Am Freitag, dem 4. April, feiert die Mediathek Urbach ab 15:00 Uhr mit einem bunten Programm für die ganze Familie ihren 20. Geburtstag. Denn am 19. März 2005 öffnete die Mediathek im ehemaligen Oberurbacher Rathaus erstmals ihre Pforten.
Heute darf man zu Recht behaupten, dass die Mediathek in jeder Beziehung eine Erfolgsgeschichte ist. Seit nunmehr 20 Jahren ist sie ein Magnet für alle Altersgruppen, von Vorschulkindern bis zu den Senioren. Sie ist ein geradezu idealtypisches Beispiel für einen funktionierenden „dritten Ort“. Einen Ort der Gemeinschaft, der einen Ausgleich zwischen Familie und Beruf, zwischen Zuhause und Arbeitsplatz bieten soll, wie der Soziologe Ray Oldenburg den von ihm geprägten Begriff verstand. Die Mediathek ist eben viel mehr als ein Aufbewahrungsort für Bücher und digitale Medien, die man dort entleihen und wieder zurückgeben kann. Sie ist ein Treffpunkt für alle, ein Forum für Vorträge, Lesungen, Spiele und Lernveranstaltungen und ein Knotenpunkt der analogen und digitalen Kommunikation. Und seit März 2022, als das Museum für Ortsgeschichte im Dachgeschoss eingezogen ist, ist die Mediathek auch der Ort, an dem die Geschichte Urbachs ins Bewusstsein rückt und damit ihren Platz in der gemeinsamen Erinnerung der Gemeinde findet.
Doch das Gebäude, in dem sich die Mediathek befindet, ist auch selbst ein herausragendes Stück Urbacher Geschichte, an die hier kurz erinnert werden soll. Die Darstellung der Gebäudegeschichte folgt weitgehend Walter Wannenwetschs Forschungsergebnissen.
1659 wurde unter dem „reisigen Schultheißen“ Johann Baltasar Voltz (1651 – 1690) das bis dahin an derselben Stelle stehende ältere Rathaus durch ein neues Gebäude ersetzt. Es war die Zeit des Wiederaufbaus nach dem Dreißigjährigen Krieg. Bemerkenswert an dem Bau ist zunächst das Fehlen einer Wohnung. Es war ein reiner Zweckbau, der ausschließlich der Verwaltung gewidmet war. Und auch auf ein Glockentürmchen wurde verzichtet, stand das Gebäude doch im Schatten des Kirchturms der Afrakirche. So beteiligte sich die weltliche Gemeinde am Aufwand der Kirchengemeinde für die Unterhaltung des Kirchturms und bekam im Gegenzug die Uhrzeit geliefert.
Im Rathaus gab es eine große und eine kleine Ratsstube, die große für den Schultheißen und die gesamten Richter. Es gab einen Ohrn (Hausflur) über den die Räume zugänglich waren, zu denen auch eine Küche und eine Speisekammer gehörten. Deren Vorhandensein erklärt sich durch die frühere Gepflogenheit der Verköstigung für Dienstleistende als einen Teil ihrer Entlohnung. Das Haus wurde durch zwei Zugänge erschlossen. Eine Tür befand sich giebelseitig, die andere, der Hauptzugang, an der nördlichen Traufseite. Die große Ratsstube erstreckte sich über die gesamte Breite der Giebelseite des Hauses. Beim Umbau zur Mediathek kam an der Giebelseite eine aufwändig bemalte, vertäferte Holzdecke zum Vorschein. Diese Decke im Stil der Renaissance hob sich durch Art und Bemalung deutlich von den übrigen Decken im Gebäude ab, was auf die besondere Verwendung des Raumes als große Ratsstube schließen lässt. Neben der freigelegten Decke im alten Sitzungssaal konnte die zugehörige und ebenfalls in Teilen bauzeitlich erhaltene Fachwerkwand konserviert werden. Sie verdeutlicht dem heutigen Betrachter den technischen Aufbau der Fachwerkwand.
Zum Rathaus gehörten im unmittelbaren Umfeld noch weitere öffentliche Gebäude. Zwischen dem Rathaus und dem Pfarrgarten befand sich ein 1884 abgebrochenes kleines Gebäude, das als Feuerspritzenremise und Ortsarrest („Zuchthäusle“) diente. Und das Schulhaus stand dort, wo heute der kleine Garten vor dem Pfarrhaus ist. Es wurde 1895 abgebrochen.
Das Rathaus wurde im Laufe der Jahrhunderte immer wieder renoviert, modernisiert und an die sich ändernden Nutzungsanforderungen für die Verwaltung angepasst. So auch 1937, als der Bürgermeister Greiner dem Gemeinderat die Dringlichkeit von seit Jahren hinausgeschobenen Instandsetzungsarbeiten am Rathaus vortrug, die dann auch durchgeführt wurden. In diesem Zusammenhang wurde das Fachwerk an der östlichen und nördlichen Seite des Rathauses freigelegt. Genau 300 Jahre nach der Erneuerung des Rathauses wurde 1959 den Bedürfnissen des 20. Jahrhunderts Rechnung getragen. Nach den Plänen des Urbacher Architekten Hermann Wörner erfuhr das Rathaus eine grundlegende Veränderung durch Umbaumaßnahmen im Innern. Im Jahr 1962 erhielt es dann einen Anbau für den neuen Sitzungssaal. Schon beim Zusammenschluss von Ober- und Unterurbach im Jahre 1970 war das alte Rathaus zu klein. So sah man sich gezwungen, die Verwaltung auf die beiden Rathäuser zu verteilen, ein Zustand, der bis zum Jahr 2001 andauern sollte, als die gesamte Verwaltung in dem Rathaus in der Hornschuchstraße zusammengeführt wurde.
Nachdem das Gebäude seine ursprüngliche Bestimmung verloren hatte, wurde man sich im Gemeinderat relativ schnell einig, dass es weiterhin öffentlich genutzt werden soll. Und die Art der Nutzung war auch bald geklärt: Die im Dachgeschoss des „Kinderschüles“ bei der Wittumschule unter sehr beengten Verhältnissen untergebrachte Bücherei der Gemeinde sollte im alten Rathaus ihr neues Domizil erhalten. Dafür war jedoch eine umfassende Sanierung und Neugestaltung notwendig, die zum einen den Anforderungen des Denkmalschutzes und zum anderen den vielfältigen Anforderungen einer modernen Biblio- bzw. Mediathek mit einem neuen Raumprogramm gerecht werden musste. Mit der Planung und Bauleitung dieses anspruchsvollen Projekts wurde der Urbacher Architekt Frieder Jud beauftragt, dem es gelang, die schwierige Aufgabe kongenial zu lösen. Baubeginn war 2003 und bereits am 19. März 2005 konnte der damalige Bürgermeister Jörg Hetzinger das alte Rathaus im neuen Gewand und mit neuer Nutzung der Urbacher Bürgerschaft übergeben.