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Traditionsreicher Schmarotzer

„Die Mistel ist der einzige Baum, der im Winter wächst“, besagt eine alte Bauernregel und verwirrt erst einmal. Gemeint ist sicherlich, dass die Mistel...

„Die Mistel ist der einzige Baum, der im Winter wächst“, besagt eine alte Bauernregel und verwirrt erst einmal. Gemeint ist sicherlich, dass die Mistel oft durch das Laub ihrer Wirtsbäume verdeckt wird, wenn diese aber im Winter kahl dastehen, die vital und saftig grünen Bälle der Misteln hoch oben in den Kronen plötzlich gut sichtbar werden und gerade in der tiefstehenden Sonne wie grüne Christbaumkugeln regelrecht leuchten. Und doch betrachten Baumkenner die Pracht mit gemischten Gefühlen denn klar ist, die Pflanze ist ein Schmarotzer (oder zumindest Halb-Schmarotzer, denn Photosynthese betreibt sie immerhin selbst), der seinem Wirt (gerne Pappel und Apfel) über Saugwurzeln Wasser und vor allem ‚Nährsalze‘ wie Stickstoff und Kalium entziehen und ihn dadurch schwächen. Bei ein, zwei Exemplaren ist das noch weniger ein Problem. Aber Bäume, in denen 100+ Misteln hängen, sind mittel- und langfristig meistens abzuschreiben. Wie nur kommt so eine Mistel überhaupt in 5 bis 20 Meter Höhe auf einen Ast? Hauptverbreiter sind Vögel und hier besonders die Misteldrossel, die die Beeren fressen, den Samen aber übrig lassen und ihn vom Schnabel an den Zweigen abwischen, wo er kleben bleibt und im Frühjahr auskeimt. So ärgerlich die Misteln werden können, sind sie doch also auch ein wichtiger Nahrungsvorrat für Vögel im Winter. Irgendwann einmal hat sich das Zusammenspiel zwischen Wirt, Mistel und Vogel mit sehr viel Sinn entwickelt. In grauer Vorzeit, als die Natur sich noch selbst geregelt hat, keimten und wuchsen Bäume, wie und wo es ihnen gefiel. Arten wie die Mistel, die hier einige Exemplare schwächten und schließlich absterben ließen, halfen, den Bestand wieder auszulichten und gesund zu erhalten. Heute hat sich hier viel geändert, doch die Faszination an der grünen Leuchtkugel ist geblieben. Christen haben sie als Fruchtbarkeitssymbol gewürdigt und wer unter einem aufgehängten Busch steht, darf (oder muss) nach uraltem Brauch geküsst werden.







Erscheinung
Karlsdorf-Neutharder Nachrichten
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Ausgabe 48/2025
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Kategorien
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