Anlässlich des Internationalen Frauentages, der am vergangenen Samstag, dem 8. März stattfand, wollen wir in der heutigen Miniatur an eine Urbacher Frau erinnern, die nur sehr wenige Urbacher und Urbacherinnen kennen werden: Es geht um Veronika Bletzger. Als Balthasar Eislinger, der Besitzer des Urbacher Schlosses, im Jahr 1572 verstarb, hinterließ er das Schloss seinen beiden Töchtern Margarete und Veronika. Über Margarete ist uns nichts bekannt. Über Veronika dagegen wissen wir mehr. Sie war mit dem Gmünder Bürger Johann Adam Bletzger verheiratet, der um 1550 vermutlich in Speyer geboren wurde und ab Mai 1566 in Tübingen studierte. Sein Vater war der Gmünder Bürgermeister Wolfgang Bletzger, der mit Maria Meulen verheiratet war, deren Vater ebenfalls schon Bürgermeister in Gmünd war. Aus der Ehe von Veronika und Johann Adam Bletzger gingen vier Kinder hervor: Ein Sohn und drei Mädchen, von denen die jüngste allerdings schon sehr früh verstarb. Veronika Bletzger starb am 28. Januar 1581. Das wissen wir so genau, weil in der Afrakirche, an der Südwand über der Empore, ein prunkvolles Epitaph (eine Gedenktafel, die an einen Verstorbenen erinnert) hängt, der dem Gedenken an sie gewidmet ist. Dieses Epitaph gehört zu den besonderen Sehenswürdigkeiten in der Afrakirche. Er ist aus Holz und muss kurz nach 1581 angefertigt worden sein, also etwa 70 Jahre nach der Erbauung der Kirche. Sein Aufbau ist einer Tempelfront (Ädikula) nachempfunden. Im Dreiecksgiebel ganz oben ist die Taube des Hl. Geistes zu sehen. Rechts und links darunter sind kindliche Engel aufgemalt, der linke schreibend, der rechte eine Posaune blasend. Zwischen den Engeln in dem rechteckigen Feld befindet sich eine Schrifttafel, deren gereimte Inschrift sich in dem gerahmten Feld direkt unterhalb fortsetzt. Dort erfahren wir, dass Veronika Bletzger am Morgen den 28. Januars 1581 zwischen 7 und 8 Uhr verstorben ist, wer ihr Gemahl war, dass sie „an schönen Tugenden fest wie Stahl“ und sehr fromm gewesen sei. „Gottes güet und Trew Hertzl(ich) sie preist, / Mit Christi Leib ward sie gespeist.“ Im Zentrum des Epithaphs, sozusagen im Hauptgeschoss, ist die Auferstehung von Jesus Christus dargestellt. In einer freien Interpretation des Bibeltexts: Christus steigt von Wolken umgeben, mit einer Heilsfahne in seiner linken Hand über dem geschlossenen Sarkophag in den Himmel auf, unter ihm die zurückweichenden, erschrockenen Grabwächter. Im Hintergrund ist Jerusalem zu erkennen. Die Soldaten sind, wie zur damaligen Zeit üblich, in Rüstungen des 16. Jahrhunderts dargestellt. Rechts und links dieses Tafelbilds ist die Verkündigung an Maria dargestellt. Links Maria in kostbarer Tracht vor einem Lesepult kniend, vor sich die aufgeschlagene Bibel und eine Vase mit Blumenstrauß. Blumen waren schon immer ein zentraler Bestandteil der Mariensymbolik. Unmittelbar vor ihrem Kopf ist die Taube des Hl. Geistes zu sehen. Rechts in Schrittstellung ist der Engel der Verkündigung dargestellt. Die rechte Hand segnend erhoben, in der Linken einen ornamental verzierten Stab, um den sich ein Schriftband ringelt mit der Aufschrift „DEO“, „MAR“ und „AVE“. Dies ist eine stark verkürzte lateinische Version der Anrede des Engels an Maria (Lk 1,28), wie er im Ave Maria bis heute verwendet wird: Gegrüßet seist du, Maria, voll der Gnade, der Herr ist mit dir. In der Sockelzone des Epitaphs ist auf einem weiteren Tafelbild die Familie der Verstorbenen dargestellt. In der Mitte sieht man ein Kreuz, flankiert von den zwei Wappen der Familien Eislinger und Bletzger und kniend die Familie der Verstorbenen, unter den Personen jeweils die Namen. Von links der Sohn „Balthassar“, der Ehemann „Hannss Adam Bletzger“, die früh verstorbene Tochter „Veröna“, die beiden anderen Töchter „Katharina“ und „Anna Maria“ sowie ganz rechts die Verstorbene selbst. Aus der darunter stehenden Inschrift geht hervor, dass Veronika zu ihren Lebzeiten eine allen Menschen, ob arm oder reich, zugewandte Frau gewesen sei. Sie wird vor allem dafür gepriesen, dass sie den Armen viel Gutes erwiesen und vor allem die Hausarmen des Dorfes mit Gaben bedacht habe. Als Hausarme wurden zu jener Zeit die Armen bezeichnet, die berechtigt waren, in den Häusern der Gemeinde zu betteln. Veronika Bletzger muss eine beeindruckende und einflussreiche Frau gewesen sein. Kaum anders ist zu erklären, dass ihr ein so aufwendig gestaltetes Epitaph gewidmet wurde. Für ihren Mann gibt es nichts Vergleichbares. Es ist jedoch davon auszugehen, dass er derjenige war, der das Epitaph für seine Frau anfertigen ließ. Aus Respekt und aus Liebe.