Sie hat ein Talent, mit Worten wie Musik. Und sie hat beide ausgekostet. „Deswegen hat das Studium auch zwei oder drei Jahre länger gedauert“, sagt Mia Pittroff. Doch wen interessiert das, wenn man in den sich der Hochschule anschließenden Zeit die Kleinkunstbühnen der Republik für sich vereinnahmt und sich die angestrebte Karriere als Journalistin damit wie von selbst pulverisiert.
Mit Poetryslam hat alles angefangen. Die Szene entdeckt sie in Bamberg. Hierher kam sie nach dem Abitur. Hier erzählt sie aus ihrer Vergangenheit in Bayreuth, zusammengefasst in sieben Minuten Auftrittslänge. Es sei sehr fränkisch gewesen, erzählt Mia Pittroff über ihre Anfänge. Dem Fränkischen hat sie mittlerweile etwas abgeschworen. Bamberg auch. Und genauso dem Poetryslam. „Irgendwann waren mir die sieben Minuten zu kurz“, erinnert sie sich an ihren Wunsch nach mehr. Mehr Zeit. Mehr Programm. Aber sie will es auch groß und bunt und vielseitig. Seit vielen Jahren ist Berlin daher die Stadt ihrer Wahl. Und das Kabarett ihr Beruf. Die Szene in der Hauptstadt ist groß. Und Pittroff ist mittendrin. Sowohl der Quatsch-Comedy-Club als auch die Scheinbar sind ihr Zuhause. „Berlin hat mich gut aufgenommen“, erzählt sie.
Mia Pittroff ist eine Beobachterin des Alltags. Aus ihm schöpft sie ihre Ideen und Texte. Das kann ein mitgehörtes Gespräch sein, das Betrachten der Menschen um sie herum, ihr Tourleben und Alltag. Aus allem kann erwachsen, was sie später in ihrem Programm seziert. „Ich gucke gerne Menschen beim Leben zu“, fasst es die Kabarettistin zusammen. Dass es die Bühne wurde, dafür hat sie eine ziemlich simple Erklärung: „Was ich immer kann, ist, mich vor Leute stellen und was erzählen.“ Dass sie es auch qualitativ hochwertig kann, zeigen etliche Preise, die sie in ihrer mittlerweile mehr als eine Dekade andauernden Karriere eingesackt hat, darunter auch der Lorscher Abt. Ihre Liebe zur Bühne hat aber noch einen ganz anderen Grund. Sie begründet sich genauso im Kontakt zum Publikum und in den direkten Rückmeldungen, die sie am Abend erhält. Der Applaus tut sein Übriges. „Das macht süchtig“, lacht Mia Pittroff.
Zugleich ist Kabarett schwerer geworden. Alles ist schnelllebiger, sagt Pittroff. „Das setzt dem Programm zu“, sagt sie. Es geht um Nummern, die sie heute schreibt, die aber morgen schon überholt sein können. Jedes Thema aufzunehmen, das lohne sich nicht, ist sie überzeugt. „Man kann den Menschen die Welt auch nicht mehr erklären“, verweist die Kabarettistin auf die Komplexität. Daher bleibt sie lieber bei sich, sucht ihren Zugang, den sie ihrem Publikum vermittelt. Und wenn sie erreicht, was sie will, dann ist es das: Die Menschen gehen nach dem Abend raus und sind angeregt, selbst zu denken. Der erhobene Zeigefinger? Für Pittroff Tabu. Doch es ist nicht nur die Schnelllebigkeit, die eine Programmausarbeitung erschwert. Mit der zunehmenden Politisierung von Themen, die zuvor privat waren, mit gleichzeitiger emotionaler Debatte – Stichwort: gendern – wird auch die Pointenfindung nicht einfacher. Zumal der Deutsche sich auch nicht mehr so zum Humor verführen lässt wie vielleicht früher. „Der Grat ist schmaler geworden“, sagt Pittroff. Zugleich sei es Herausforderung, das zu knacken. Dafür darf es auch mal derber sein. Zumindest hier und da. Denn Humor, sagt sie, sei je nach Region verschieden. „Es gibt auch Unterschiede zwischen Stadt und Land.“ Insofern, sagt Pittroff, sei Kabarett auch Soziologie und Feldforschung von der Bühne aus.
Was durch ihre Kabarettkarriere mittlerweile auf der Strecke geblieben ist, ist die Musik. Damit hatte sie in Bamberg begonnen, als sie zusammen mit dem Musiker David Saam das Duo „Sellarie“ gründete. Gemeinsam kreierten sie das Genre „fränkischer Chansons“. Dann kam der Umzug nach Berlin, später die Kinder. Spätestens verlor sich insgesamt der Einfluss des Fränkischen auf ihre Programme. Dem Fränkischen gänzlich abschwören, das wird ihr wohl nie gelingen. Das nicht zu überhörende rollende R ist schließlich Heimat, die aus ihr spricht.
Mia Pittroff gastiert mit ihrem Programm „Ich geh’ schon mal nach hinten los“ am Sonntag, 2. März, in der Kulturbühne MAX. Beginn ist um 19.30 Uhr. Karten gibt es zum Preis von 20 Euro online unter www.reservix.de. (cs)