Literatur

Ulrich Warnke feiert Thomas Mann

Vor einem Jahr hatte Ulrich Warnke seinen großartigen Vortrag über Thomas Manns „Zauberberg“ mit dem Hinweis geschlossen, dies sei der letzte Auftritt...
Foto: DH

Vor einem Jahr hatte Ulrich Warnke seinen großartigen Vortrag über Thomas Manns „Zauberberg“ mit dem Hinweis geschlossen, dies sei der letzte Auftritt gewesen, den er in seinem fortgeschrittenen Alter der deutschen Literatur im Allgemeinen und Thomas Manns Werk im Besonderen gewidmet habe. Angesichts der Vitalität des Ditzinger Oberstudiendirektors i. R. konnte es nicht verwundern, dass ihn sofort zahlreiche Stimmen drängten, noch einmal in unvergleichlicher „Warnke-Manier“ über Thomas Manns Leben und Werk zu referieren. Nun denn: Noch ein „allerletztes Mal“ werde er – offensichtlich durch den immensen Zuspruch überwältigt – dies tun und habe dafür genau den 150. Geburtstag des Dichters gewählt. Und so durfte das Publikum im von Ulrich Warnke gerne als Schöckinger „Kulturtempel“ apostrophierten Alten Rathaus eine wahrhaft historische Stunde miterleben, eine unvergessliche Geburtstagsfeier, in der die tiefe Verbundenheit des Laudators mit dem Jubilar auf bewegende Weise spürbar wurde.

Dabei wählte Warnke den Kunstgriff, den großen Dichter persönlich anzusprechen, was das Gefühl der Anwesenheit Thomas Manns bei seinem Festabend noch verstärkte. Die Widmung des Literarischen Abends, Thomas Manns Worte an seine Frau Katia zu deren 70. Geburtstag, trug Ulrich Warnke zu Herzen gehend als eigene Liebeserklärung an seine Frau Dorothee vor. Ihm gelang es in seinem Programm vortrefflich, Meilensteine des dichterischen Werkes zu beleuchten, wobei er anmerkte: „Es ist ein völlig irrsinniges Unterfangen, in ca. 90 Minuten – auch nur andeutungsweise – einen Extrakt aus diesem inkommensurablen Riesenwerk zu liefern.“ Folgerichtig waren einige Auszüge aus „Buddenbrooks“, Zauberberg“ und Felix Krull“ zu streichen, und Ulrich Warnke empfahl dem Auditorium, diese Werke einfach selbst zu lesen.

Der Festredner bewies über zwei volle Stunden erstaunliche Kondition, zitierte Würdigungen von Kehlmann bis Reich-Ranicki und belegte Manns besonderes Verhältnis zum Meer. Warnke las „Schwere Stunde“, seine Lieblingserzählung, mit einer Inbrunst, die auch dem grandiosen Rezitator Gert Westphal zur Ehre gereicht hätte. Bezüge zur politischen Gegenwart wurden im 1937 veröffentlichten „Brief an den Dekan der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn anlässlich der Aberkennung der Ehrendoktorwürde“ deutlich. Das heitere Zigarren-Mysterium aus dem „Zauberberg“ leitete über zu Franz Schuberts „Notturno“ als musikalischem Ausklang. Danke, Ulrich Warnke!

DH

Erscheinung
Ditzinger Anzeiger – Amtsblatt
Ausgabe 24/2025
Dieser Inhalt wurde von Nussbaum Medien weder erfasst noch geprüft. Bei Beschwerden oder Anmerkungen wenden Sie sich bitte an den zuvor genannten Erfasser.
Orte
Ditzingen
Kategorien
Kultur
Literatur
Meine Heimat
Entdecken
Themen
Kiosk
Mein Konto