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Urbacher Miniaturen 112: 140 Jahre Evangelischer Posaunenchor Urbach - ein ewig junges Ensemble

Am 21. Mai 1885 starb durch einen tödlichen Unfall der 19-jährige Johannes Rube. Am Pfingstfeiertag begrub man ihn dann auf dem Friedhof in Urbach. Dabei...
Die Turmbläser des Urbacher Posaunenchors
Die Turmbläser des Urbacher PosaunenchorsFoto: Ev. Posaunenchor Urbach

Am 21. Mai 1885 starb durch einen tödlichen Unfall der 19-jährige Johannes Rube. Am Pfingstfeiertag begrub man ihn dann auf dem Friedhof in Urbach. Dabei spielte der Bläserchor von Schorndorf. Aus dieser Beerdigung nahm der damalige Schullehrer Josef Renz den Gedanken mit nach Hause, auch in Oberurbach einen eigenen Bläserchor zu gründen.

In einem Pfarrbericht aus dem Jahr 1887 ist zu lesen „Im Winter 1886/1887 hat Schullehrer Renz eine Anzahl jüngerer verheirateter Ehemänner von aufrechtem Sinn im Blasen von Blechinstrumenten unterrichtet. Dieselben blasen mit allerhand großem Eifer und begleiten teils den Gemeindegesang, teils blasen sie an Festtagen vom Turm, auch beim Geburtstag von Kirchengemeinderäten und bei Leichen.“ Daran hat sich mit Ausnahme des Geburtstagsblasens nach 140 Jahren immer noch nichts geändert. Die „Männer von aufrechtem Sinn“ waren: Gottlob Munz, Johannes Zehnder, Wilhelm Daiß, Johann Nagel, Gottlob Krauß, Friedrich Reik und Wilhelm Österle. Josef Renz leitete den Chor bis zu seinem Tod im Jahr 1909. Wilhelm Daiß wurde sein Nachfolger.

Der die alten Zeiten mit großem Krachen zerstörende Erste Weltkrieg brachte vorübergehend auch die Urbacher Bläser zum Schweigen. Als 1919 Wilhelm Daiß als Dirigent ausschied, wurde Gottlob Mehl, der schon als Förderer am Chor beteiligt war, der neue Dirigent. Ganz neu war, dass Gottlob Mehl erstmals Märsche einstudierte und – im Kinderschüle – herumzumarschieren. Bald wurden vom aufgelösten Musikverein in Streich Noten und Instrumente dazu auch eine Trommel angeschafft. Man beschloss dann, in jeder zweiten Probe auch Marschmusik zu üben. Angesichts dieser mächtigen Entfaltung des Chores wurde das Kinderschüle zu eng, und es bekam die Haubersbronner Straße den Marschtritt der neuen Zeit kräftig zu spüren.

1932 -1936 war Hauptlehrer Alber der Dirigent, ab 1936 dann Albert Wieler, der jedoch selbst ebenso wie neun seiner Kollegen aus dem Posaunenchor nicht mehr aus dem Krieg zurückkehrte. Ab 1943 übernahm Gottlob Bantel die allgemeine Leitung des Chores und Zahnarzt Dr. Friedrich Luz trat die Dirigentenstelle an. Dies war eine glückliche Lösung. Denn dadurch ging nach Kriegsende der Wiederaufbau und Ausbau des Chores rasch voran. 1947 war der Chor bereits auf 25 Bläser angewachsen. Vom 2. Landesposaunentag 1948 an blieb es auch dem Posaunenchor Oberurbach nicht mehr länger erspart, dass er- als letzter Chor Württembergs! - auf die einheitliche Schreib- und Griffweise der Posaunenchöre umlernen musste. Daran sieht man mal wieder: Die Urbächer können auch ganz schön eigensinnig sein und machen nur dann mit, wenn man sie sonst nicht mitspielen lässt.

Seit dem Jahr 1960 stehen etwa 30 Männer und Frauen im Dienst des Chores. Sie halten fest und führen weiter, was ihre Väter einst begonnen haben. Sie blasen noch immer sonntags vom Turm, blasen in Gemeindegottesdiensten, bei Beerdigungen, zu hohen Geburtstagen, an Weihnachten und in den Häusern den Alten und Kranken. Kurt Rube war von 1975 bis 2013 Vorstand des Chores und war über nahezu vier Jahrzehnte die prägende Person im Chor. Seit 2013 bis heute ist Klaus Henger der Vorstand des Vereins. Seit 1971 bläst Jan Heinrich im Chor und ist seit 1984 bis heute der Dirigent des Posaunenchors. Posaunenchöre sind traditionell geprägt, und Neuerungen brauchen eine lange Zeit zur Reifung. Das zeigte sich auch daran, dass erst seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts, also im Alter von etwa 85 Jahren bezogen auf den Urbacher Chor, auch Frauen in Posaunenchören zugelassen sind. Die Urbacher haben darauf reagiert, indem sie Miriam Adelhelm zusammen mit Paul Schönemann für die Leitung der Jungbläser eingesetzt haben.

Heute musizieren etwa 30 Bläserinnen und Bläser im Alter von 7 bis über 80 Jahren auf ihren Posaunen und Trompeten, Hörnern und Tuben gemeinsam zum Lobe Gottes. Das umfangreiche Repertoire umfasst Choräle und neue geistliche Lieder, Werke alter und neuer Meister, sowie Spirituals und Volkslieder. Mit Volksliedern erfreuen sie z.B. auch die Gäste bei Veranstaltungen des Geschichtsvereins und anderen Gruppen. Die Kameradschaft wird gepflegt durch gemeinsame Ausflüge, Wanderungen und der Fahrt zum Landesposaunentag nach Ulm.

Dass Musizieren jung erhält, wollen wir mit dem Bild vom 75-jährigen Jubiläum im Jahr 1960 zeigen. Von den abgebildeten 32 Bläsern spielt heute, 65 Jahre später, immer noch Willi Hurlebaus im Chor. Weitere fünf Männer aus dieser Formation sind heute noch unter uns. Auf dem Bild zu sehen sind vorne v.l.n.r. Hermann Frank, Albert Nuding, Karl Bantel, Albert Reik, Dr. Friedrich Luz, Gottlob Bantel, Hans Weller, Paul Rube, Willi Hurlebaus, in der Mitte v.l.n.r. Paul Haag, Christian Zehnder, Hermann Wieler, Helmut Walter, Karl Haag, Friedrich Wenger, Friedrich Mehl, Adolf Rube, Heinz Österle, Gerhard Fauth, Theodor Frank und hinten v.l.n.r. Hermann Bantel, Rudi Daiss, Gotthilf Heinrich, Karl Marx, Hans Rube, Werner Herb, Eugen Reik, Kurt Rube, Werner Heinrich, Werner Reik, Willi Philipp, Richard Hurlebaus.

Zum Abschluss noch eine kleine Anekdote aus dem Bläseralltag: Bei einem Begräbnis stehen 4 Bläser bereit zu spielen. Aufgrund eines Verständigungsproblems schlagen zwei die Nr. 143 und die anderen zwei die Nr. 134 im Notenbuch auf. Nach den ersten Takten merken alle, dass da etwas gewaltig schiefläuft. Aufhören war angesichts der Situation keine Option. Es hieß durchhalten. Und das Wunder geschah: Alle wurden fast gleichzeitig fertig. Noch ein misstönender Schlussakkord, der die bleichen Gesichter der Leidtragenden noch bleicher werden ließ - dann Ruhe und ungläubige Starre.

Wir wünschen dem Jubilar, als dem ältesten Musikensemble in Urbach, weiterhin viele Jahre gute Musik und Kameradschaft, entsprechend dem Motto seines Internetauftritts: „Im Wesen der Musik liegt es, Freude zu bereiten.“

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Ausgabe 48/2025
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