Aus den Rathäusern

Thomas Posmek geht in den Ruhestand

Inklusion, Teilhabe, Bildung und BiG immer fest im Blick Wenn Thomas Posmek an diesem Wochenende in den Ruhestand verabschiedet wird und den Staffelstab...
Julia Meier-Reimann und Thomas Posmek.
Julia Meier-Reimann und Thomas Posmek.Foto: Steinhardt-Stauch

Inklusion, Teilhabe, Bildung und BiG immer fest im Blick

Wenn Thomas Posmek an diesem Wochenende in den Ruhestand verabschiedet wird und den Staffelstab an Julia Meier-Reimann weiter gibt, dann hat er in Grötzingen einen wahren Langstreckenlauf absolviert. Lehramt an der Grund- und Hauptschule, Sozial- und Sonderpädagogik, Integrations- und Inklusionsarbeit, Aufbau eines anerkannten und gut funktionierenden Teilhabeprojekts im Ort und dessen Vernetzung mit Lehre, Verwaltung und sozialer Teilhabe mitten im Ort: so heißen einige der Stationen dieses Parcours mit manchen Hindernissen. „Mein Grötzinger Weg begann an der damaligen Grund- und Hauptschule mit dem integrativen Unterricht“, erinnert sich Thomas Posmek. 1999 war hier die erste integrative Außenklasse der Albschule mit einer 1. Klasse eingeschult worden, welche die vier Grundschuljahre und danach die Sekundarstufe gemeinsam mit ihren Mitschülern der Grund-, Haupt- bzw. später dann Werkrealschule bis zur 9. Klasse absolvierte. „Die Grötzinger Hauptschüler haben von dieser Integration nur profitiert. Soziales Lernen war im Klassenverbund selbstverständlich und durch die Anwesenheit mehrerer Lehrer konnten die Hauptschüler manchen Unterrichtsstoff in wesentlich kürzerer Zeit erarbeiten, als in den ‚üblichen’ Hauptschulklassen“, bewertete der damalige Rektor Karg die durchweg positive Erfahrung in der Grund- und Hauptschule.

Im Schuljahr 2008/2009 wurde danach am Standort Grötzingen eine erste BVE-Klasse (Berufsvorbereitende Einrichtung) eingerichtet, eine Leistung, die nicht zuletzt auf den Einsatz des Lehrers Thomas Posmek zurückzuführen war. Der Grundgedanke war die Einbindung der Schülerinnen und Schüler mit Handikap in die vorhandenen Strukturen. „Das wurde, nicht zuletzt dank konstruktiven Miteinanders, an der Schule und im Ort äußerst erfolgreich“, weiß Thomas Posmek. Seine Außenklassen hatten sich bereits zuvor zu Verbündeten im Schulgarten von Herrn Paffrath und Frau Frey gemacht. Mit Hilfe von auszubildenden Zimmerleuten erstellten sie ein „Grünes Klassenzimmer“ im Garten. „Zunächst gab es das Schülercafe“, erinnert Posmek. Dann kam der Schülerkiosk, von Frau Hofheinz geführt, Training in Vorbereitung auf die Berufstätigkeit. Drei Jahre florierte eine Mensa in der ehemaligen Küche des Schloss Augustenburg unter der Leitung von Herrn Posmek. „Frau Guttenbacher, Leiterin des Bauamts, hatte stets ein offenes Ohr für uns und unterstützte, wo sie konnte!“ Da wurde das frühere Schülercafé geweißelt, eingerichtet und dekoriert und Posmeks Schützlinge übten sich im Tische decken, waschen und spülen und so vieles mehr.

Dann drohte ein jähes Aus.

Nachdem im Schuljahr 2012/2013 eine Gemeinschaftsschule für die Sekundarstufe eingeführt wurde, stellte man im Haus Asbestbelastung fest. Das Gebäude wurde abgerissen und dann durch einen Neubau ersetzt. Die Berufsschulstufe in Grötzingen hatte dort keinen Platz mehr!

Thomas Posmek gab nicht auf. Vielleicht auch, weil BiG eine richtig schöne Bezeichnung für Berufsschulstufe in Grötzingen ist. Ganz sicher aber, weil es für ihn schon ein alter Hut war, als 2009 die Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen kam. Er lebt und arbeitet für volle und wirksame Teilhabe an allen Lebensbereichen und daher schulische Bildung. Folgerichtig erarbeitete und schrieb er die Konzeption eines Teilhabeprojekts zur Vorbereitung auf soziale und lebenspraktische Inklusion: Deutsch, Mathe, Natur, Umwelt und Technik, Musik und Bildende Kunst, Bewegung, Mensch in der Gesellschaft, selbstständige Lebensführung und Religion auf dem Stundenplan einer Bildungseinrichtung. In der Albschule fand das Papier Anerkennung. Allein, die Räumlichkeiten fehlten noch.

2014, gleich beim ersten Antrittsbesuch, ging Thomas Posmek mit einem entsprechenden Wunsch auf die Ortsvorsteherin zu. Gerne würde die BIG in Grötzingen bleiben, auch wenn sie nach dem Abriss in der Schule selbst keine Bleibe mehr habe: „Wir wollen mit der Schülerschaft gerne hier bleiben, da wir in mehr als 10 Jahren Kooperationspartner in Grötzingen gefunden haben, die uns sonst alle wegbrechen würden!“ Auch die Ortsverwaltung sei einer dieser Kooperationspartner und schätzte die Mitarbeit der Schülerschaft im Ort sehr.

Es folgten mehrere Treffen mit Fachämtern, der Rektorin der Albschule, Frau Pollack und Herrn Reuter, der für die Berufsschule dort zuständig ist und dann eine Suche im gesamten Stadtgebiet nach geeigneten Räumen, zunächst ergebnislos. „Wie der glückliche Zufall so wollte“, berichtet heute Ortsvorsteherin Karen Eßrich, „wurden zum Sommer 2015 zwei Wohnungen im Feuerwehrhaus frei, welche die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr selbst nicht mehr anmieten wollten, so dass diese an die Albschule vermietet werden konnten.“ Ein erster großer Schritt, dem noch viele folgen mussten.

Dass es bis zur Einweihung 2017 noch dauerte, ist auch der Bürokratie und den zu klärenden Fragen der Zuständigkeiten geschuldet. Der Weg war nicht immer leicht, berichtet die Ortsvorsteherin. Sie bedankt sich für Geduld, Ausdauer und Beharrlichkeit von Thomas Posmek. Politisch sei die BIG stets vom Grötzinger Ortschaftsrat und vom Gemeinderat der Stadt unterstützt worden. Tatkräftiger Einsatz kam vom Grötzinger Bauhof. „Ideal!“, bestätigt Thomas Posmek. Ebenso ideal war der Einsatz der Schülerinnen und Schüler selbst. Nach den Prüfungen hatten Lehrer und Schüler fachgerecht zwei Wände abgebrochen, den Schutt eimerweise eigenhändig entsorgt und Wandkanten wieder aufgebaut und verputzt: "Wir hatten den Anspruch, so viel wie möglich selbst zu organisieren und zu machen!" Zunächst kam zu den Klassenzimmern eine Trainingswohnung. Inzwischen gibt es eine Zweite, die so ähnlich eingesetzt und vermietet wird wie ein kleines Schullandheim „So können wir eine weibliche und eine männliche Gruppe an einem selben Wochenende übernachten lassen“, sagt Thomas Posmek. Schulgruppen aus dem Stadt- und Landkreis hätten dies schon wahrgenommen, denn „Grötzingen hat ein attraktives Naherholungsgebiet“. Training bedeutet, dass alle anfallenden hauswirtschaftlichen Arbeiten von den Absolventen der BiG selbst erledigt werden. Das sind weitere praktische Vorbereitungen auf ein selbstbestimmtes Erwachsenenleben, ebenso wie die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben Grötzingens. Dazu gehören zum Beispiel die Arbeit in der Wäscherei des Hanne-Landgraf-Hauses, die Reinigung des Feuerwehrhauses, oder Praktika im örtlichen Einzelhandel neben Schulfächern wie Mathe, Sport, Deutsch oder Werken und Kochen. Aber es wäre eine Freude für Posmek, wenn die BiG in Grötzingen noch bekannter würde.

Der Stundenplan für Projektleiter Thomas Posmek ist allerdings nicht festgeschrieben. Elterngespräche, Unterstützung der Jugendlichen und der Familien, Dialoge mit Jugendamt, medizinischer Betreuung und Familienhelfern und noch vieles mehr dehnen den zeitlichen Einsatz und das Mitempfinden für seine Schützlinge in große Weiten. „Manche Schicksale gehen einem viel näher, als man eigentlich will. Dennoch: Ich stehe weiterhin voll hinter diesem Konzept und seiner Verwirklichung!“

Der Abschied wird nicht leicht werden. (StS)

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Grötzingen Aktuell
Ausgabe 29/2024
von Redaktion Nussbaum
19.07.2024
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