Oft schreibt das Leben die besten Geschichten. Das gilt wohl auch für die Geschichte, die wir heute erzählen wollen. Sie beginnt damit, dass den Geschichtsverein eine E-Mail erreichte mit dem Betreff „eine Frage zu die Waescherei Rube“. Die Nachricht kam dem Anschein nach aus Japan und war unterzeichnet mit „Prof. Dr. Nodoka Nagayama“. Es hat zunächst nicht viel gefehlt, und der Empfänger beim Geschichtsverein hätte die Nachricht kurzerhand im Spamverzeichnis versenkt. Zu unwahrscheinlich erschien ihm zunächst die Vorstellung, dass jemand aus Japan sich für die Urbacher Wäscherei Rube interessieren könnte. Aber beim Durchlesen des Inhalts keimten dann doch gewisse Zweifel, ob es sich dabei vielleicht wirklich um eine ernsthafte Anfrage an den Geschichtsverein handeln könnte.
Die Absenderin stellte sich als japanische Geschichtsforscherin vor und schrieb: „Ich finde es sehr interessant, dass die Leute in Deutschland das Waschen „outsourced“ haben, besonders, da es so was in Japan nicht gab. Ich möchte daher einen wissenschaftlichen Aufsatz über die Geschichte der Waescherei Rube schreiben.“
Eine Recherche im Internet ergab sehr schnell, dass die Absenderin Nodoka Nagayama tatsächlich eine sehr angesehene japanische Wissenschaftlerin ist. Sie ist seit 2018 Professorin an der Aoyama Gakuin Universität, wo sie am Institut für Wirtschaftswissenschaften lehrt und forscht. Sie hat eine umfangreiche akademische Karriere hinter sich, einschließlich einer Position als stellvertretende Professorin und Lehraufträge an der Keio University, an der University of Tokyo und an der Waseda University.
Der Schwerpunkt ihrer Forschung liegt seit vielen Jahren auf der Geschichte und sozialwirtschaftlichen Entwicklung deutscher Stadt- und Wohnungskultur im 20. Jahrhundert. Insbesondere untersuchte sie Wohnungen in Westdeutschland mit einem Schwerpunkt auf den sozialen Wohnungsbau. In diesem Zusammenhang wurde sie auch auf die Geschichte der Wäschereien in Deutschland aufmerksam. Denn Einrichtungen, wo man als Bürger seine Wäsche hinbringen konnte, um sie dort zu waschen oder waschen zu lassen, gab es in Japan tatsächlich nicht. Und so wurde sie durch einen Artikel in einer Fachzeitschrift von 1991 auf die Wäscherei Rube in Urbach aufmerksam.
Den meisten Urbächerinnen und Urbächern ist die Wäscherei Rube – die offizielle Firmenbezeichnung lautete „Textilpflege Rube GmbH“ – natürlich ein Begriff. 1940 von Paul Rube und seiner Frau Johanna gegründet, war dieses Unternehmen bis zu seiner Schließung vor drei Jahren ein fester Bestandteil des Handwerks in Urbach. Es entwickelte sich von einer kleinen Wäscherei, die vorwiegend Privatkunden bediente im Laufe der Jahrzehnte über mehrere Schritte der Erweiterung und Modernisierung vor allem unter Werner Rube und seiner Frau Gisela zu einem Betrieb, der zahlreiche Alten- und Pflegeheime und auch Gastronomiebetriebe im regionalen Umkreis zu seinen Stammkunden zählte.
Als Werner Rube, der ehemalige Eigentümer und Chef der Wäscherei von Joachim Wilke telefonisch über die Anfrage aus Japan informiert wurde, reagierte er zunächst ebenfalls sehr zurückhaltend. Die Zweifel, ob es denn sein könne, dass sich eine Professorin aus Japan für die Geschichte seines Unternehmens interessiert, waren ihm deutlich anzuhören. Dennoch erklärte er sich auf Bitten von Joachim Wilke bereit, die Fragen der Historikerin aus Japan zu beantworten. Und so kam es, dass Prof. Dr. Nodoka Nagayama am 7. August in Urbach bei Werner Rube und seiner Frau Gisela zu Gast war, und auf der Terrasse bei Kaffee und Kuchen ausführlich über die Geschichte der Wäscherei Rube von ihrer Gründung bis zur Schließung des Betriebs informiert wurde. Und Werner Rube ließ es sich auch nicht nehmen, die Professorin aus dem fernen Japan durch die Räume seiner ehemaligen Wäscherei in der Brunnenstraße zu führen, um ihr genau zu erklären, wie sich der Betrieb in seiner über 80-jährigen Geschichte Schritt für Schritt vergrößerte und sich immer wieder den steigenden Anforderungen der technischen Entwicklung anpasste. Frau Nagayama versprach bei ihrer Abreise, dass sie die Veröffentlichung, die auf Grundlage ihres Besuchs entsteht, selbstverständlich auch an Familie Rube und den Geschichtsverein senden wird. Mit Sicherheit das erste Kapitel der Urbacher Wirtschaftsgeschichte, das in japanischer Sprache verfasst ist.