NUSSBAUM+
Regionale Tanztradition in Schatthausen

Kraichgauer Trachtengruppe begeistert seit über 40 Jahren

Seit 1982 pflegt die Kraichgauer Trachtengruppe regionale Tanztradition – montags um 20:15 Uhr im Gemeindehaus Schatthausen, neue Tänzer willkommen.
Drei Frauen und vier Männer stehen Arm in Arm und lachen. Ein Mann sitzt auf einem Stuhl, mit Akkordeon auf dem Schoß, vor ihm ein Notenständer, auch er lacht.
Der erste Vorsitzende des Vereins, Uwe Diemer (2. v. l.) hält die Tradition mit den anderen Mitgliedern der Kraichgauer Trachtengruppe in Wiesloch-Schatthausen aufrecht.Foto: LIP

Vier Paare stehen im Kreis, Frauen innen, Männer außen, Akkordeonmusik setzt ein, dann geht es los. Sie fassen sich an den Händen, er dreht sie, sie dreht ihn, Hand in Hand geht es drei Schritte weiter, neue Figuren folgen, dazwischen Abklatschen, dann Wiener-Walzer-Schritt.

So oder ähnlich tanzt die Kraichgauer Trachtengruppe jeden Montagabend beim Training im evangelischen Gemeindehaus in Schatthausen. Den Takt halten und dabei die komplizierten Schritte und Figuren aufs Parkett bringen ist nicht ganz einfach und auch schweißtreibend bei der zurzeit herrschenden Hitze, und doch macht es allen Spaß.

Getanzt werden vor allem „Ländler“, besonders verbreitet in deutschsprachigen Ländern und Regionen, aber auch andere Volkstänze aus dem europäischen Raum. Die Bewegungen sind getragen und heiter, meist im Dreivierteltakt, begleitet von Singen, Jodeln, Klatschen und Stampfen.

Beim Besuch der WieWo wurden unter anderem Tänze aus Niederbayern, dem Böhmerwald und Pinzgau vorgeführt, aber auch eine Tanzfolge aus Preußen und zum krönenden Abschluss „Le Coucou valse“ aus der französischen Schweiz, garniert mit einem seelenbefreienden Schrei aus dem Mund von Tänzerinnen und Tänzern.

Gründung 1982 in Baiertal

Gegründet wurde die Kraichgauer Trachtengruppe 1982 von Albert Wagner, einem Bayern, der in Baiertal heimisch wurde. Der erste Auftritt war drei Jahre später beim Winzerfest-Umzug in Wiesloch. Weitere Auftritte folgten bei Weinfesten, Umzügen und überregionalen kulturellen Veranstaltungen.

Bei den Heimattagen in Buchen 1986 kam es zu einer Begegnung mit dem damaligen Ministerpräsidenten Lothar Späth. Höhepunkte des Vereinslebens waren Auftritte im Ausland, wie 1991 beim internationalen Folklorefestival in Aserbaidschan, wo man Deutschland vertrat, und einer 10-tägigen Tournee durch das Land.

1993 und 1996 folgten Reisen durch drei südliche Bundesstaaten Brasiliens. Sie waren durch den Kontakt mit dortigen deutschstämmigen Gruppen zustande gekommen. 1998 ging es fünf Tage zu einem internationalen Volkstanzfestival nach Cerveny Kostelec in der Tschechischen Republik. Weitere Auftritte folgten in Frankreich und Russland.

Sechs Trachtengruppenpärchen tanzen auf einem Fest in einer Halle, sie tragen alle typische Trachten und entsprechende Kopfbedeckungen. Um sie herum sind viele stehende Schaulustige in einem Halbkreis.
Die Trachtengruppe kann auf eine lange Geschichte zurückblicken. Einige Mitglieder sind seit 1982 dabei.Foto: LIP

Lange Tradition

Zu einer Volkstanzgruppe gehört natürlich auch eine zünftige Tracht. Anders als im Schwarzwald mit den Bollenhüten der Frauen und den Lederhosen und Dirndln in Bayern war die Suche im Kraichgau nicht einfach.

Die rege Zu- und Abwanderung im 19. und 20. Jahrhundert, Industrialisierung und Fluktuation zwischen Land- und Stadtbevölkerung, vielleicht auch die Aufgeschlossenheit und Flexibilität der Bevölkerung haben zum Verschwinden einer einheitlichen Tracht geführt.

Bei der Suche nach historischen Quellen stieß man auf das Museum in Sinsheim, wie der erste Vorsitzende des Vereins Uwe Diemer aus Dielheim der WieWo erklärte. Heute weiß man, dass die Sonntagskleidung der verheirateten Frau aus einem dunkel gehaltenen, knöchellangen Rock und einer weißen Bluse bestand.

Über der Bluse wurde ein besticktes, farbiges Tuch kreuzweise geschlungen und auf dem Rücken gebunden. Als Kopfbedeckung trug sie ein schwarzes, spitz zulaufendes Häubchen, das mit Metallplättchen und Stickerei versehen war.

Besondere Kleidung

Die Mädchen trugen einen wadenlangen hellroten Rock mit weißer Schürze, deren Bänder nicht verschnürt sind, sondern gerade herunterhängen, und weiße Baumwollstrümpfe mit eingestricktem Perlenmuster. Über der weißen Bluse wird ein schwarzes besticktes Mieder getragen.

Besondere Akzente setzen eierschalenfarbene Seidentücher aus Goldbrokat und mit Perlen bestickte Häubchen.

Der Mann trägt über schwarzen Kniebundhosen einen zweireihigen langen dunkelblauen bis zu den Knien reichenden Tuchrock mit aufrecht stehendem Kragen. Der Dreispitz als Kopfbedeckung ist dem verheirateten Mann vorbehalten.

Der unverheiratete Bursche trägt eine schwarze oder hirschlederne Kniehose, weiße Baumwollstrümpfe und Hosenträger mit Stickereien in Rosenmuster, dazu ein rotes Halstuch, ein rundes Samtkäppchen mit Stickereien und einen blauen Janker aus schwerem Wollstoff.

Man darf vermuten, dass die Trachten früher nur von wohlhabenden Kraichgauern getragen werden konnten. Die Gruppe bestand bei der Gründung aus Tänzern im jugendlichen Alter, von denen ein Teil immer noch dabei ist. Gerne nimmt man Einzelpersonen oder Paare neu mit auf, Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.

Am Volkstanz Interessierte können jederzeit zu den Proben montags um 20:15 Uhr ins evangelische Gemeindehaus in Schatthausen kommen. Auskunft erteilt Uwe Diemer, Tel. 06222 307400. (aot)

Sechs Personen üben einen Trachtentanz ein, tragen jedoch Alltagskleidung. Von der Kamera abgewandt sitzt der Akkordeonspieler.
Geprobt wird jeden Montag um 20:15 Uhr im evangelischen Gemeindehaus in Schatthausen.Foto: LIP
Erscheinung
Wieslocher Woche
NUSSBAUM+
Ausgabe 27/2025
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
01.07.2025
Orte
Wiesloch
Kategorien
Kultur
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto