Vor 80 Jahren näherte sich der 2. Weltkrieg mit all seiner Grausamkeit auch unserem Heimatdorf und da dieses Ereignis gerade jetzt wieder mehr als aktuell ist, möchten wir noch einmal die Aufzeichnungen zum damaligen Geschehen von unserem verstorbenen Mitstreiter Josef Heim veröffentlichen.
Kriegstage in Oedheim im April 1945
Chronologische Schilderung der Ereignisse
(Um die nun folgende chronologische Schilderung der schrecklichen Tage für Oedheim im April 1945 von Josef Heim besser zu verstehen, zunächst ein Überblick über die damalige strategische Gesamtlage unserer näheren Heimat. Dieser ist aus dem Buch von Friedrich Blumenstock „Der Einmarsch der Amerikaner und Franzosen im nördlichen Württemberg im April 1945" entnommen. Die Passagen sind teilweise verkürzt wiedergegeben.
„Die Kriegslage auf dem westlichen Kriegsschauplatz hatte sich im Jahr 1944 völlig zuungunsten der deutschen Wehrmacht entwickelt. Nach der Landung der Engländer und Amerikaner an der Nordwestküste von Frankreich im Juni 1944 war die deutsche Front in Frankreich bald zusammengebrochen und der an Zahl und Waffen weit überlegene Feind erreichte zu Beginn des Jahres 1945 den Niederrhein und bald auch den mittleren Rhein, ja schließlich überschritten die feindlichen Heere den Rhein in seiner ganzen Länge. Die 7. amerikanische und die 1. französische Armee erreichten am Anfang der letzten Märzwoche den Rhein zwischen Mannheim und Karlsruhe. Mannheim wurde am 28. März eingenommen, Heidelberg am 30. März besetzt. Damit ging auch die Front am unteren Neckar verloren. Der Frontverlauf am Karfreitag, 30. März verschob sich ungefähr auf die Linie Karlsruhe-Germersheim-Speyer über Eberbach/Neckar durch den Odenwald nach Miltenberg am Main. Der weitere Vorstoß der Amerikaner erfolgte in Richtung Wertheim – Würzburg. Am Ostersonntag, 1. April und den darauffolgenden Tagen wurde bei Mergentheim die Grenze von Nordwürttemberg erreicht. Von Nordwesten aus Heidelberg über den Kraichgau und Sinsheim kommend, stieß die 100. US-Infanterie-Division an den Neckar bei Wimpfen, Neckarsulm und Heilbronn. Von Norden über den Odenwald kommend, erfolgte der Vormarsch der US 63. Infanterie-Division gegen Hohenlohe, Crailsheim sowie Jagst und Kocher. Die 10. US Panzer-Division kämpfte unterstützend an beiden Frontabschnitten.
Auf deutscher Seite befanden sich Teile der 553. Infanterie-Division, die 17. SS-Panzer-Grenadier-Division „Götz v. Berlichingen“, jeweils unterstützt von Angehörigen des Volkssturms.
Ab dem 3. April kam aber der schnelle Vormarsch der US-Einheiten durch den Widerstand in und um Heilbronn am Neckar, im hohenlohischen Crailsheim sowie an der unteren Jagst und am unteren Kocher zum Stillstand)
Josef Heim berichtet: Die Tage vom Palmsonntag, 25. März 1945 über Ostern am 1. April und dem Weißen Sonntag, 8. April sowie darüber hinaus waren wunderschöne, sonnige Tage. Eine herrlich leuchtende Frühjahrszeit mit strahlend blauem Himmel. Die Obstbäume standen teilweise schon in voller Blütenpracht, dazwischen vielstimmiges, munteres Vogelgezwitscher. Es hätten hoffnungsvolle, glückliche Frühlingstage sein können, eigentlich eine stimmungsvolle Zeit zum Träumen. Nur der verheerende Krieg passte gar nicht dazu, mit seinem dröhnenden Kanonendonner, dem ständigen Heulen der Alarmsirenen und den furchtbaren Tieffliegerangriffen, die Angst und Schrecken verbreiteten. Die Zukunft schien dunkel, kalt und ungewiss in jenen Tagen und Wochen.
Mit dem Stillstand des US-Vormarsches ab dem 3. April, welcher bis zum 13. April anhielt, wurde unsere Gegend zum Kriegsschauplatz, unser Heimatort lag für 10 Tage, die furchtbare Schreckenstage waren, in der Hauptkampflinie.
An Ostersonn- und Ostermontag, 1. und 2. April, standen die Amerikaner mit ihren Panzern zunächst im Raum Bernbrunn und Allfeld, dann nördlich von den Orten Tiefenbach, Bachenau und Höchstberg der 17. SS-Panzer-Grenadier-Division in erbitterten Kämpfen gegenüber. Erst nach diesen Kämpfen und dem Rückzug der SS-Einheiten konnten die Amerikaner den Übergang über die Jagst bei Untergriesheim erzwingen. Schon am Ostermontag, 2. April explodierten die ersten Granaten in Höchstberg, das Dorf war von einer SS-Einheit besetzt. Ein Artillerie-Beobachtungsflieger leitete den Beschuss. Noch am Vormittag wurden die alte und überregional bekannte Wallfahrtskirche „Maria im Nussbaum“, das Pfarrhaus und die Pfarrscheuer sowie zwei Feldscheunen getroffen. Alle diese Gebäude brennen bis auf die Grundmauern nieder. An eine Rettung ist nicht zu denken, weil die Beschießung weitergeht und die verängstigte Bevölkerung nicht weiß, ob auch das Dorf getroffen wird. Das Dorf selbst wurde jedoch kaum beschädigt und Ziviltote gab es glücklicherweise keine. Die SS-Einheiten zogen sich nun auf die Heuchlinger Höhe zurück, den schmalen Höhenrücken zwischen unterer Jagst und unterem Kocher. Diese Stellung wurde in zähen Kämpfen vom 3. bis 10. April verteidigt. Während dieser Woche haben die Amerikaner nicht nur die Stellungen auf der Heuchlinger Höhe beschossen, sondern auch die dahinter liegenden Ortschaften Oedheim, Degmarn, Stein, Kochertürn und Neuenstadt. Das Feuer der amerikanischen Artillerie, die am Stahlbühl bei Höchstberg stationiert war, wurde durch einen Artillerie-Beobachtungsflieger gelenkt, vom Volksmund „Lahme Ente“ genannt. Die deutschen Einheiten versuchten aus Richtung Heuchlinger Höhe mit Schrapnellgranaten zurückzufeuern. Schäden in Höchstberg, vor allem an den Dächern, entstanden so durch die eigenen Artillerie-Kollateralschäden. Erst nach Ablauf der oben genannten Woche konnte der Widerstand der deutschen Einheiten entlang der „Hohen Straße“ bis Kreßbach gebrochen werden.
Fortsetzung folgt