise schließen wird. Begonnen haben wir sie am 11. Mai 1525, haben zwei Fenster in das Jahr 1524 geöffnet und beenden sie nun am Nachmittag des 12. Mai 1525, dem Jahrtag der Schlacht bei Böblingen.[i]
Über die Ereignisse dieses Tages lässt sich viel nachlesen[ii] und wie die entscheidende Schlacht bei Böblingen ausging, ist hinlänglich bekannt, so dass es kein Geheimnis bleiben braucht, was uns in Szene 4 erwarten wird.
Wandern wir also das Schaichtal weiter hinauf und lassen uns von der Landschaft und ihrer Topographie mitnehmen. Das Tal verjüngt sich, wird enger und je näher wir der Schlussszene kommen, desto auswegloser zeigt sich uns das Tal, was auch ganz wörtlich verstanden werden darf.
Am Tag zuvor, dem 11. Mai, verhandelte eine Gesandtschaft der Bauern mit dem Heerführer Georg III. Truchsess von Waldburg-Zeil und weiteren Adeligen. In den Haufen der Bauern war man sich weiterhin uneinig und hatte vor, bis tags darauf um 12 Uhr eine Antwort der Aufständischen, über einen Boten des Truchsess', ins Lager des Schwäbischen Bundes zu schicken. Der Truchsess wartete diese jedoch nicht ab, sondern brach am frühen Morgen des 12. Mai von Weil im Schönbuch aus auf und zog mit seinem Heer über Mauren nach Böblingen. Auch die Einwohner unserer Nachbargemeinden wurden Zeugen dieses gewaltigen Zugs, der aus ca. 6.000 Fußsoldaten und knapp 2.000 Reitern bestand.[iii] Die Schlacht dauerte von ca. 10 Uhr bis nachmittags um 14 Uhr und viele tausende Aufständische verloren dabei ihr Leben oder wurden verletzt.[iv] Auf der Seite des Schwäbischen Bundes sah es ganz anders aus. Lesen wir aber später selbst, was der Feldherr wenige Stunden nach seinem klaren Sieg an den Schwäbischen Bund und seine Verwandten schrieb und wie hoch seine Verluste waren. Der Aufstand war durch diese entscheidende Schlacht niedergeworfen, die Moral gebrochen[v] und es folgten Hinrichtungen[vi] und Strafprozesse, bei denen häufig eine Geldzahlung die Strafe ersetzen konnte.[vii]
So wurden Arbeitskräfte am Leben erhalten und füllten gleichzeitig wieder die Kriegskassen. Auch hier ging es wieder nicht „schwarz-weiß“ zu, denn ehemalige Aufständische saßen gelegentlich später in den Gerichten und verurteilten ehemalige Mitstreiter, wechselten also die Seite. Die soziale Stellung, die Ämter, Beziehungen, aber auch Geld spielten eine Rolle.[viii] Etliche Teilnehmer der Aufstände mussten Urfehde (eine Rechts- und Sühnehandlung)[ix] schwören und so sind diese überlieferten schriftlichen Dokumente für uns heute eine wertvolle Quelle.[x]
Auch wenn mit der Schlacht bei Böblingen der Jahrhunderte dauernde Prozess, hin zu einer Demokratie, nicht zu Ende war, so war das Ereignis doch eine Zäsur.[xi] Es sollte allerdings noch Jahre dauern, bis die Reformation eingeführt wurde[xii] und Herzog Ulrich aus seinem Exil zurückkehren konnte (1534).[xiii] Vieles gäbe es noch zu berichten, aber heute wollen wir in der Schlussszene den vielen Opfern gedenken, die für Freiheit und Mitbestimmungsrecht alles riskierten, sogar ihr Leben.
In dieser Woche wird in Böblingen ein Denkmal von Peter Lenk eingeweiht (9.5. um 18 Uhr, Oberer See), das „Gesichter des Bauernkriegs“ zeigt und Schlüsselszenen wie die unseren, so auch die 4. Szene.[xiv] Schauen wir also, was uns dort erwartet, was wir hören und sehen und wem wir dort begegnen.
Mit den Worten des Briefs des Truchsess' – geschrieben wenige Stunden nach der Schlacht – wollen wir die Szene aus- und nachklingen lassen:
„Lieber Vetter, liebe Herren und Freunde![xv]
Am heutigen Tage brachen wir mit dem Kriegsvolk von Weil im Schönbuch auf und zogen vor Mauren vorbei, und als wir aus dem Wald kamen, wurden die württembergischen und andere aufrührerischen Bauern, die wohl 12000 Mann stark in den beiden Städten Böblingen und Sindelfingen lagen, unser ansichtig und rückten daraufhin aus den Städtlein heraus gemeinsam ins Feld. Nun lag zwischen ihnen und uns ein Moos [Moor], das uns verhinderte, an sie heran zu gelangen. Darum mußten wir oberhalb Böblingen hinziehen. Ehe wir aber nach Böblingen kommen konnten, zogen sie wieder in die Stadt zurück und nahmen mit dem verlorenen Haufen eine Anhöhe hinter dem Schloß Böblingen [Käppele], brachten einiges Geschütz dort hinauf und trieben unser Rennfähnlein, das dort hinaufgerückt war, wieder zurück. Inzwischen hatten wir Böblingen eingenommen, die Stadt mit etlichen Knechten besetzt und eine beträchtliche Zahl [ca. 300] Hakenbüchsen [größere Handfeuerwaffe] auf das Schloß gebracht, die bei der Beschießung der genannten Höhe gute Dienste leisteten. Auch besetzten wir einen anderen daneben liegenden Berg [Galgenberg], und schließlich wurden die Bauern durch die Knechte im Schloß und unser Geschütz wieder von der erwähnten Anhöhe aus ihrer vorteilhaften Stellung vertrieben. Darauf gingen wir mit den Reisigen [Berittene] auf sie los. Vier Falkonettlein [Feldgeschütz von kleinem Kaliber] führten wir mit uns, aus denen wir einige Schüsse auf ihre Schlachthaufen abfeuerten. Dann haben ausschließlich die Reisigen mit ihnen ein Treffen geliefert, und es fochten in diesem Treffen mit: voran die Pfalzgräfischen, danach die Österreicher, und so ein Haufen nach dem anderen. Und Gott hat uns den Sieg verliehen, daß sie alsbald in die Flucht geschlagen wurden, daß wir ihnen all ihr Geschütz und ihre Kriegswagen, auch etliche Fähnlein abnahmen, und daß eine namhafte Anzahl (wieviel wissen wir noch nicht) niedergemetzelt worden sind. Und wenn das Fußvolk auch an sie hätte herangelangen können, so wären nicht viele von ihnen entkommen. So aber flüchtete sich die Mehrzahl der Bauern vor den Reitern in die Wälder. Auf unserer Seite haben wir (Gott sei Lob) nicht viel Verluste zu verzeichnen, und unser Sieg ist so vollständig, daß wir in dieser Gegend keinen Widerstand mehr zu gewärtigen haben. Diese erfreuliche neue Zeitung [Nachricht] wollten wir Euch in aller Eile nicht vorenthalten.
Datum den 12. Mai anno XXV.“[xvi]
Recherchen, Text und Gestaltung: Christoph J. Lehnert, ArchPal-Kulturvermittlung 2025.
Quellen- und Abbildungsverzeichnis:
[i] P. Blickle, Der Bauernkrieg. Die Revolution des gemeinen Mannes (München 2024) 126.
[ii] Th. Kaufmann, Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis (Freiburg i. B. 2024) 323, 429 (FN 358); vgl. Des schwäbischen punds kriegshandlung wider die Pawren im land Wirttemberg Ergangen, 1525. Staatliche Bibliothek Regensburg 999/4Theol.syst.714(31); Chr. Pantle, Der Bauernkrieg. Deutschlands großer Volksaufstand (Berlin 2024) 158 ff; G. Schwerhoff. Der Bauernkrieg. Geschichte einer wilden Handlung (München 2024) 280, 372 ff; zeitreise bb: Die Böblinger Bauernschlacht vom 12. Mai 1525 (G. Scholz); vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart R 1/004 D931030/104 (Freyheit 1525, 1993).
[iii] Vgl. Geschichtliches zum Seiten- und Totenbachtal, Ausgabe 14/2025 bes. (FN i); Chr. Pantle, Der Bauernkrieg. Deutschlands großer Volksaufstand (Berlin 2024), 160 ff.
[iv] Vgl. zeitreise bb: Die Böblinger Bauernschlacht vom 12. Mai 1525 (G. Scholz); Pantle 2024, 164, 166; Tafel im Bauernkriegsmuseum Böblingen zum Ablauf der Schlacht (2024); Schwerhoff 2024, 374.
[v] Pantle 2024, 167.
[vi] Jäcklein Rohrbach, Organisator der Bluttat von Weinsberg wird qualvoll verbrannt (vgl. Pantle 2024, 171); Schwerhoff 2024, 375 (Bsp. Melchior Nonnenmacher).
[vii] Vgl. FN x; Ausstellung „Der Aufstand in Person“, Deutsches Bauernkriegsmuseum Böblingen, 08.06.–17.11.2024, Bsp. Anna Guldenstern.
[viii] Vgl. Ausstellung „Der Aufstand in Person“, Bsp. Jörg Gerlach; Pantle 2024, 171 (Bsp. Margarete Renner).
[ix] Vgl. Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Einführung zum Findbuch des Bestands A 44 „Urfehden“.
[x] Hauptstaatsarchiv Stuttgart A 474 Bü 524 (Bürger von Weil im Schönbuch), A 44 U 476 (Schönaich), A 44 U 431 (Holzgerlingen).
[xi] Schwerhoff 2024, 374 f.
[xii] Württembergische Kirchengeschichte, Calwer Verlagsverein (Hrsg.) (Calw/Stuttgart 1893) 335; R. Weber/H.-G. Wehling, Geschichte Baden-Württembergs (München 2007) 33.
[xiii] 1515–1568. Christoph. Ein Renaissancefürst im Zeitalter der Reformation. Ausstellungskatalog des Landesmuseums Württemberg 24.10.2015–03.04.2016 (Stuttgart 2015) 18; W. Grube, Der Stuttgarter Landtag 1457–1957. Von den Landesständen zum demokratischen Parlament (Stuttgart 1957) 177, 182; P. Rückert, Herzog Ulrich und die Bauern im Krieg von 1525. Rundbrief Württ. Geschichts- und Altertumsverein 38, 2024, 5.
[xiv] Gesichter des Bauernkriegs von Peter Lenk. Ein außergewöhnliches Kunst-Denkmal von Peter Lenk zum Gedenkjahr „500 Jahre Bauernkrieg“. Spendeninformationen der Stadt Böblingen, im Frühjahr 2025.
[xv] „Vetter“: Wilhelm der Ältere, Freiherr zu Waldburg, Herr zu Scheer und Trauchburg (1469–1557) war Augsburger Landvogt, Gesandter des Schwäbischen Bundes, oberster Feldhauptmann und Hofmeister König Ferdinands und Rat Kaiser Karls V. Von 1521 bis 1525 war er vom Kaiser eingesetzter Statthalter von Württemberg. Für seine Leistungen wurde der Truchsess aus dem Haus Waldburg zum Reichserbtruchsessen ernannt.
[xvi] Staatsarchiv Nürnberg, Fürstentum Ansabach, Geheimes Archiv: Bauernkriegsakten 1/125; Übertragung ins moderne Deutsch: Aus Schönbuch und Gäu, Beilage des Böblinger Boten, 3/1949, 12; [Anmerkungen]: Ch. Lehnert.
Abb. 1/Logo: Bildausschnitt Richard Hohly, Regionalinitiative Kreis Böblingen 500 Jahre Bauernkrieg.
Abb. 2: Peter Harrer, Beschreibung des Bauernkriegs, 1551, fol. 23. Aus: Chr. Schrenk/H. Weckbach/S. Schlösser, Von Helibrunna nach Heilbronn. Eine Stadtgeschichte (Stuttgart 1998) 59.
Abb. 3: Staatsarchiv Nürnberg, Fürstentum Ansabach, Geheimes Archiv: Bauernkriegsakten 1/125 (Ausschnitt (v)).