Wie die Zeit vergeht … Eines der bedeutendsten Bauprojekte in Oftersheim seit der Nachkriegszeit wurde vor genau 60 Jahren offiziell in Dienst gestellt, denn am 23. Juli 1965 durfte Bürgermeister Karl Frei zu diesem Anlass zahlreiche Ehrengäste begrüßen, darunter Regierungspräsident Dr. Werner Munzinger aus Karlsruhe und Landrat Dr. Valentin Gaa.
Groß war die Freude, rechtzeitig zur 1200-Jahr-Feier der Gemeinde im Folgejahr mit dem dreigeschossigen Zweckbau im Stil der Zeit angesichts der akuten Raumnot in der Verwaltung Abhilfe zu schaffen und einen neuen städtebaulichen Akzent in der Ortsmitte zu setzen.
Vorausgegangen waren dem Projekt mehrere Planungsvarianten und Diskussionen über eine Erweiterung des bisherigen Rathauses aus dem Jahr 1871 auf dem gleichen Platz, das mit seiner neuklassizistischen Fassade und vor allem dem ortsbildprägenden Turm ein zweifellos identitätsstiftendes Bauwerk in der Hardtgemeinde war. Doch wie in der Ortschronik festgehalten, hätte angeblich keine der untersuchten Lösungen ein zufriedenstellendes Ergebnis gebracht. Heute unvorstellbar, doch alternativ gab es auch Überlegungen, einen Rathausneubau im Gemeindepark zu errichten! Hinzu kam offenbar der Kostenaspekt, denn 1962 hätte der Gemeinderat die Erhaltung und Einbeziehung des Turmes aus genau diesem Grund abgelehnt. So kam es am Jahresbeginn 1964 zum Totalabriss dieses liebgewonnenen Gebäudes samt dem Nachbaranwesen Mannheimer Straße 47. Die Pioniere eines amerikanischen Bataillons leisteten ganze Arbeit, und im Juni konnte Bürgermeister Frei vor einer großen Besuchermenge eine Zeitkapsel in den Grundstein legen. Dieser Stein mit der Jahresangabe „1964/65“ befindet sich übrigens auf der Schulhofseite über der Rampe zum Keller und war nicht zu übersehen, bis er im Zuge der letzten Generalsanierung 2005-2006 hinter einer dicken Wärmedämmschicht verschwand. Während der Bauzeit hatte die Verwaltung ein Übergangsquartier im Erdgeschoss des Gemeindewohnblocks Hildastraße 26 bezogen.
Schon im September 1964 konnte Richtfest gefeiert werden an dem Stahlbetonskelettbau des Schwetzinger Architekten Schmittgen, dessen Baukosten insgesamt 1.270.000 DM betrugen. Ursprünglich sollte er ein Flachdach erhalten, doch die Genehmigungsbehörde bestand auf einem Satteldach, damit sich der Bau harmonischer in das noch ländlich geprägte Straßenbild einfügen würde. Nach dem Einzug am 4. Juni 1965 konnten die verschiedenen Dienststellen schließlich ihre Arbeit im neuen Domizil aufnehmen. Neben lichtdurchfluteten Büroräumen war dort auch ein großer Bürgersaal im ersten Obergeschoss entstanden und über diesem gelegen der neue Ratssaal, außerdem gab es im Erdgeschoss die Gemeindebücherei und eine Vitrine mit archäologischen Fundstücken aus der Oftersheimer Frühgeschichte, quasi der Ausgangspunkt für das spätere Gemeindemuseum. Im selben Jahr entstand auf dem angrenzenden Grundstück nach dem Abriss des alten evangelischen Schulhauses von 1836 ein repräsentativer Vorplatz mit einer Standuhr (liebevoll-spöttisch „Wäscheklammer“ geheißen) und einer Brunnenanlage mit den beiden nunmehr stummen Rathausglocken als bescheidene Reminiszenz an den Vorgängerbau.
Bereits gute zwei Jahrzehnte später war der Raumbedarf allerdings schon wieder an seine Grenzen gelangt, und so wurde 1988 der bisherige Ratssaal in Bürozimmer unterteilt und dem Bauamt zugeordnet, während der Gemeinderat nunmehr eine Etage tiefer im bisherigen Bürgersaal tagte nach entsprechender Neuausstattung. Doch auch diese Maßnahmen sorgten nur vorübergehend für eine Entlastung der Platzverhältnisse aufgrund gestiegener Aufgabenfelder der Kommunen und eines angestrebten verbesserten Bürgerservice. So diskutierte der Gemeinderat im Frühjahr 1992 über die vom Städtebauatelier Prof. Trieb aus Stuttgart untersuchte Variante, im Zuge der ebenfalls anstehenden Erweiterung der Friedrich-Ebert-Schule deren altes Schulhaus dem Verwaltungsbereich zuzuschlagen und über einen verglasten Steg mit dem Rathaus zu verbinden. Das Konzept sah sogar einen „neuen Rathausturm“ vor als Erschließungsweg von Platz, Steg und einer angedachten Tiefgarage unter dem Schulhof. Doch dann kam alles anders, als sich nur wenige Meter entfernt in der Eichendorffstraße mit dem Erwerb eines Stall- und Scheunengebäudes plötzlich ganz neue Perspektiven eröffneten, die 1995 mit der Fertigstellung des Bauamtsgebäudes samt attraktivem Ausstellungsbereich und neuem Bürgersaal Realität wurden.
Das bisherige Rathausgebäude war währenddessen nach 40 Jahren in mehrfacher Hinsicht in die Jahre gekommen und musste daher in den Jahren 2005-2006 energetisch ertüchtigt und kernsaniert werden mit Veränderungen in der Raumstruktur. Letzteres zeigt sich am auffälligsten in der Verlegung des Haupteingangs auf die Platzseite. Damit dürfte das nun 60 Jahre alte Oftersheimer Rathaus auch für die nähere Zukunft bestens aufgestellt sein für alle administrativen Aufgaben zum Wohle der Bürger.
Hans-Peter Sturm