Weinsberger Blutostern 1525
Geschichte zum Bauernkrieg 1524/1525
von Klaus Heiland und Manfred Wiedmann
(Fortsetzung vom letzten Nachrichtenblatt Nr. 23/25)
Die folgenden Kapitel sind überschrieben:
Die Schuld der Weinsberger Bürgerschaft.
Das Zeugenverhör.
Die Totenliste als Schlachtenmemoria.
Die Überlieferung der Weinsberger Liste.
Die adligen Toten von Weinsberg.
Strafbestimmungen und liturgisches Gebetsgedenken.
Der Vollzug der Strafmaßnahmen.
Die Abfindung der Hinterbliebenen des Grafen Ludwig von Helfenstein.
Die Strafbestimmungen im Spiegel der älteren württembergischen Geschichtsschreibung.
Die Rückkehr Herzog Ulrichs, Reformation in Weinsberg.
Das Ringen der Weinsberger um die alten Rechte.
Justinus Kerner und der Bauernkrieg in Weinsberg.
Der ganze akribische Text atmet den Geist eines langjährigen, gestandenen und studierten Historikers aus. Alle Zitate sind genau benannt. Prof. Ehmer hat dieses besondere Thema aus wirklich allen verfügbaren Quellen recherchiert. Es ist seit langer Zeit das erste Mal, dass auf die Weinsberger Bluttat und ihre Folgen in einer speziellen Arbeit eingegangen wird. Wir erinnern uns allerdings beide daran, dass wir schon vor gut 15 bis 20 Jahren von verschiedenen Seiten nach Kenntnissen, ob und ggf. wo die Opfer der Weinsberger Bluttat eigentlich bestattet worden wären, befragt wurden.
Darüber schweigen sich sämtliche Quellen aus, wurde uns gesagt. Wir konnten nicht weiterhelfen. Selbst der Senior des doppelt betroffenen Hauses Weiler auf Burg Lichtenberg über Oberstenfeld, von einem Geschichtsfreund befragt, wusste das nicht. (Wir werden uns in einem gesonderten Aufsatz mit dem Thema beschäftigen).
Man war also schon vor Jahren an dem Thema dran.
Zurück zu unserem Text: Ehmer listet die durch die Bauern umgebrachten Adeligen auf. Deren umgekommene Knechte werden nicht namentlich genannt. In der Liste wird auch nicht unterschieden, wer bei dem Kampf um die Kirche ums Leben kam und wer durch Spieße gejagt oder auf noch andere Weise zu Tode gekommen ist. Ehmer bezieht sich dabei wie Weismann auf die „Urfehde“ im Staatsarchiv. Die im Stadtarchiv befindliche Abschrift, vermutlich schon von einer Abschrift, weist manche Fehler auf.
Die Liste selbst ist Bestandteil einer mittelalterlichen Schlachtenmemoria, die vorwiegend für liturgisches Gebetsgedenken gemacht wurde.
Die Kapitel Schuldfrage und Zeugenverhör werden ausführlich behandelt. Ehmer geht bei jedem der Toten kurz auf dessen Leben ein. (Kapitel
„Die adeligen Toten von Weinsberg“). Im Rahmen dieser Zusammenfassung ist es uns nicht möglich, das genau zu berichten. Interessenten können sich bei uns eine Kopie der Arbeit ausleihen.
„Die Strafbestimmungen und das liturgische Gebetsgedenken“
Weinsberg war ja als Strafe für die Bürger verbrannt worden. Zuerst wollte Erzherzog Ferdinand als damaliger österreichischer Landesherr „Weinsberg zum ewigen Gedächtnis an die Untat nicht mehr aufbauen, sondern wüst liegen lassen“. Auf inständiges Bitten und Flehen wurde er jedoch bewogen, „die Unschuldigen“ in Weinsberg bleiben und bauen zu lassen. Aus den Zeugenverhören waren einige Einwohner als unschuldig herausgegangen. Namentlich benannt wurden der Keller Christoph Binder, der Schultheiß Jakob Schnabel und der Stadtschreiber Augustin Rösslin. Aber auch die Weinsberger, die zur Zeit der Tat nicht dort wohnten oder erst dahinziehen wollten, galten als unschuldig.
Die Stadtrechte und sonstigen Freiheiten wurden Weinsberg entzogen. Es sollte künftig wie ein Dorf sein und so gehalten werden.
Der Zwingergraben vor der Stadtmauer rings um die Stadt sollte eingeebnet werden. Die Pforten und Türme und deren Maueranschlüsse sollten eingerissen werden. An den Stellen, an denen keine Häuser auf die Mauer oder an sie angebaut waren, sollten große Löcher gebrochen werden, die „in Ewigkeit nicht mehr verschlossen werden“ sollten. Rat durfte nur in „bürgerlichen Sachen“ gehalten werden.
„Peinliche Sachen“, also Kriminalfälle, wurden andernorts entschieden. Die Verhandlungen zu den bürgerlichen oder zivilen Sachen mussten unter freiem Himmel, im Sommer wie im Winter – bei Frost oder bei Hitze, bei Regen oder Schnee – auf dem Platz der Bluttat abgehalten werden.
„Zum ewigen Gedächtnis sollen die von Weinsberg jährlich an Ostern vom Aufgang der Sonne, Alt und Jung, Reich und Arm, Männer und Frauen, nämlich diejenigen, die zum Sakrament gehen, niemand ausgenommen, vor den Flecken Weinsberg zum „Platz der Entleibung“ gehen und daselbst ein Amt und zehn Messen durch die Priesterschaft lesen lassen. Dabei soll für zwei Gulden Brot an arme Leute gegeben werden, damit sie für die Seelen der Entleibten beten und auf diesem Platz bis zum Mittag verharren. Auf dem Platz soll auch eine Kapelle erbaut und ein Kreuz und eine Tafel errichtet werden, worauf mit messingnen, vergoldeten Buchstaben die schreckliche Handlung verzeichnet ist und zwar so, wie es von der fürstlichen Durchlaucht oder seiner Regierung ihnen zugestellt werden wird.
Alle ihre Wehr und die Harnische sollen dem Oberamtmann abgeliefert werden, mit Ausnahme von Degen und langen Messern“.
Natürlich war es nicht so, wie es uns in der Schule noch gelehrt wurde, dass die Stadtmauern weitgehend abgebrochen worden seien.
Das war aus anderen Gründen erst im 18. Jahrhundert der Fall. Aber die Torflügel und eventuelle Fallgatter mussten ausgehängt werden. Weinsberg war zum Dorf degradiert worden und offen. Keine Stadt, in deren hohen Mauern bei geschlossenen Toren und hochgezogenen Zugbrücken und Wächtern auf der Mauer und auf Türmen man nachts beruhigt schlafen konnte. Der Spruch „Stadtluft macht frei“ hatte keine Geltung mehr. Diese Freiheit kam nicht aus dem Denken, sondern war die Freiheit des sicheren Wohnens im Schutze hoher Mauern mit entsprechendem Wachpersonal. Jetzt kommen wir auf den für uns bemerkenswertesten Punkt der Arbeit. Die Sühnekapelle, eine der Strafbestimmungen, ist aller Wahrscheinlichkeit nach nie erbaut worden. Ehmer schließt sich hier voll Weismann an, der schon 1959 in seinem Buch „Zur Geschichte der Stadt Weinsberg“ im Kapitel „Die Eroberung und Zerstörung der Stadt und des Schlosses Weinsberg im Bauernkrieg“, schreibt, „die Sühnekapelle, die von den Einwohnern errichtet werden sollte, ist aller Wahrscheinlichkeit nach nie erbaut worden“. Ehmer hält jedoch die beiden Steinkreuze (siehe oben) an der Luthereiche als zu der Bluttat gehörend denkbar. Die Frage muss aber letztendlich offen bleiben.
(Fortsetzung im nächsten Nachrichtenblatt Nr. 25/25)