Heimatkundlicher Arbeitskreis
74229 Oedheim
Dies und das

Vor 80 Jahren – der Krieg kommt nach Oedheim

Der 3. April, Dienstag Der 3. April war der schwärzeste Tag für die Geschwister und Eltern des Entlass-Schülers Günter Heim, welcher an diesem Tag...

Der 3. April, Dienstag

Der 3. April war der schwärzeste Tag für die Geschwister und Eltern des Entlass-Schülers Günter Heim, welcher an diesem Tag als erster Ziviltoter des II. Weltkriegs in der Gemeinde selbst durch einen Granatsplitter in die Brust ums Leben kam. Wir Geschwister – Josef (1932), Rolf (1933), Barbara (1941) und Annerose (1943) haben unseren Bruder Günter mit Rufnamen „Ginnee“ immer sehr bewundert, weil er mit seinen 14 Jahren schon sehr groß und kräftig und in seiner Art ganz die Mutter war. Er war – nach der Abstammung der Mutter – der „Oberländer“. Für unsere Mutter war der nächste Tag, der 4. April 1945, der traurigste Geburtstag ihres Lebens, es war ihr 36. Geburtstag. Obwohl sie immer gesund, robust und voller Lebenslust war, starb sie schon 1961 im Alter von nur 52 Jahren. Unser Vater, der Schreinermeister Eugen Heim (Jahrgang 1892) wurde Ende 1944 von Minsk in Weißrussland zum Flugplatz Schwäbisch Hall-Hessental versetzt, wo er die Werkstätte leitete. In den ersten Apriltagen bekam er Heimaturlaub. An jenem Morgen nun waren die Eltern und wir Kinder damit beschäftigt, uns wie unsere Nachbarn für den Aufenthalt im Bierkeller für die nächsten Tage vorzubereiten … wir schafften im Freien – es war ja herrliches Frühlingswetter – da kamen Günters Freunde Werner Förch, Willi Greis, Ludwig und Erwin Keicher und riefen ihm zu, er solle mitkommen. Unsere Mutter wollte ihn zurückhalten, er entwischte aber doch mit den anderen. Unser Haus und das Haus Bauer/Böhringer, Friedhofstraße, waren damals der Ortsrand. Dahinter gab es Äcker, Gärten und Streuobst-Wiesen der heimeligen Degmarner Höhe ohne jegliche Bebauung. Dort, wo heute das Haus Heinz Keicher steht, gegenüber dem Wohnhaus der Gärtnerei Kurz, das aber damals ebenfalls noch nicht existierte, wohl aber standen schon einige Gewächshäuser, befand sich ein großer Strohhaufen. Dieser war schon im Herbst des Vorjahres würfelförmig aufgesetzt und etwa 6 x 6 x 6 m groß. Dorthin zog es das Quintett, eilig kletterten sie hinauf und begannen mit Leuchtspur Munition zu schießen. Das war ein Heidenspaß für die jungen Burschen, hatte jedoch tragische Folgen. Später stellte sich heraus, dass zur selben Zeit eine zweite Gruppe Jugendlicher – Otto Karle, Wolfgang Müller, Reinhold Kegel – unweit davon am „Dachsbau“, damals ebenfalls noch nicht bebaut, dieselben Schießübungen machte. Über unseren Köpfen kreiste ständig der feindliche Aufklärer, welcher dieses Feuerwerk – für ihn waren es feindliche Signale – beobachtete und meldete. Dieser Aufklärer leitete auch die daraufhin einsetzenden Artillerie-Salven bis zu dieser Stelle. Wir konnten gut beobachten – so leichtsinnig waren wir Jugendliche – wie und wo diese Artillerie-Salven einschlugen: Zunächst rechts des Kochers, dann links davon, die 2 nächsten in den Nonnenrain und die Lauspiegel-Gärten, eine weitere dahinter bis zur letzten Salve am Strohhaufen. Fast zur selben Zeit griffen JaBos an. Trotz Warnungen der anderen blieb Günter auf dem Stroh, den JaBos mit den Armen zuwinkend. Die anderen liefen um ihr Leben davon. Nach dem Angriff fanden wir den Günter am Boden liegend, mit dem Gesicht nach unten und ausgebreiteten Armen, die Fäuste waren verkrampft in je ein Grasbüschel. Um 11.30 Uhr wurde er geborgen. Bei der Leichenwäsche wurden am ganzen Körper Einschläge, vermutlich von Granatsplittern, entdeckt. In der Brustmitte klaffte ein großes Loch. Er war wahrscheinlich auf der Stelle tot. Nach der Aufbahrung im Elternhaus erteilte kurz nach Mittag Pfarrer Gentner die letzte hl. Ölung. Der Eintrag im Sterberegister dazu: „Bei der Jugendweihe am 17.3. hat er gebeichtet, am 18.2. an der feierlichen Erneuerung des Taufgelübdes und Generalkommunion teilgenommen, sub cond. (sub conditione = unter der Bedingung) hl. Ölung und Absolution“.

Zur Erläuterung: Beim Übertritt vom Jungvolk zur Hitlerjugend wurde die Jugendweihe vorgenommen, diese wurde nicht nur kirchlich feierlich begangen, sondern war auch verbunden mit einer Mut- und Bewährungsprobe. Sollte der oben beschriebene Hergang eine solche Probe gewesen sein? Wir wissen es nicht. Bei Günters Beerdigung 2 Tage später am 5. April um 10.30 Uhr waren nur die engsten Angehörigen, Pfarrer Gentner, Messner Alois Jochim und ein Ministrant anwesend. Das Grab war gleich links vom Haupteingang des Alten Friedhofs hinter den Bautzschen Grabmalen ausgehoben. Dort musste die kleine Gruppe fluchtartig Schutz suchen vor einigen gerade während der Beerdigung plötzlich auftauchenden JaBos, die aus allen Rohren feuerten. Geschosseinschläge an den genannten Grabmalen sind heute noch sichtbar.

Tagsüber lag die Straße Kochendorf-Neuenstadt unter ständigem feindlichen Beschuss. Die vorübergehend im Dorf kampierenden Pioniere konnten, nach getaner Arbeit – der Brückensprengung – nicht über diese Straße in Richtung Neuenstadt abrücken. Sie mussten den Weg entlang des Bahndamms nehmen. Nachts etwa um ½ 11.00 Uhr schlugen auch vor dem Haus von Josef Wolf in der Hauptstraße unterhalb der Kirche plötzlich Granaten ein.

Zwei Volkssturm-Leute – aus Untergriesheim stammend – wurden von Granatsplittern getroffen. Der eine, Josef Denninger, wurde tödlich, der andere, Ludwig Voll, schwer verletzt. Er wurde im Wolf'schen Haus erstversorgt und Kaplan Klaus, welcher hinzugerufen wurde, leistete seelsorgerischen Beistand. Der Verwundete wurde bald darauf ins Krankenhaus Schwäbisch Hall gebracht, wo er zwei Tage darauf, am 5. April seinen Verletzungen erlag. Josef Denninger wurde wohl gleich in Untergriesheim bestattet, sein Kamerad Ludwig Voll jedoch – wegen der Kämpfe um die Heuchlinger Höhe – zunächst auf dem Oedheimer Friedhof. Die Bestattung erfolgte am 7. April im vorläufigen Ehrengrab Nr. 8. Später wurde auch er in den heimatlichen Friedhof umgebettet.

Fortsetzung folgt

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Ausgabe 18/2025

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