Tierische Tummelplätze (2)
Auch die Forstwege selbst bergen neben Risiken auch Chancen für bedrohte Tiere und Pflanzen. Zwar dienen sie zusammen mit den Rückegassen vor allem der Erschließung und Bewirtschaftung des Waldes. Für kleine und weniger mobile Tiere stellen sie teils unüberwindliche Barrieren dar. Zudem wird beim Bauen, Warten und Befahren von Forstwegen der Waldboden verdichtet und kann dadurch weniger Wasser speichern. Deshalb sollte das Wegenetz im Wald auf das Nötigste beschränkt werden. Fakt ist aber auch, dass entlang von Forstwegen wertvolle Lebensräume entstehen, die anderswo selten oder verschwunden sind. Das belegt ein dreijähriges Forschungsprojekt in fünf ausgewählten Regionen Österreichs, bei dem 126 Forststraßen samt der angrenzenden Waldflächen auf einer Strecke von jeweils 100 Metern Länge ökologisch bewertet wurden.
Das Ergebnis fiel überraschend positiv aus: 83 unterschiedliche Biotoptypen kamen zum Vorschein, darunter 28, die laut Roter Liste als gefährdet gelten, und 16, die bereits stark gefährdet sind. Zum Beispiel trockene Waldsäume oder feuchte Magerrasen, auf denen jeweils unterschiedliche Orchideen gedeihen. Blütenreiche Hochstaudenfluren, die mehr als 40 verschiedene Tagfalter und Bärenspinner mit Nektar und Raupenfutter versorgen. Totholzreiche Naturhecken, die Maus und Igel Verstecke bieten. Wassergräben entlang der Wege, in denen Kaulquappen neben Libellen und weiteren Insekten heranwachsen. Sonnenbeschienene Böschungen, in denen vielerlei Sandbienen, Erdwespen und Hummeln ihre Nisthöhlen anlegen. Dazu kilometerlange Trockenmauern, die im steilen Gelände die Forstwege befestigen: Dort finden streng geschützte Reptilien wie Schlingnatter, Blindschleiche, Zaun- und Mauereidechse, aber auch besonders wärmeliebende Insekten wie die Waldgrille Nahrung und Unterschlupf. Fast die Hälfte der 172 in der Studie erfassten Tierarten sowie 95 Prozent der Pflanzen fanden sich ausschließlich entlang der betrachteten Forstwege, aber nicht im angrenzenden Wald. Indem sie Ersatz für anderswo schwindende Biotope bieten, tragen Forstwege also entscheidend zur Bereicherung der Artenvielfalt bei. Besonders viele Arten finden auch in Baumhöhlen Schutz und Nahrung. Diese Biotope entstehen natürlicherweise, wenn Fäulnispilze und -bakterien ins zunächst frische Holz eindringen und es allmählich zersetzen. In der morscher werdenden Holzmasse bilden sich Hohlräume, die von zahlreichen Insekten, aber auch von Vögeln und Säugern genutzt werden. Wenn das Material genügend weich genug ist, picken zum Beispiel Hauben- oder Weidenmeisen ihre Bruthöhlen hinein. Gerne beziehen die Meisen auch bestehende Höhlen, die einst von einem Mittel- oder Buntspecht gezimmert und später aufgegeben wurden.
Tatsächlich sind Spechte die wichtigsten Baumeister von Baumhöhlen – und zwar jeder auf seine Art: Der nur 15 Zentimeter große Kleinspecht kann nur in sehr weichem Holz eine Höhle anlegen. Das Männchen präsentiert die fertige Höhle seiner Partnerin. Die legt gleich ihr erstes Ei da rein und klaut ihm quasi seine Schlafhöhle. Dann muss er sich eine neue bauen. (Fortsetzung folgt)