
Den meisten Urbachern dürfte es entgangen sein: Unsere Auerbachhalle hat in diesem Jahr ihr 70-jähriges Jubiläum. Bis heute ist sie eine sehr lebendige alte Dame geblieben, die nach wie vor Ort für zahlreiche sehr unterschiedliche Veranstaltungen ist.
Gebaut wurde die Halle von der Gemeinde Unterurbach in den Jahren 1954/55. Die Einweihung war am 21. und 22. Mai 1955. Es war das Jahr, in dem die Firma Hornschuch ihr 50-jähriges Bestehen feierte. Dies sei deshalb erwähnt, weil das „Wirtschaftswunder“ auch in Unterurbach stattfand. Denn die Firma Hornschuch stand zu jener Zeit in voller Blüte und in der Gemeinde Unterurbach sprudelten die Gewerbesteuereinnahmen. Man konnte sich den Bau einer Halle leisten! Die Urbacher Halle wurde als „Mehrzweckhalle“ geplant, sodass neben dem Sport dort auch die Kultur mit Konzerten und Theaterveranstaltungen einen geeigneten Spielort haben sollte. Das von Willy Hornschuch gestiftete Sgraffito-Bild über dem Eingang zeigt dies deutlich. Dargestellt sind ein Sportler, ein Musiker, eine Tänzerin und ein Schauspieler.
Die Ausstattung der Halle war außergewöhnlich: Es gab eine große Küche, die für die Versorgung der Gäste bei insgesamt ca. 350 Tischplätzen ausreichte. Auf der Empore gab es einen separaten Raum, zum Abspielen von Filmen vorgesehen. Dieser ist allerdings nur selten benutzt worden, da ebenfalls 1955 bereits ein Kino in der Schurwaldstraße gebaut wurde. Es gab einen Souffleurkasten für Theatervorführungen und einen Orchestergraben z. B. für Operettenaufführungen der Landesbühne Esslingen. Beides wurde jedoch auch kaum benutzt, da die Landesbühne lieber in die zeitgleich gebaute größere Staufenhalle in Plüderhausen ging. Diese speziellen Einrichtungen wurden bei der Sanierung in den 80er Jahren stillgelegt. Aus der „Gemeindehalle“ wurde die „Auerbachhalle“. Nach dem Neubau der Wittumsporthalle wurde die Auerbachhalle dann zur reinen Veranstaltungshalle umgerüstet.
Wir wollen unseren heutigen Rückblick auf die Geschichte der Halle auch einer Sportart widmen, die in Urbach seit Langem Geschichte ist: dem Boxsport. Drei Jahre nach Eröffnung der Halle gründete sich im Jahr 1958 der „Boxclub Urbach“. Als Randsportart konnte der Boxclub natürlich nicht alleine von Mitgliedern aus Unterurbach leben, sondern war auch auf Zulauf aus der Umgebung angewiesen. So waren bei den ersten Trainingsabenden, für die dem Verein von der Gemeinde der Montagabend in der Gemeindehalle zugewiesen worden war, acht Boxer aus Unterurbach, sieben aus Oberurbach und drei aus Plüderhausen im Boxring. Ob mit diesen Aktiven alle im Amateursport vorgesehenen zehn Gewichtsklassen von unter 49 kg bis über 91 kg abgedeckt werden konnten, ist kaum anzunehmen. Da es in Württemberg keine Boxliga gab, konnten die Boxer ihre Kräfte und Geschicklichkeit nur in Freundschaftskämpfen messen. Die im Remstal weiter verbreitete Kraftsportart Ringen, die außer in Schorndorf auch in Korb, Winterbach und Schlichten betrieben wurde, hatte hier schon deutlich mehr Entwicklungspotential. Prominentester Aktiver im Urbacher Boxclub war der Friseurmeister, Ortsvereinsvorsitzende der SPD, Kreisrat, Gemeinderat und stellv. Bürgermeister Oswald Pfeiffer aus Oberurbach. Es wurde auch Werbung betrieben, in der z. B. ein Kampf in Oberurbach angekündigt wurde, bei dem Walter Schabel (Heugäbele) aus Unter- und Fritz Roh aus Oberurbach gegeneinander antraten.
Der Boxclub war ein regulärer Verein mit Vorsitzenden, Kassier, Sportwart und Ausschuss. Insgesamt sind neun Personen namentlich erwähnt. Vorstand war Emil Schick aus der Konrad-Hornschuch-Straße. Spätestens ab 1960 müssen auch Kämpfe in der Halle ausgetragen worden sein, denn hier gibt es einen Gemeinderatsbeschluss, dass der Boxring des Vereins im Orchestergraben gelagert werden durfte. Schon im Jahr 1959 gab es auch die ersten vom Boxclub organisierten Tanzveranstaltungen in der Halle. Es wurden Bands verpflichtet und die Veranstaltungen waren schnell bekannt und gut besucht. Sie dienten dem Club als zusätzliche Einnahmequelle. Der letzte bekannte vom Boxclub veranstaltete Boxkampf fand am 1. Dezember 1962 statt. Ab 1963 ging es dann mit dem Boxclub bergab. Es fehlten fünf Männer durch Krankheit, Einzug zur Bundeswehr und Wegzug. Auch der 1. Vorstand Emil Schick war nach Oberbrüden gezogen. Es wurden zwar noch 21 aktive und 33 passive Mitglieder gemeldet, aber es fanden keine Kämpfe mehr statt. Der Club wollte dennoch auf die Einnahmen durch Tanzveranstaltungen nicht verzichten und meldete bei der Hallenbelegung 1963 insgesamt 11 Veranstaltungen an. Man bediente sich dann eines Veranstalters aus Stuttgart, der die Bands organisierte. Es wurde schnell klar, dass diese Entwicklung nicht gut gehen konnte.
Weder der Club-Vorstand noch der Veranstalter aus Stuttgart waren vor Ort, als bei den Veranstaltungen zu später Nachtstunde vor der Halle lange und laut diskutiert und auch mal ein Streit ausgefochten wurde. Für die belästigten Nachbarn war kein Ansprechpartner vorhanden. Es waren inzwischen auch nur noch die wenigsten der Gäste aus Unterurbach. Der Gemeinderat beschloss deshalb am 24. Mai 1963 die restlichen Tanzveranstaltungen zu untersagen. Auch der Lagerraum für den Boxring im Orchestergraben wurde gekündigt und die Trainingszeit am Montagabend dem Frauenturnen gegeben – Motto: „Frauenturnen schlägt Boxen“. Das Vereinsmitglied Otto Jahnke hat zwar auf Sonntag, 9. Juni 1963, um 10 Uhr im Gasthaus Sonne zu einer Jahreshauptversammlung eingeladen und hierzu auch den Bürgermeister Sandbiller als Gast gebeten. Dieser lehnte allerdings ab, da nur der Vorstand zu einer Versammlung eines Vereins einladen kann. Das Kind war zu diesem Zeitpunkt jedoch schon in den Brunnen gefallen und wir wissen nicht, mit welchem Ergebnis die Sitzung ausging. Vom Urbacher Boxclub war danach nichts mehr zu hören, und die Zeiten der Auerbachhalle als „Boxarena“ waren endgültig vorbei.


