Die Überschrift mag merkwürdig klingen, aber bezogen auf die Bezeichnung „Jahrhunderthochwasser“ ist sie berechtigt. Angesichts der Unwetter in Süddeutschland vom 31. Mai bis zum 3. Juni und der verheerenden Überschwemmungen im Rems-Murr-Kreis, die auch in Urbach wieder zu einer Hochwasserkatastrophe führten, dürfte inzwischen auch dem letzten Zweifler klar geworden sein, dass, wenn es um Wetterphänomene geht, „Extrem“ inzwischen „das neue Normal“ ist. Was früher statistisch betrachtet tatsächlich nur einmal pro 100 Jahre passierte, sind heute – ausgelöst durch den menschengemachten Klimawandel – Ereignisse, die uns in immer kürzeren Abständen und in immer extremerer Form vor immer neuen Herausforderungen stellen. Der Begriff „Jahrhunderthochwasser“ ist inzwischen schlicht aus der Zeit gefallen.
Auch in Urbach ist es gerade mal 46 Jahre her, dass ein in den Ausmaßen vergleichbares Ereignis den Ort verwüstete. Die nachfolgende Schilderung des damaligen Hochwassers erzeugt ein Déjà-vu-Erlebnis:
Als sich am Nachmittag des 22. Mai 1978 der Himmel über Urbach verdunkelte, ahnte kaum jemand etwas von der Katastrophe, die unmittelbar bevorstand. Denn aufgrund einer sehr selten vorkommenden Wetterlage brach wenige Minuten später „das größte Unwetter seit Menschengedenken“ (StZ) mit Niederschlagsmengen von bis zu 160 l/m² über große Teile Baden-Württembergs herein. Und auch Urbach war von diesem Extremniederschlag betroffen. In kürzester Zeit traten alle durch den Ort fließenden Bäche über die Ufer. Insbesondere das Hochwasser des Urbachs verursachte über seinen gesamten Verlauf durch den Ort immense Schäden. Die Freiwillige Feuerwehr Urbach war unterstützt durch die Feuerwehren Althütte und Plüderhausen über 24 Stunden im Dauereinsatz, ebenso wie die Ortsgruppe Urbach des DRK.
Zur Veranschaulichung der Ereignisse hier einige Zitate aus dem Lagebericht des Bürgermeisters Beutel vom 23. Mai 1978: „Der Urbach sei stellenweise etwa einen Meter über den Brücken gewesen. Das Brückengeländer in der Uferstraße sei ganz unter Wasser gestanden. (…) In tieferen Lage seien alle Keller überflutet gewesen. (…) Im Gasthaus Löwen sei die Inneneinrichtung im Erdgeschoss, sowie sämtliche Räume im Untergeschoss total überflutet gewesen. Hier sei enormer Schaden entstanden. Ebenso bei der Firma Nanz, wo das Wasser im Verkaufsraum etwa 50 cm hoch gestanden sei (…) und auch das gesamte Kellergeschoss sei überschwemmt gewesen. (…) In Geschäften und bei den Industriebetrieben seien Waren in enormer Höhe vernichtet worden (…)."
Die Schäden an Straßen, Feldwegen, Freibad, Friedhof, Sportplatz wurden später auf einen Betrag von 230.000 DM beziffert. Für Privatpersonen wurde vom Land ein Beihilfeprogramm aufgelegt, über das man für nicht versicherte Sachschäden auf Antrag 40 % des Gesamtbetrags erstattet bekommen konnte. In Urbach wurden Beihilfen an 72 Antragstellern ausbezahlt.
Eine fachtechnische Beratung durch das Wasserwirtschaftsamt am 31.05.1978 ergab folgendes Ergebnis: „Eine völlige Lösung des Hochwasserproblems am Urbach ist nur durch die Schaffung einer Hochwasserrückhaltung oberhalb der Ortslage Oberurbach zu erreichen.“
Die Situation wurde nach dem damaligen Hochwasser zwar entschärft durch den Abbruch einer Brücke und den Neubau von vier neuen Brücken und drei Stegen, die den Hochwasserabfluss besser schaffen sollten, durch Beseitigung der Urbach-Verdolung zur Rems und Dammerhöhung des Urbachs und durch Rückstauflächen in der Urbacher Mitte.
Dass alle diese Maßnahmen eine neue Katastrophe nicht verhindern konnten, ist inzwischen offenkundig. Die Diskussion über die Schaffung einer Hochwasserrückhaltung am nördlichen Ortsrand dürfte vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse wieder Fahrt aufnehmen.