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Dies und das

Vor 80 Jahren – der Krieg kommt nach Oedheim

Der 8. April, Weißer Sonntag Der amerikanische Operationsbericht vom 8. April meldet: „Ein Jägerverband bombardiert das Dorf Oedheim in S 1072 aus...
Angriff 86th FG, Sammlung William B. Colgan
Angriff 86th FG, Sammlung William B. ColganFoto: B. Colgan

Der 8. April, Weißer Sonntag

Der amerikanische Operationsbericht vom 8. April meldet: „Ein Jägerverband bombardiert das Dorf Oedheim in S 1072 aus 8.000 Fuß Höhe vormittags um 10.30 Uhr. Es wurden 14 Bomben im Zielfeld abgeworfen. Dabei entstanden 4 große Brände, 7 Gebäude wurden zerstört, 5 beschädigt. Der Wald in S 0873 wurde bombardiert. Ergebnisse konnten nicht beobachtet werden“.

Der amerikanische Tagesbericht berichtet nicht von einem 2. Angriff an diesem Tag um 14.00 Uhr, dieser soll jedoch erfolgt sein. Berichtet wird von nächtlichem Artilleriebeschuss in die Brandnester und Beschuss durch Jagdbomber-Bordwaffen am Tag, sodass dadurch die Löscharbeiten und Bergungen erheblich behindert, gar unmöglich gemacht wurden. An diesem schrecklichen Tage brannte es an 11 Stellen im Dorf gleichzeitig. Trotzdem gelang es den tapferen Männern der Feuerwehr, ein Weitergreifen der Brände zu verhindern. Es konnten insbesondere Wohnhäuser gerettet werden, nicht aber die Scheunen mit ihren Heu- und Strohvorräten. Glücklicherweise war die Wasserversorgung für die Löscharbeiten gesichert.

Die Dächer aller Häuser, die nicht direkt getroffen wurden, sind wegen der tagelangen Feindeinwirkungen mindestens beschädigt worden.

Den massiven Angriffen vom Tage fielen die Anwesen der Schreinerei Bertsch, Schneider Baikert, Josef Durchdewald, Alois Jochim und Philip Herdecker teilweise oder ganz zum Opfer.

Im Gebiet der Steige waren es die Anwesen Heil, Schanzenbach, Schwarz, Ester, Karoline Binnig, Frida Müller und der Farrenstall.

Verursacht durch Feindeinwirkung gab es leider auch 2 Todesfälle:

Schon in der Frühe um 5.30 Uhr wurde das Haus Josef Durchdewald durch Granateinschlag getroffen. Der Witwer Durchdewald wurde im Bett durch einen Splitter ins Herz tödlich verwundet. Er wurde schon am nächsten Tag im Familiengrab zur letzten Ruhe beigesetzt.

Der Landwirt Adalbert Sandel hat sich an diesem Tag von seinem Haus entfernt und auf einem Feld in der Degmarner Höhe aufgehalten. Weil er auf den Anruf eines SS-Soldaten nicht parierte, wurde er von diesem erschossen. Man fand ihn noch am gleichen Tag mit Brust- und Kopfschuss. Er wurde sofort an Ort und Stelle begraben. Am 6. Mai wurde er in den heimatlichen Friedhof umgebettet.

Auf der rechten Kocherseite rückte an diesem Tag amerikanische Infanterie in 2 Gruppen vom Falkensteiner Hof her gegen das Neudorf von Oedheim vor und besetzte es auch. Die bei diesen Kämpfen gefallenen 10 deutsche Soldaten liegen auf dem Oedheimer Friedhof in den Gräbern 4 – 13 des sogenannten „Kameradengrabs“. Für die 11 gefallenen amerikanischen Soldaten auf der Höhe zwischen Oedheim und Heuchlingen wurde nach dem Krieg von amerikanischen Kriegsveteranen ein Gedenkstein errichtet. Dieser steht kurz vor dem Buchhof am Straßenrand und trägt in Englisch die Inschrift: „Wir gedenken unserer gefallenen Kameraden der 5. Kompanie des 253. Regiments der 63. Infanterie-Division“.

(Josef Heim hat, wie viele Personen vor ihm, die Inschrift auf dem Gedenkstein nicht richtig interpretiert. Die 11 auf der Inschrift genannten ehemaligen Soldaten der F-Kompanie haben auf einem Veteranentreffen 1972 beschlossen, auf dem Buchhof einen Gedenkstein aufzustellen. Nach einer Mitteilung des auf der Inschrift zuletzt genannten William G Smith an den Oedheimer Heimatforscher Thomas Seitz war Walter J. Dilbeck (1918 – 1991) der Initiator. Auf Höhe des Gedenksteins wehrte Dilbeck am 6. April 1945 einen Gegenangriff von rund 200 SS-Soldaten mit seinem automatischen Gewehr ab. Nach einem Granateinschlag rannte plötzlich ein kleines Mädchen in die Schusslinie. Dilbeck sprang aus seinem Schützenloch, rannte zu dem verwundeten Mädchen und brachte es in Sicherheit (das kleine Mädchen von damals lebt heute in Oedheim). Für seine Tapferkeit wurde Dilbeck mit dem „Army Distinguished Service Cross“ ausgezeichnet (nach dem Brief von William G. „Smitty“ Smith vom 26.1.1997 an den Oedheimer Thomas Seitz). Der Gedenkstein soll an der Stelle stehen, von wo aus Dilbeck die deutschen Soldaten unter Beschuss genommen und über 60 von ihnen getötet oder verwundet hat. Zum Schluss des Briefs schrieb William G. „Smitty“ Smith: „April 6th was Buchhof – with less then 100 me(n) on the line – April 8th went into combat with 26 men – April 9th we received 33 replacements more than was our whole Company.“ (frei übersetzt: „Am 6. April lagen wir am Buchhof – mit weniger als 100 Mann an der Front – am 8. April gingen wir in das Gefecht mit 26 Mann – am 9. April erhielten wir 33 Mann Ersatz, mehr als von unserer Kompanie übrig war“).

Für die Erstkommunikanten war dieser Weiße Sonntag ein denkwürdiger Tag, kein Fest in gewohnter Form in festlicher Kleidung in der Kirche. Diesen Tag verbrachten die Kinder in unterirdischen Gelassen, in Kellern und Schutzräumen. Dorthin brachten Pfarrer Gentner und Kaplan Klaus den Leib des Herrn unter großer Gefahr und vielen Mühen ihren anvertrauten Kindern.

(Auch hierzu ein Beitrag von Thomas Seitz s.o.: „Meine Mutter – Brunhilde Seitz geb. Heider – gehört zu dem genannten Jahrgang. Pfarrer Gentner kam nach Ihrer Darstellung in den Keller in der Falkensteiner Str. 13 (Familie Heider). Aus einer Kerze wurde für jedes Kind ein Teil herausgeschnitten und die Feier zelebriert. Nach der noch vorhandenen Urkunde meiner Mutter zum Weißen Sonntag wurde dieser am 6. Mai 1945 in St. Mauritius nachgefeiert. Hierbei wäre es auf dem Rückweg beinahe zu einer Katastrophe gekommen. Der Fährnachen über den Kocher war wohl überladen, und dem Fährmann ist aufgrund des starken Hochwasserstromes die Kette aus den Händen gerutscht. Zum Glück für alle war die Kette jedoch eingehängt und so blieb es bei dem Schrecken und verschmutzten Kleidern.“)

Unter ebenso großen Opfern und Gefahren spendete Pfarrer Gentner fast täglich Verwundeten und Sterbenden Trost, Beistand und die letzte Ölung. Er segnete auch täglich die Toten im Sammelgrab bei immer offener Grube, die nur notdürftig mit Kalk und wenig Erde abgedeckt wurde. Die Abdecker waren Josef Eichhorn, Johann Beck und Hermann Schirmer. Wegen des Geruchs konnten sie ihren Dienst nur mit viel Schnaps verrichten. Manchen älteren Oedheimern ist auch noch bekannt, dass sich Pfarrer Gentner nicht scheute, im „Blauen Anton“ beim Löschen zu helfen. Auch karrte er Tote mit dem Leiterwagen zum Sammelgrab. Schließlich ist bezeugt, dass beim Brand des Farrenstalls sich keiner getraute, den Farren in der brennenden Scheune loszubinden. Pfarrer Gentner tat es. Pfarrer Gentner war Teilnehmer im Ersten Weltkrieg und wurde für seine Tapferkeit mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet. Er durfte es mit Stolz tragen.

Fortsetzung folgt


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Ausgabe 23/2025
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