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Urbacher Miniaturen 98: Die Trennung von Ober- und Unterurbach

Urbach war nicht immer eine Gemeinde mit gemeinsamer Verwaltung. Seit dem Mittelalter gab es zwei Gemeinden, Ober- und Unterurbach, die jedoch eng miteinander...
Erlass vom 2. Juli 1819 zur Genehmigung der Trennung Unterurbachs von Oberurbach
Erlass vom 2. Juli 1819 zur Genehmigung der Trennung Unterurbachs von OberurbachFoto: Gemeindearchiv Urbach

Urbach war nicht immer eine Gemeinde mit gemeinsamer Verwaltung. Seit dem Mittelalter gab es zwei Gemeinden, Ober- und Unterurbach, die jedoch eng miteinander verbunden waren. Und bis 1810 gehörte Unterurbach verwaltungsmäßig zur Stabsgemeinde Oberurbach. In steuerlicher und finanzieller Hinsicht scheint Unterurbach seit Alters eine Eigenständigkeit besessen zu haben. Es gab jedoch schon im frühen 18. Jahrhundert den Wunsch von Unterurbach nach Unabhängigkeit. Im Laufe des 18. Jahrhunderts war Unterurbach auf etwa 600 Bewohner angewachsen und nahm auch in den folgenden Jahren weiterhin sehr rasch zu. Daraus wird verständlich, dass der Ort der Abhängigkeit vom Mutterort überdrüssig wurde und nach Selbständigkeit zu streben begann. Soweit wir die Geschichte der beiden Orte zurückverfolgen können, hatte jeder seine eigene Markung. Auch die Gemeindekassen wurden offenbar schon längere Zeit getrennt verwaltet. Im Jahr 1773 bekam Unterurbach für seine 86 Schulkinder auch eine eigene Schule. Das Kirchenvisitationsprotokoll von 1773 berichtet uns darüber: „Wegen allzu großer Schülerzahl wurde ein besonderer Provisor angenommen, der im Winter zu Unterurbach Schule hält, wozu von der Gemeinde ein Haus gemietet wurde.“ Aber dies war nur ein Übergangszustand, schon im Jahr 1778 hatte Unterurbach ein eigenes Schulhaus. Die Schule wurde allerdings noch mehrere Jahrzehnte von einem Provisor versehen, der den beiden Oberurbacher Lehrern unterstellt war.
Dass es dann im Jahr 1819 tatsächlich zu einer völligen Trennung der beiden Gemeinden kam, war nicht im Sinne des damaligen Amtmanns Christian Friedrich Kümmerlen von Oberurbach. Auch andere Orte trennten sich damals von ihren Stabsgemeinden, wie etwa Buhlbronn und Vorderweißbuch vom Stab Steinenberg oder Hößlinswart von Schornbach. Notgedrungen musste also der Amtmann auf die Tagesordnung der auf 25. Mai 1819 einberufenen Sitzung der Gerichts- und Gemeindedeputierten des Stabs die Frage einer etwaigen Trennung der beiden Gemeinden setzen.
Bei der Beratung erklärten jedoch die Vertreter von Unterurbach, dass man die gesamte Unterurbacher Bürgerschaft darüber hören sollte. Daraufhin wurde beschlossen, diese auf den nächsten Morgen um 5 Uhr auf das Rathaus zu laden. Nach der Sitzung erschien der Unterurbacher Gemeindepfleger Michael Müller beim Amtmann und verlangte, die Abstimmung bei ihm in Unterurbach stattfinden zu lassen. Dies lehnte Kümmerlen ab und beauftragte den Büttel, die Unterurbacher auf das Rathaus nach Oberurbach zu laden. Als der Büttel zum Ausschellen ging, hieß ihn der Unterurbacher Gemeindepfleger, in sein Haus zu laden und sagte, er werde dies verantworten. Die Absicht Müllers war zweifellos die, den Amtmann, der nichts von der Trennung wissen wollte, auszuschalten, was ihm offenbar auch glückte.


Über die Sitzung selbst liegt leider kein Protokoll vor. Wie die Abstimmung der Unterurbacher ausfiel, erfahren wir nur indirekt. Am 2. Juli 1819 teilte das Oberamt Schorndorf mit, dass die gewünschte Trennung durch höheren Erlass vom 21. Juni genehmigt worden sei, die Neubildung des Gemeinderats jedoch bis zur Entscheidung über die anhängige Untersuchung ausgesetzt werde. Letztere betraf das Vorgehen Müllers, der sich auf eine ihm angeblich vom Oberamt erteilte Erlaubnis stützte. Ein Jahr später war es dann so weit. Am 14. August 1820 wurde der Weingärtner und Zoller Johannes Schwäble zum ersten Schultheißen von Unterurbach gewählt. Er versah sein Amt zehn Jahre lang. Die am 21. August 1820 mit Freuden konstituierte selbständige Gemeindeverwaltung von Unterurbach begann ihre Arbeit mit dem Wunsch, „dass unser Anfang geschehen möge im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat“.
Da die selbständig gewordene Gemeinde kein Rathaus besaß, musste eine Stube für die Sitzungen und ein Nebenraum in einer Gastwirtschaft zur Unterbringung der Registratur gemietet werden. Die Entscheidung fiel zu Gunsten des Traubenwirts Greiner, in dessen Gastwirtschaft der Gemeinderat 1820 eine Ratsstube samt Nebenraum gegen Bezahlung einer Jahresmiete von vier Gulden einrichtete.
Jetzt fehlte nur noch das unentbehrliche „Zuchthäusle“. Es wurde „das Local unter der Schulstube ausgemittelt, da sich sonst keine schickliche Gelegenheit hiezu vorfand“. Nachdem Schullehrer Ansel notgedrungen seine Zustimmung dazu gegeben hatte, konnte ein solches „in der vorderen Stallung unter der Schulstube“ errichtet werden. Wie groß das Zuchthäusle war, wissen wir genau: Es war neuneinhalb Schuh lang, fünfeinhalb breit und sieben hoch (ca. L 2,85 m x B 1,65 m x H 2,1 m). In Anwesenheit des Gemeinderats und des Bürgerausschusses beider Gemeinden wurde beim Vogtruggericht am 1. Dezember 1821 der „Absonderungs-Vergleich“, die Vereinbarung über die Trennung des gemeinschaftlichen Vermögens verhandelt.
An Versuchen zur Wiedervereinigung der beiden Gemeinden fehlte es ab den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts nicht. Die erste Gelegenheit dazu bot das Ermächtigungsgesetz von 1924. Der Zusammenschluss kam aber nicht zustande. Als im August 1933 die Bürgermeisterstelle von Unterurbach neu besetzt werden musste, kam die Vereinigung der beiden Gemeinden wieder ins Gespräch. Der Gemeinderat von Oberurbach und der Fabrikbesitzer Konrad Hornschuch, dessen Textilwerk damals 55 Prozent der Gemeindeumlagen von Unterurbach aufbrachte, setzten sich eifrig für die Zusammenlegung ein. Aber auch diese Bemühungen blieben erfolglos. Im Februar 1938 befürworteten der Landesplaner und der Landrat von Schorndorf die Vereinigung von Ober- und Unterurbach. Doch die Vereinigung fand wieder nicht statt. Die beiden Ortsteile schlossen sich dann, nach 150 Jahren der Selbständigkeit, am 1. Januar 1970 zusammen. Blaustein bei Ulm und Urbach können für sich in Anspruch nehmen, die große Gemeindereform des Landes Baden-Württemberg eingeleitet zu haben.

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Ausgabe 16/2025

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