Unterschätzte Scharen (1)
Genauso wie die großen Warmblüter erfüllen auch kleine Waldtiere viele ökologische Schlüsselfunktionen. Die Wechselbeziehungen sind oft überraschend komplex und verblüffen oft auch die Wissenschaft.
Nachts hört man sie am besten. Wer selbst ganz leise ist, sich auf einen liegenden Baumstamm setzt und aufmerksam in den dunklen Wald hineinlauscht, wird wahrscheinlich schon bald dieses unverkennbare Rascheln vernehmen. Mäuse im Laubstreu. Die Nager sind in Mitteleuropa praktisch allgegenwärtig und spielen deshalb wichtige ökologische Rollen. Zu den häufigsten Nagern gehören die sogenannten Waldmäuse der Gattung Apodemus, die in Wäldern, aber vor allem durch die Gelbhalsmaus (Apodemus flavicolis) vertreten sind. Bei Eulen, Füchsen und Mardern stehen die kleinen Vierbeiner ganz weit oben auf dem Speisezettel, doch auch sie selber üben durch ihre Ernährungsgewohnheiten einen gehörigen Einfluss aus. Gelbhalsmäuse sind Samenspezialisten; sie fressen am liebsten Bucheckern, Haselnüsse und Eicheln – energiereiches Kraftfutter eben.
Das Verhältnis zwischen Bäumen und Mäusen ist ein ziemlich kompliziertes. Mal nutzen sich beide gegenseitig, mal gibt es ausgeprägte Konflikte. Es hängt von der Populationsdichte ab. Denn die bei Gelbhalsmäusen so beliebten Eicheln & Co. dienen ja eigentlich der Vermehrung. Ohne diese Samen sprießen keine neuen Bäumchen. Wenn es viele Nager gibt, nimmt der Pflanzennachwuchs ab. Was also gut für die Mäuse ist, günstige Wetterverhältnisse zum Beispiel, oder eine geringe Anzahl an Raubtieren, schadet indirekt den Bäumen – und umgekehrt. Das gilt aber nur bis zu einem gewissen Schwellenwert. Für eine optimale Samenverbreitung brauchen die Waldriesen nämlich tierische Unterstützung. Vögel und Vierbeiner verschleppen und verbuddeln die Leckerbissen, um sie irgendwann zu fressen. Gar nicht wenige dieser versteckten Happen werden allerdings nie abgeholt. Aus denen können dann doch Bäume wachsen.
(Fortsetzung folgt)