Seit einem Jahr im Schwabenalter angekommen ist die deutsch-französische Städtepartnerschaft zwischen Meßstetten und Luynes. Beide Seiten feierten das Jubiläum zum 40-jährigen Bestehen gebührend im Sommer 2024 in Meßstetten. Vier Jahrzehnte zuvor besiegelten die Bürgermeister beider Städte, Willy Fischer und Dr. Jean Pagès, die „Jumelage“ feierlich in Frankreich. Wie sehr diese nach wie vor mit Leben gefüllt ist, zeigte sich beim Gegenbesuch im Loiretal vom 8. bis 12. Mai. Die Meßstetter wurden einmal mehr mit herzlicher Gastfreundschaft empfangen, bestem Essen verköstigt und mit einem erlebnisreichen Besucherprogramm verwöhnt. „Savoir vivre“ – ja, das können unsere französischen Nachbarn.
Das Loiretal gehört zu Frankreichs beliebtesten Urlaubszielen. Über 400 Schlösser, Burgen und Herrenhäuser reihen sich wie Perlen auf einer Kette entlang des naturbelassenen großen Flusses samt dessen Nebentälern. Mittendrin liegt Luynes, eine „Petite cité de caractère“ – diesen Beinamen darf das Städtchen offiziell seit März 2021 tragen. Die außergewöhnliche Schlösser-Dichte, die wohl auf der ganzen Welt ihresgleichen sucht, hat politisch-historischen Hintergrund. Zu Zeiten des Hundertjährigen Krieges war die Loire noch Grenzfluss und somit natürliches Wehr-Bollwerk zum von England besetzten Norden.
Dass zu einem Loiretal-Aufenthalt und somit zu einem Partnerschaftstreffen folglich auch immer eine Schlossvisite gehört, darauf haben sich die Meßstetter und ihre französischen Freunde eingestellt. Dieses Mal führte der Trip ins Châteaux Royal de Blois, eine starke Autostunde von Luynes entfernt. Die Anlage, die sich heutzutage mittig in der Stadt einfügt, gilt mit seiner architektonischen und historischen Synthese als einzigartiges feudales Gebäude im Loiretal. Wie hier Baustile unterschiedlicher Epochen unter der Ägide von sieben Königen und zehn Königinnen verschmelzen, davon konnten sich die Meßstetter bei einer deutschsprachigen und inhaltsreichen Führung selbst überzeugen.
Nach ein paar Stunden zur freien Verfügung war das nächste Ziel gerade einmal rund einhundert Meter vom Schloss entfernt. Ob sich Hermann Hesses Steppenwolf-Protagonist Harry Haller auch so gefühlt haben muss, als er durchs „Magische Theater“ wandelte und nach dem Sinn des Daseins suchte? Jedenfalls durften die Meßstetter und ihre französischen Gastgeber die scheinbare Widersprüchlichkeit des Lebens im „Haus der Magie“ hautnah erfahren: ob in zahlreichen „täuschenden“ Nischen und Erlebnisecken oder einer Zaubershow im hauseigenen Theater. Am Ende verließ ein jeder das „Maison de la magie“ mit seinem beeindruckenden Nachlass des großen Jean Eugène Robert-Houdin mit der tiefgreifenden Erkenntnis, dass es trotz Ratio und physikalischen Gesetzen nur schwerlich Antworten auf alle Fragen gibt – es lebe die Illusion.
Dicht terminiert war der Samstag, an dem es ebenfalls wieder morgens kurz nach acht losging. Cadre Noir – das ist, wie der Name vermuten lässt, die französische Kaderschmiede im Pferdesport. Die berühmteste Reitschule des Landes, die auf 211 Jahre zurückblickt, entstand – wie so vieles – aus militärischer Notwendigkeit heraus. Heute pflegt das Reiter- und Ausbildungskorps die französische Reitkunst auf sportlicher Ebene. Stolz werden die unzähligen Auszeichnungen und Trophäen im Foyer der gigantischen Reithalle präsentiert. Drinnen werden die Besucher mit einer Lichtershow begrüßt, bevor die uniformgewandeten Dressurreiter mit ihren stolzen Tieren zu Musik von Beethoven bis Smetana ihr Können zur Schau stellen. Auch wenn das Gezeigte noch so eindrucksvoll ist, auf Erinnerungsfotos oder Handyvideos mussten die geschätzt 1000 Gäste auf den nicht ganz gefüllten Tribünen verzichten – c’est interdit.
Ein wahres Erlebnis war das Mittagessen in „Les caves de Marson“, einem Restaurant, das in eine Höhle gebaut ist. Die Gasträume sind auf insgesamt drei nebeneinander liegenden Ebenen, die durch mannsbreite und -hohe Gänge verbunden sind. Gleich am Eingang des kerzenbeschienenen, gemütlichen Lokals steht ein Steinofen, an dem der Maitre de fouées diese regionale Spezialität zubereitet. Fouées ähneln unseren Dinnete und munden mit verschiedenen Brotaufstrichen oder einfach gesalzener Butter vorzüglich. Dazu noch Bohnen-Eintopf mit Kuttelwurst und der obligatorische Tischwein. Bon appetit.
Nach dem Essen sollst du ruh’n oder tausend Schritte tun. Warum nicht beides nach dem üppigen Mahl? Nach viertelstündiger Pause während der Busfahrt erkundete man mit einer deutschen Stadtführerin, die seit Jahren in Frankreich lebt, per pedes das Städtchen Saumur. Dieses beherbergt auch das 1811 gegründete Weingut Ackerman, heute Marktführer in der Kategorie Crémant de Loire. Bis es aber so weit war, hatte der traditionsreiche Betrieb viele Tiefen zu überwinden. So überzogen die Rivalen aus der Champagne den Gründer Jean-Baptiste Ackermans mit Prozessen, die über seinen Tod hinaus andauerten. Die Folgen sind noch heute spürbar. So dürfen die Crémants aus Saumur nicht mit „méthode champenoise“ beschrieben werden, sondern müssen als „méthode traditionnelle“ bezeichnet werden.
Das tut den feinen Weinen aber keinerlei Abbruch. Dass letztlich die Qualität und nicht die Terminologie und zuvorderst der persönliche Geschmack entscheidend sind, davon durfte sich die Reisegruppe Luynes-Meßstetten überzeugen. Die leckeren Tröpfchen sollten aber zunächst verdient sein. Beim Rundgang durch einen kleinen Teil der insgesamt sieben Kilometer langen, in den Fels gehauenen Gänge, Hallen und Kathedralen unter Tage, tauchten die Gäste ein in die Geschichte der Schaumweinproduktion und der Historie von Ackerman, der auch als Pionier des Flaschengärungsverfahrens gilt. Dann hieß es verkosten. Die junge Kellerführerin kredenzte drei Cremants; mit dem erhofften Erfolg. Je nach Gusto fand am Ende so manches Kistchen aus dem Verkaufsladen den Weg in den Kofferraum des Reisebusses.
Das Tüpfelchen auf dem vielbemühten I an diesem Tage war der Partnerschaftsabend im Gemeindesaal, den „Halles de Luynes“. Das Dreigänge-Menü, das die benachbarten Köche des Restaurants „O’Saveurs“ auftischen ließen, war ein Genuss für den Gaumen. Nix nouvelle cousine, weder überladen noch etepetete, sondern bodenständig-lecker, aber mit der erwarteten Raffinesse. Die drei Speisen zeigten eindrücklich, warum es „Leben wie Gott in Frankreich“ heißt.
Wer nun den Reisebericht bis hierher gelesen hat, weiß, warum sich ein Besuch in Meßstettens Partnerstadt immer lohnt. Traumhafte Schlösser, gute Küche, vor allem aber herzliche Gastfreundschaft. Es ist wirklich keine Plattitüde, wenn es heißt, diese deutsch-französische Freundschaft lebt. Alle Meßstetter, ob zum ersten Male mit dabei oder schon seit Jahren, werden das bestätigen. Sehr breit war die Alters-Spannweite der Reisegruppe 2025 – von der zweijährigen Laetitia, der Tochter von Familie Schroft, bis zum 90-jährigen Jens Körner. Der Senior ist sogar einer der Gründerväter der Städtepartnerschaft, wenn man so möchte. Schon bei der Besiegelung des Vertrags zwischen Luynes und Meßstetten im Jahre 1984 war der ehemalige Rektor des Meßstetter Gymnasiums mit dabei. Seit damals sollten schon beinahe 20 weitere Besuche im Loiretal folgen.
Weil es keinen offiziellen Festakt mit Ansprachen gab, dafür umso mehr Zeit in den Familien, nutzte Meßstettens Bürgermeister Frank Schroft am Montagmorgen vor der Heimreise die Minuten des Abschieds, um „Merci“ zu sagen. Sich zu bedanken bei vorbildlichen Gastgebern und allen Mitreisenden, welche die „Jumelage“ am Leben halten. Er bedankte sich beim französischen Partnerschafts-Komitee und insbesondere Jean-Claude Gasser, der mit seinem perfekten Deutsch als bewährter Reiseführer und Organisator nicht wegzudenken ist. Ebenso galt ein Dank jenen, die auf deutscher Seite die Fäden ziehen: Christina Eppler und Thorsten Steidle – beide leben die Städtepartnerschaft mit Leib und Seele.
Ein Wiedersehen gibt es im kommenden Jahr. Der Meßstetter Schultes und sein französischer Amtskollege Bertrand Ritouret, der übrigens am Besuchsfreitag seinen 64. Geburtstag feierte, vereinbarten den Zeitraum 17. bis 21. September für den Gegenbesuch der französischen Freunde auf dem Großen Heuberg.
(VB)
Dieser Bilderbogen von Luynes und seiner weiteren Umgebung zeigt, wie schön und erlebnisreich es im Loiretal in Frankreich ist. Vielleicht lassen Sie sich davon inspirieren, auch einmal bei einem Besuch in Meßstettens Partnerstadt mit dabei zu sein.