NUSSBAUM+
Kirche & Religion

Trost ohne Worte (Teil 1)

Der im Widerstand gegen Hitler tätige evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer saß Ende Januar 1944 in Berlin Tegel im Gefängnis. Als Hochverräter...

Der im Widerstand gegen Hitler tätige evangelische Theologe Dietrich Bonhoeffer saß Ende Januar 1944 in Berlin Tegel im Gefängnis. Als Hochverräter haben ihn die Nazis inhaftiert; und er ist deshalb mittendrin, als alliierte Bomber in der Nacht des 30. Januars Berlin mit einem Bombenteppich belegen. Auch das Gefängnis in Tegel wurde bei diesem Angriff getroffen.

In einem Brief an seinen guten Freund Eberhart Bethge schreibt Dietrich Bonhoeffer danach: "Du wirst wissen, dass die letzten Nächte schlimm waren, besonders die vom 30.1. Unsere Ausgebombten kamen morgens zu mir, um sich ein bisschen trösten zu lassen. Aber ich glaube, ich bin ein schlechter Tröster. Zuhören kann ich, aber sagen kann ich fast nie etwas."

„Ich bin ein schlechter Tröster“ – Der Satz beschäftigt mich. „Zuhören kann ich, aber sagen kann ich fast nie etwas“: Das erfahre ich in meiner Arbeit immer wieder, dass mir die Worte fehlen, angesichts menschlichen Leids. In meiner Wohnung hängt ein Bronzerelief des Gnadenbilds von Kevelaer, wo ich vergangenes Jahr seit langem wieder einmal die Eröffnung der jährlichen Wallfahrt miterleben durfte. Und auch in diesem Jahr werde ich dort sein. Auf der Mitte des Kapellenplatzes steht die Gnadenkapelle. In ihr hängt das kleine und vergilbte, leicht zu übersehende Gnadenbild der Mutter Gottes.

Über diesem Bild und der Kapelle steht es in großen Lettern: „Consolatrix afflictorum“ – „Trösterin der Betrübten“. Und diese Betrübten zieht er an, dieser Ort. Die Menschen kommen und sie bringen ihre Anliegen mit. Das sind immer wieder ganz persönliche Geschichten. Sie handeln von Verletzungen und vom Verletzen. Sie erzählen vom Verlieben und vom Entlieben, von Schicksalen und persönlichen Katastrophen. Und wenn ich daheim die „Trösterin der Betrübten“ betrachte, dann erzähle ich ihr mitunter auch von solchen persönlichen Geschichten, Schicksalen und Katastrophen, die mir anvertraut wurden.

In letzter Zeit kommt immer wieder ein weiteres Thema dazu: die Sorge um unser Land, um unsere Freiheit und Demokratie. Das alles macht auch mir große Sorgen. Und ich merke: auch als Seelsorger stehe ich genauso hilflos dabei und kann nur zuhören.

Ich merke es selbst, wie man in unserer Zeit kaum noch miteinander reden kann, weil die Positionen auseinanderfallen. Mit Erschrecken merke ich, wie die Ansichten sich radikalisieren. Und ich merke auch hier am Ort: Dieses Thema verwundet, verunsichert … es betrübt die Menschen.

(R. Baier)

Erscheinung
Mitteilungsblatt der Stadt Schriesheim
NUSSBAUM+
Ausgabe 06/2025

Orte

Schriesheim

Kategorien

Kirche & Religion
Panorama
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.