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Vergissmeinnicht! - Erinnerung an das Poesiealbum meines Großvaters - von Karin Momberger

Vergissmeinnicht! – Erinnerung an das Poesiealbum meines Großvaters – von Karin Momberger Flotte Sprüche, zu Herzen gehende Reime, dazu...
Das Poesiealbum
Das Poesiealbum meines Großvaters Willi RauchFoto: Karin Momberger

Vergissmeinnicht! – Erinnerung an das Poesiealbum meines Großvaters – von Karin Momberger

Flotte Sprüche, zu Herzen gehende Reime, dazu jede Menge selbst gemachte Malereien und eingeklebte Bildchen – das macht so ein Poesiealbum aus. Es ist eine spezielle und auch ein wenig altertümliche Art der Freundschaftsbekundung. Überraschenderweise ist die Tradition, derartige Büchlein zu führen, erstaunlich alt, sie stammt aus dem 16. Jahrhundert.

Ein erstes Stammbuch soll 1545 an der Universität Wittenberg angelegt worden sein. Die Studierenden holten sich Autogramme ihrer berühmten Lehrer. Martin Luther oder auch der große Humanist Melanchthon signierten unzählige solcher Bücher. Bis ins 18. Jahrhundert waren diese Alben reine Männersache. Erst im Zeitalter der Empfindsamkeit entdeckten es dann auch Frauen für sich.

Poesiealben sind ein Schatz, den die meisten Menschen ihr Leben lang hüten. Die Alben bergen Erinnerungen an Schulfreunde, Lehrer, Eltern und Großeltern. Wer Jahrzehnte später durch die Seiten blättert, amüsiert sich über die ungewohnt klingenden Sprüchlein. Je älter die Alben, desto interessanter sind sie auch für Sammler und Antiquitätenmessen.

So blättere auch ich gerne durch das Poesiealbum meines Großvaters Willi Rauch, geboren 1898 in Goslar, der die meiste Zeit seines Lebens in Braunschweig verbrachte, wo er 1978 starb.

Der erste Eintrag in sein Poesiealbum stammt von seinem Vater Carl Anton Hermann Rauch. Im November 1911 schrieb er in das Album:

„Du wanderst in die Welt hinaus

auf Dir noch fremden Wegen,

doch folgt Dir aus dem stillen Haus

der treusten Liebe Segen.“

Zur frdl. Erinnerung an Deinen Vater

Seine Mutter Auguste Sophie, geborene Koch, schrieb:

„Von Vater und Mutter sorglich bewacht,

so hast Du Deine Kindheit verbracht.

Nun ziehe in die Welt, ins Leben hinaus,

doch lass Deinen Herrgott niemals zu Haus.

Dann bist Du in allen Mühen und Sorgen

bis an das Ende der Tage geborgen.“

Deine Mutter im Januar 1912

Im Februar 1912 schrieb ein Freund (Heinrich Fricke) folgenden Spruch in das Album:

„Der treuste Führer in der Not,

das ist und bleibt der liebe Gott.

Scheint es auch öfters manchmal trübe,

so tröstet uns doch seine Liebe.

Nimm diesen Spruch als Wanderstab,

er leitet Dich bis in das Grab.“

Viele weitere Verse und Lebensweisheiten könnte man aus diesem kleinen Album noch zitieren.

Für mich ist es eine greifbare und sichtbare Erinnerung an meinen Großvater und viele weitere Angehörige mit ihren Einträgen. Es ist ein kleiner Familienschatz, den ich nicht missen möchte.

Karin Momberger

Erscheinung
Stadtnachrichten – Amtsblatt der Stadt Rutesheim
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Ausgabe 32/2025
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