
Der Schauspieler Matthias Brandt und der Pianist und Sänger Jens Thomas präsentierten ihre Bühnenfassung „PSYCHO – Fantasie über das kalte Entsetzen“ – ein intensives, experimentelles Kunstereignis, das das Publikum am Ende zu Standing Ovations hinriss.
Die Veranstaltung war zugleich ein weiterer Höhepunkt im Jubiläumsjahr der Stadtbibliothek, die ihr 50-jähriges Bestehen mit einem hochkarätigen Kulturprogramm feiert.
Als Brandt und Thomas die Bühne betraten, machten sie sofort klar, dass dieser Abend weder klassisches Konzert noch bloße Lesung werden würde.
Thomas entlockte dem Flügel aufdringliche, beinahe unheimliche Töne, steigerte sich in schrille Schreie hinein und eröffnete so ein atmosphärisches Feld, das das Publikum unmittelbar in Hitchcocks dunkle Welt aus Angst und Wahn zog.
Brandt las nicht einfach – er spielte, wechselte, verwandelte sich. Seine Stimme modulierte zwischen den Figuren, mal als innerlich zerrissener Norman Bates, mal als vermeintliche Stimme der dominanten Mutter, mal als ahnungslose Mary.
Immer wieder gelang es ihm, der literarischen Vorlage jene unsympathische, verstörende Tiefe zu geben, die im Film durch das attraktive Äußere des Schauspielers Anthony Perkins abgeschwächt ist.
Brandt stotterte und spuckte. Auch Thomas spielte und sang nicht nur am Flügel, sondern verkörperte zeitweise auch den Wahnsinnigen oder seine Mutter, im Wechsel mit Brandt.
Am Flügel und im Gesang improvisierte Jens Thomas – wie im Jazz – frei über Brandts Text, begleitete ihn, kommentierte emotional und klanglich, sang, schrie, flüsterte, stampfte.
Sein musikalischer Beitrag war weit mehr als ein Soundtrack: Er war ein emotionaler Verstärker, ein zweiter Erzähler, ein Unruheherd, der die Figurenwelt zum Kippen brachte.
Die weltberühmte Duschszene „verschläft“ Bates in der literarischen Vorlage, da die Gestalt der mordenden Mutter ja Bates unbewusstes Selbst ist und immer ohne inneren Dialog bleibt. Trotzdem bleibt das Gemetzel der literarischen Vorlage dem Publikum nicht erspart.
Bates beschreibt, wie er die einzelnen Körperteile einsammelt und den Tatort reinigt, während er überlegt, ob du „Mutter“ nicht in eine psychiatrische Anstalt gebracht werden sollte.
Der Fokus des Abends lag auf dem Abschnitt der Geschichte vom Eintreffen Marys im Motel bis zur Entdeckung der Wahrheit durch die Polizei. Anders als im Film hörte das Publikum beständig die inneren Monologe der Protagonisten.
Marys verborgene Gedanken, anfangs noch mit heimlichem Amüsement über den schrägen Motelbesitzer, und Bates erbitterter innerer Widerstreit zwischen seinen Persönlichkeiten, wurden eindrucksvoll hörbar gemacht.
90 Minuten lang steigerten Brandt und Thomas ihre Darbietung ohne Pause, bis sie – sichtlich erschöpft und bewegt – sich umarmten und sich dem Publikum zuwandten.
Man hätte vermuten können, dass der experimentelle, stellenweise schrille und gewaltige Ansatz einem breiten Publikum zu herausfordernd sein könnte. Doch das Gegenteil war der Fall: Das Publikum dankte mit langanhaltendem Applaus, Jubelrufen und Standing Ovations. Zweimal mussten die beiden Künstler erneut auf die Bühne zurückkehren, um die enthusiastische Anerkennung entgegenzunehmen.



