Die rundum erneuerte Stadtwingertanlage am Gerbersruhpark wurde offiziell der Öffentlichkeit übergeben. Schon bevor Vertreter der Stadt Wiesloch die Anlage in der vergangenen Woche einweihten, wurde auf den Wegen flaniert, der Kräutergarten gehegt und die neuen Sonnenliegen rege genutzt. Kleinere Nacharbeiten stehen noch an. Die Zielsetzung, mehr Publikum in die Anlage zu locken, bereit sein für Hitzesommer und ein Abwandern geschützter Arten zu vermeiden, wurde schon vor der formalen Eröffnung erfüllt.
Eine besondere Herausforderung stellte die Sanierung der Wasserbecken dar. Hier lebt mit Teichfröschen und Molchen die streng geschützte Wechselkröte. Die Wasserleitungen mussten komplett saniert werden. Die Sandsteinbecken wurden abgestrahlt und von alten Betonresten befreit. Der Wasserlauf zum unteren Becken wurde mit umweltfreundlichen Materialien neu errichtet. Der Wasserlauf wird zur Ressourcenschonung nicht mehr laut plätschern, sondern weniger sichtbar unter Kieseln fließen. Ein bepflanzter Naturteich dient als biologische Kläranlage, bevor das Wasser wieder in die oberen Becken gepumpt wird. In nicht allzu trockenen Sommern soll eine Wasserfüllung für die ganze Saison reichen. Die Arbeiten fanden im Winter statt, und die Kröten kehrten im Frühjahr zurück. Allerdings nicht wie immer vermutet aus dem Gebersruhpark und Wald, sondern aus den Hanggärten der Häuser unterhalb des Stadtwingerts. Diese botanische Entdeckung freut Dr. Heike Lenz und Jana Krug, die sich bei der Stadt Wiesloch um Umweltschutz und Nachhaltigkeit kümmern, besonders.
Materialien wurden, wann immer möglich, recycelt. Das Lager des Bauhofs erwies sich als wahre Fundgrube. Pflastersteine, die früher vor dem Rathaus lagen, bilden große Teile der neuen Wege. Als die Lager geleert waren, wurde für die restlichen Flächen regionaler Sandstein zugekauft.
Frühere Betonversiegelungen wurden entsorgt. Zukünftig kann der Stadtwingert bei Starkregenereignissen deutlich besser Wassermassen von der Gerbersruhstraße aufnehmen. Eine Inklusionswerkstatt für Menschen mit Behinderungen baute die Holzliegen aus Recyclingholz.
Das „Bündnis für Demokratie und Toleranz Wiesloch e.V.“ hat mit Mitstreitern einen internationalen Kräutergarten angelegt. Hochbeete mit hitzeresistenten Kräutern aus aller Welt sind wie die Wasserzapfstelle barrierefrei zu erreichen. Ganz im Sinne des Vereins soll sich jeder, der in die Anlage kommt, unabhängig von seiner geografischen Herkunft, repräsentiert fühlen. Christa Schmidberger führte als Vertreterin des Bündnisses in den Kräutergarten ein. Im Urlaub in Portugal hatte sie zum ersten Mal einen ähnlichen Mitmachgarten gesehen und war vom Konzept begeistert. Lange schon störte sie sich am Zustand des Wingerts, bis mit der Aufarbeitung gleich noch der Bürgergarten realisiert wurde. Zur Pflege von vietnamesischem Wasserfenchel und Co. werden noch Helfer zum Gießen und Pflegen der Bepflanzung gesucht. Mitmachtage laden zum Schnuppern ein und Geldspenden für den Erhalt benötigt.
Information dazu auf der Seite des Bündnisses demokratie-wiesloch.de
Hitzeverträgliche Staudenbeete mit nektarreichen Blüten ziehen Insekten an. Um das untere Becken wurde die weise Betonwand bis auf ein Erinnerungsstück entfernt. Jetzt gedeihen im Schatten kaukasisches Vergissmeinnicht und andere Schattenpflanzen. In Erinnerung an den früheren Weinberg ranken Weinreben an der Pergola empor. Um bei Schädlingsbefall einen Totalausfall zu vermeiden, wurden unterschiedlichste Pflanzen und Bäume ausgewählt. Es wurden nur trockenheitsresistente Gehölze wie der Judasbaum oder Persischer Eisenbaum verwendet. Im Herbst wird ein Lebkuchenbaum seinen Duft verströmen. Die fallenden Blätter duften nach Zimt und Karamell. Landschaftsarchitektin Sandra Wien hat Bäume unterschiedlichster Höhen ausgewählt. Einige werden ausgewachsen bis zu zwanzig Meter Höhe erreichen.
Die Aufenthaltsqualität der Anlage war nach Jahrzehnten der Nutzung durch sanierungsbedürftige Wege und Becken stark eingeschränkt. Es gab kaum beschattete Sitzplätze. Die Grünflächen waren nicht an die zunehmenden Hitzesommer angepasst. Das Projekt initiierte die Gemeinderatsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen bereits im Jahr 2019. Zwei Jahre später gab der Bund innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Entwurfs die Fördergelder frei. Bis Ende 2024 waren alle Bauarbeiten abgeschlossen und vor der Eröffnung letzte Woche auch die Bepflanzung. Die Gesamtkosten beliefen sich auf rund eine Million Euro. Siebzig Prozent der Kosten übernahm der Bund im Rahmen der Förderung „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“.
Vor der Führung durch den neugestalteten Stadtwingert dankte Dirk Elkemann allen Beteiligten. Er sieht es als Qualitätsmerkmal, dass er von diesem Projekt nur in der Planungsphase und dann wieder zur Eröffnung gehört hat. In der Zwischenzeit haben die beteiligten Mitarbeiter der Stadt zusammen mit den externen Firmen einen reibungslosen Ablauf ermöglicht. Trotz beschränkter finanzieller Mittel ein solches Projekt für die Bürger Wieslochs durchführen zu können, freut ihn besonders. Das große Interesse der Allgemeinheit, nicht mehr nur vom Gerbersruhpark auf die Anlage zu schauen, sondern darin zu verweilen, zeigte sich direkt nach Entfernung der Bauzäune. (ch)