Der Präsident des Gemeindetags Baden-Württemberg Steffen Jäger sieht in den Ergebnissen einen unmissverständlichen Auftrag an Bund und Land: „Mit dem Amtsbeginn der neuen Bundesregierung und den bevorstehenden Haushaltsentscheidungen beginnt eine neue politische Phase – auf Bundes- wie auf Landesebene. Diese Phase der Neujustierung muss genutzt werden, um den Kommunen wieder das zurückzugeben, was sie am dringendsten brauchen: Handlungsfähigkeit. Bund und Land stehen in der Pflicht.“ Laut Umfrage fordern 81 Prozent der Kommunen als vordringlichste Maßnahme der neuen Bundesregierung die Stärkung der Kommunalfinanzen. Das bestätigt auch die aktuelle KfW-Analyse zum Rekorddefizit sowie zu den Zukunftssorgen der Kommunen.
Jäger erinnert: „Die Kommunen in Baden-Württemberg haben im Jahr 2024 ein Defizit von über drei Milliarden Euro erlitten. Die Aussichten für 2025 sind noch düsterer, das hat die aktuelle Mai-Steuerschätzung in ernüchternder Weise bestätigt. Allein für das laufende Jahr wurde den baden-württembergischen Kommunen eine weitere Reduktion der Einnahmen in Höhe von 383 Mio. Euro prognostiziert. Bis 2029 summieren sich die Mindereinnahmen sogar auf fast 1,5 Milliarden Euro. Zugleich galoppieren die Ausgaben weiter davon. Dies spiegelt sich auch in unserem Barometer wider. Wenn 82 Prozent der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister in unserem BW-Kommunalbarometer vom Mai 2025 eine kurzfristige Stabilisierung der Kommunalfinanzen fordern, dann ist klar: Jetzt muss grundlegend gehandelt werden. Die vergangene Woche vom Land zugesagte Liquiditätshilfe ist hier ein notwendiger und richtiger Zwischenschritt, den die Städte und Gemeinden anerkennen. Damit werden Zahlungen aber lediglich vorgezogen. Wir brauchen deshalb dringend auch eine strukturelle Stabilisierung der Kommunalhaushalte. Die Finanzlage ist mehr als ein Zahlenwerk – sie ist ein Maßstab für politische Wahrheit. Wenn Haushalte ins Defizit rutschen, wird der politische Anspruch auf Handlungsfähigkeit zur Illusion.“
Drei Viertel der Kommunen bewerten laut der Pressemitteilung ihre Haushaltslage bis 2027 als kritisch oder existenzbedrohend. Als Hauptbelastungen gelten Liquiditätsprobleme (47 Prozent) und steigende Abschreibungen (30 Prozent). Der Gemeindetagspräsident warnt eindringlich vor den drastischen Konsequenzen: „Investitionen werden gestoppt oder sind es bereits, Gebühren und Steuern werden erhöht, Einrichtungen geschlossen, freiwillige Leistungen gekürzt. Übersetzt heißt das: die Sanierung der Sporthalle, des Kindergartens oder der Schule müssen ausfallen, Investitionen in Klimaschutz oder Klimawandelanpassung werden gestrichen, die Nutzungsgebühren steigen, die Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer reichen nicht mehr aus, Frei- und Hallenbäder lassen sich nicht mehr halten, die Vereinsförderung kommt auf den Prüfstand, Öffnungszeiten in Kitas oder auch der Bibliothek müssen reduziert werden. Damit steht das Fundament kommunaler Daseinsvorsorge auf dem Spiel.“