Schutzgemeinschaft Filder e. V.
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Tiere, Natur & Umwelt

Überproportionaler Landverbrauch auf den Fildern - Bericht von der Veranstaltung

Schutzgemeinschaft Filder cc G. Visintin, 70794 Filderstadt, gvisintin@aol.com, 0179/2050449, www.schutzgemeinschaft-filder.de Es waren rund 60 Interessierte,...

Schutzgemeinschaft Filder cc G. Visintin, 70794 Filderstadt, gvisintin@aol.com, 0179/2050449, www.schutzgemeinschaft-filder.de

Es waren rund 60 Interessierte, die sich in der Zehntscheuer zur Bodenveranstaltung der SG Filder zusammenfanden und zuerst den beiden Referenten zuhörten. Steffen Siegel verdeutlichte zu Beginn, wie nun seit fast 100 Jahren Großprojekte die äußerst fruchtbaren Filderäcker bedrohen und reduzieren: in den 1930er Jahren Flughafen- und Autobahnbau durch das Hitlerregime, 1960er Jahre Bedrohung durch Gerlachplan mit 3 Startbahnen, 1990: Startbahnverlängerung und A8-Erweiterung, ab 2000 Messeneubau sowie S21-Pläne und Bau auf den Fildern, 2007: Zweite Startbahnpläne (2008 verhindert!), jetzt Pfaffensteigtunnel-Plan. Prof. Willfried Nobel analysierte mit dem beispielhaften Blick auf die Veränderung der Landwirtschaftsfläche zwischen 2000 – 2020, wie sich dieser permanente Zubau letztendlich auf die Filderbauern auswirkte: Die Landwirtschaft hat in diesen vergangenen 20 Jahren überproportional viele Äcker an Siedlungen und Straßen verloren, rund 8 Prozent. Der Hotspot an Landwirtschaftsverlust liegt prozentual gesehen in Leinfelden-Echterdingen (130 ha). Filderstadt hat quantitativ am meisten Äcker verloren: 180 ha. Prof. Charles Munch zeigte auf, welche überragende Bedeutung die Äcker für die Lebensmittelversorgung haben und zugleich Wasser und CO₂ speichern sowie sehr hohe Biodiversität aufweisen. Eine wichtige Erkenntnis: Wird die Humusschicht einmal durch Straßen oder Gebäude belastet oder nur ab- und später wieder aufgetragen, verliert sie ihre ursprüngliche Fruchtbarkeit.

Fragen und Antworten zum Boden

An unsere Referenten Prof. Jean Charles Munch und Prof. Willfried Nobel wurden in der Diskussion vor drei Wochen viele Fragen gestellt. Dabei ging eine Frage – genau wie in den Zeiten, als wir gegen den Flughafenausbau kämpften – darum, ob die Qualität des Gemüses durch die Großprojekte leiden würde. (Es gab sogar Flughafen- und Messebefürworter, die damals meinten, die Filder wären sowieso schon kaputt, da würden zusätzliche Belastungen nichts mehr ausmachen.) Prof. Munch erklärte, dass die erhobenen Daten aus den 1980er und 1990er Jahren keine negativen Ergebnisse für die Erzeugnisse der Filder zeigten. Bei der Frage nach „Mikroplastik im Boden“ konnte Munch leider keine Entwarnung geben: Wie im Meer sammelt sich auch in Böden in Deutschland Mikroplastik an. Zusammengefasst: „Mikroplastik ist auch in unseren Böden präsent, einmal durch die Bewirtschaftung, z. B. durch Einträge. So war es früher den Gartenbau-Betrieben sogar genehmigt, die Plastikreste der Folien in den Boden einzuarbeiten. Auch die Komposte aus Bioabfällen der Kommunen und der Lebensmittelindustrie bringen Plastik in den Boden ein. Ebenso die Ablagerungen aus der Atmosphäre wie Abrieb von Reifen oder windgetragene große und zerkleinerte Plastikstücke, die sich verteilen und natürlich auch durch das Wegwerfen von Plastik in der Natur, u. a. durch die zahlreichen Hundekotbeutel, nächtliche Müllhinterlassenschaften an Ruhebänken und vieles mehr. Im Boden wird Plastik zu Mikroplastik, der Zeitfaktor dafür ist gegeben. Die für die Bodenfruchtbarkeit und -stabilität wichtigen Bodentiere werden durch die Aufnahme von Mikroplastik genauso geschädigt wie Wassertiere im Meer.“ (Fortsetzung folgt).

Die weitere Frage, ob es eigentlich noch genug Menschen gibt, die Landwirtschaft betreiben wollen, um den fruchtbaren Boden zu erhalten, beantwortete Prof. Munch mit viel Optimismus: Er kenne sehr viele junge Bäuerinnen und Bauern, die ihre Arbeit mit Begeisterung machen. Was sie allerdings behindere, sei manche EU-Regelung, die sich oft nicht daran orientiert, dass Landwirte den Unwägbarkeiten der Natur ausgeliefert sind, so die sinngemäße Äußerung von Munch dazu. Außer der „Gängelung durch die EU“ sieht der Bodenprofessor als ein sehr großes Risiko, dass Investoren die Äcker aufkaufen – in Deutschland und in der Welt.

So drängte sich bald die Frage auf: Was wir alle tun können, um Boden zu schützen? Eine rege Diskussion folgte. Vor allem gab es viele Vorschläge, wie man die Bedeutung des Bodens stärker und besser vermitteln könnte. Der Hinweis von Prof. Nobel, dass die Flächennutzungspläne (FNP) der vergangenen Jahre in der Regel noch gar nicht umgesetzt seien, bestätigte im Übrigen auch die Forderung der SG Filder nach einem Stopp von neuen Flächennutzungsplänen. Nobel wies auch darauf hin, dass es in der Landesanstalt für Landwirtschaft, Ernährung und ländlichen Raum (LEL) in Schwäbisch Gmünd (www.lel.landwirtschaft-bw.de) die Möglichkeit gibt, die betreffenden Karten herunterzuladen, um die Bodenwerte anzuschauen, bevor sie fruchtbare Felder überplanen. Nobel betont, dass es die Kommunen und Gemeinderäte in der Hand haben, den Boden zu schützen.

Außerdem wies ein Besucher der Veranstaltung auf die „Teebeutelaktion“ des Bundesumweltamts hin. Dort werden Privatpersonen oder Schülerinnen und Schüler aufgefordert, Teebeutel im Boden zu vergraben, um zu „Klimaforschern“ zu werden. (Denn je leichter der vergrabene Teebeutel nach einiger Zeit im Boden wird, um so aktiver waren die Mikroorganismen am Werk.) So, die Überlegung, kann man die Bedeutung der Biodiversität des Bodens verdeutlichen.

Ein junger Architekt forderte außerdem ein anderes Bauen mit besserem Material und vor allen Dingen den Wandel weg vom Bau von Einfamilienhäusern. Er warb auch für die Vermittlung eines anderen Images für den Boden. Die Frage kam auf, warum es eigentlich „leichter“ war, für das Volksbegehren für die Bienen um Unterschriften zu werben und Wesentliches zu erreichen als mit dem Volksantrag „Ländle leben lassen!“, der kläglich scheiterte, trotz 55.000 Unterschriften. Und das, obwohl die beiden Koalitionsparteien Grüne und CDU am Anfang ihrer Regierungszeit in Baden-Württemberg sagten, sie wollten das Ziel, nur noch 2,5 ha pro Tag an Boden zu verbrauchen, im Landesplanungsgesetz verankern. (Siehe dazu auch den Abschnitt im Vortrag von W. Nobel „Warum der Volksantrag scheiterte“.)

Ein Teilnehmer brachte es am Ende der Diskussion auf den Punkt: Boden wird eher als Dreck gesehen, er sei „nicht so sexy“, womit das Image des Bodens gemeint war. Das sollte sich dringend ändern, war die einhellige Meinung.

Siehe auch die beiden Vorträge der Referenten in pdf-Format sowie die exemplarische Untersuchung der Filderkommunen Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt, Neuhausen, Ostfildern, Denkendorf durch Prof. Willfried Nobel auf der Website der Schutzgemeinschaft Filder.

Erscheinung
Amtsblatt der Gemeinde Wolfschlugen
NUSSBAUM+
Ausgabe 51/2024

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