Im Westen versinkt die Sonne hinter dem Pfälzer Wald. Es herrscht Windstille, Abendrot kündigt die nahende Dämmerung an. Die letzten Spaziergänger und Jogger verlassen das Waldgebiet am Hohen Nistler, um sich hinab nach Dossenheim zu begeben. Wie Phönix aus der Asche taucht er plötzlich lautlos auf, seinen Stammplatz auf einer Baumspitze einnehmend. Mit seinen orangeroten Augen fixiert er das Lichtermeer der Orte am Odenwaldrand und der am Neckar gelegenen Siedlungen. Noch ist es zu früh, auf Nahrungssuche zu fliegen. Es ist Januar – die Begrüßung seiner Partnerin und die Vorbereitung der Hochzeit haben Vorrang. Mit weithin hörbarem UU-hu begrüßen sie sich. In einer Felswand haben sie bereits eine geeignete Stelle für die Eiablage und die Aufzucht für maximal drei Küken gefunden. Hoffentlich gibt es dieses Jahr kein Chaos. Im Vorjahr tötete ein herabgehender Felsbrocken das Uhuweibchen samt Gelege. Trotz hoher Verluste durch Stromschlag, Kollision mit Autos und vergifteter Beutetiere haben sich die Bestände des Uhus, der größten europäischen Eule, erholt. Der König der Nacht ist, was den Brutplatz anbelangt, nicht wählerisch (siehe Speyerer Dom, Konkordienkirche Mannheim), selbst Bodenbruten gibt es. An Nahrung mangelt es nicht. Seinen rasiermesserscharfen Krallen entkommt keine Ratte, kein Igel und auch keine schlafende Krähe. Mittlerweile ist der Odenwaldrand von Leimen bis Darmstadt fest in „seinen Flügeln.“ Es ist so weit. Mit ruhigem Flügelschlag erhebt er sich zu seinem Beuteflug über Dossenheim. Eine Spannweite von etwa 1,50 m erlauben ihm lange Gleitstrecken, um die Pferdekoppeln von Neubotzheim und die gemähten Neckarwiesen nach Nahrung abzusuchen. Auf seine kleineren Verwandten, die zeitgleich unterwegs sind, nimmt er keine Rücksicht. Das Leben mancher Schleiereule und manches Steinkauzes endet in den Fängen des Königs. Im Gegensatz zu zweibeinigen Königen wird Bubo bubo jedoch niemals seine Nahrungsgrundlage zerstören.
Jürgen Schnepf
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