Weinsberger Blutostern 1525
Geschichte zum Bauernkrieg 1524/25
von Klaus Heiland und Manfred Wiedmann
(Fortsetzung vom letzten Nachrichtenblatt Nr. 29/25)
Helfenstein, der sich zu der Zeit auf der Burg Weinsberg befand, machte daraufhin einen Ausfall und griff einen Teil der durchziehenden Bauern an, die von ihm und seinen Helfern verletzt und auch getötet wurden. Die restlichen Bauern kamen vom Kloster Lichtenstern und zogen im Sulmtal an Weinsberg vorbei in Richtung Neckarsulm, das nur zwei Stunden weit weg war, wo sie vor der Stadt ihr Lager aufschlugen. Man nahm in Weinsberg an, dass sie nicht Weinsberg angreifen, sondern den Neckar abwärts bis nach Wimpfen und weiter ins Fränkische weiterziehen werden. Die Bauern wurden in Neckarsulm als Freunde empfangen. Der Deutsche Orden, der in Neckarsulm sesshaft war und großen Besitz in der Stadt hatte, war bei den Bürgern nicht sehr beliebt. Die in Neckarsulm lagernden reichen Vorräte des Ordens mussten sie dem Bauernheer abtreten. Die Führenden der Bauern nächtigten in der Stadt. Nachdem die Bauern in ihrem Lager in Neckarsulm ankamen, legten sie fest, dass sie die Burg Weinsberg am Ostersonntag, 16.4. überfallen, angreifen und den Grafen und seine Ritter töten werden. Die radikalen Kräfte im Bauernrat, vor allem Jäcklein Rohrbach, drängten nun auf Vergeltung; sie wollten den Grafen in ihre Gewalt bringen und sich an ihm rächen. Die Bauern rechneten auch mit der Unterstützung von auf der Burg befindlichen Mägden und Knechten, die dort tätig waren und ihre Interessen wohlwollend verfolgten.
Lageplan: Amt (Vogtei) Weinsberg ohne Grafschaft Löwenstein (die Grafschaft wurde 1812/15 in das Oberamt Weinsberg eingegliedert)
Die Bauern waren in ihrem Lager sehr aufgebracht, und schickten noch am Karfreitag, am Abend ein Schreiben nach Weinsberg, das an den Grafen und den Bürgermeister von Weinsberg gerichtet war. Es galt als letztes Ultimatum an Weinsberg. Dies Schreiben bleibt unbeantwortet. Ludwig schickte an das Lager der Bauern ein Schreiben, dass er alle Weiber und Kinder der Bauern nach Neckarsulm schicken und ihre Häuser anschließend anzünden werde.
So gut wie Ludwig die Stadttore von Weinsberg hütete, gelang es doch durch eines Weibes List, aus der Stadt vor die Stadtmauern zu kommen. Es war Wolf Nägels Frau aus Weinsberg. Sie kämpfte sich nach Neckarsulm durch und ging ins Lager der Bauern. Sie sagte, sie werde von den Bürgern Ry, Pickel, Beker und Hellermann aus Weinsberg geschickt, die Bauern sollten kommen, sie wollten ihnen die Stadttore öffnen, die Bauern sollten sie nicht in Komplikationen stecken lassen.
Doch die Bauern waren über ein weiteres Schreiben von Ludwig sehr entrüstet: „Die Bauern aus dem Weinsberger Tal wären bereit, die Burg und die Stadt zu stürmen, damit sie fronen (auf Lebenszeit abhängig sein) dürfen“. Daraufhin erhob sich der Bauernhaufen und erklärte Weinsberg „mit großer Furie“ (Rache) anzugreifen.
Die Nacht vor Ostern brach an, Graf Helfenstein und sein erfahrener Kriegsmann Dietrich von Weiler, Obervogt von Beilstein und Bottwar hatten Kunde von einem Überläufer der Bauern erhalten; vom bevorstehenden Angriff der Bauern auf Weinsberg erfahren.
Auch durch einen weiteren Kundschafter wurde dem Grafen am Ostersamstag mitgeteilt, dass die Bauern schon von ihrem Lager in Neckarsulm aufgebrochen seien und es geheißen habe, dass sie bei den Weinsbergern die Ostereier holen wollten.
Die Weinsberger Bürger ahnten, dass es kein friedliches Osterfest geben werde. Ritter und Bürger lagen im tiefen Schlaf, als man vom Burgberg zwei Schüsse hörte. Unterhändler der Bauern hatten am Burgtor die Übergabe der Burg gefordert. Andernfalls wollten die Bauern mit den Burgbewohnern die Ostereier essen. Der Graf nahm die nächtliche Botschaft wohl nicht so ernst, denn er und sein Feldhauptmann legten sich wieder schlafen. Bruder Franz hatte in der Kapelle vor dem Unteren Tor eine Frühmesse gelesen. Er war mit Bürgern der Stadt wieder in die Stadt gelangt, da kam die Kunde, dass ein großes Heer der Bauern in Neckarsulm aufgebrochen und in Richtung Weinsberg unterwegs war.
Am Ostersonntag, den 16.4.1525, frühmorgens, zurzeit der Ostermesse in der Johanneskirche in Weinsberg, zogen etwa 6.000 bis 8.000 Bauern von ihrem Lager in Neckarsulm aus, über Binswangen und Erlenbach und weiter über den Schemelsberg in Richtung Weinsberg. Sie tauchten über dem Schemelsberg kommend, von der Burg aus erkennbar, während des Gottesdienstes in der Kirche auf. Die Bauern mussten schon sehr früh aufgestanden sein, denn um 7.00 Uhr liefen sie vom Feldlager los und benötigen bis zum Schemelsberg fast eine Stunde.
Graf Helfrich wurde in selben Nacht gewarnt, dass sich die Bauern auf Weinsberg am nächsten Morgen vorbereiten würden. Er ließ daraufhin sämtliche Schwachstellen auf der Burg verstärken. Die Burg war nur mit wenigen Rittern und Gehilfen zur Verteidigung der Anlage besetzt. Auch seine Familie war auf der Burg, die als sichere Festung galt. In der Stadt Weinsberg traute er einigen Bürgern zu, dass sie mit den Bauern sympathisieren und sie auch unterstützen werden. Um das zu verhindern, hielt er sich in der Stadt auf, weil er der Meinung war, dass die Burg einem Angriff der Bauern standhalten werde. Er wurde aber in der Stadt, zur Erteilung der Befehle bei der Leitung des Einsatzes der Bewohner und bei der Verteidigung von Weinsberg dringender benötigt als auf der Burg.
Idealbild: Burg und Stadt Weinsberg um 1525
Es galt für Ludwig, die Stadt gegen den Angriff der Bauern zu verteidigen. Er befahl, dass die Tore, Türme und Mauern umgehend besetzt werden, sobald die Besatzer dazu auch umfassend gerüstet sind. Von Tagesanbruch an wurden die Bewohner von Weinsberg daraufhin vorbereitet. Helfrich bewegte sich an allen Ecken und Enden innerhalb der Stadt und sprach den Bürgen für die kommenden und schwierigen Stunden Mut zu. Waffen und Wurfsteine wurden verteilt, Leitern und Einreißhaken, und zu den Löscharbeiten bei Gebäuden auch Löschwasser beschafft. Die Kinder und Kranken wollte man wegen einer eventuellen Bestürmung der Stadt durch die Bauern an einen sicheren Ort außerhalb der Stadt bringen. Dies funktionierte nicht. Am Ostersonntag so gegen acht Uhr morgens erscheint eine Vorausabteilung der Bauern vom Schemelsberg kommend vor den Toren der Stadt Weinsberg. Vom Bauernlager in Neckarsulm aus näherten sich zusätzlich zwei Herolde der Stadt. Sie hatten die Aufgabe, die Stadt aufzufordern, dass sie die Tore öffnen und den Bauern freien Einzug gewähren. Doch in Weinsberg am Unteren Tor angekommen, ließ Dietrich von Weiler auf die Herolde schießen. Einer davon wurde verwundet. Schnell zogen sie sich in ihr Feldlager am Schemelsberg zurück. 60 bis 80 Mann zählt die Truppe Helfensteins; hierzu kommen noch die Bürger der Stadt Weinsberg. Helfenstein erwartete weitere Truppen noch aus Stuttgart. Diese trafen aber nicht in Weinsberg ein.
Bürgermeister Prezel von Weinsberg schlug vor, die Stadttore mehrfach und zusätzlich zu sichern, was aber Helferich ablehnte, weil er mit einer Verstärkung der Tore durch die Soldaten, die die Verteidiger eigentlich entlasten sollten, rechnete. Prezel äußerte sich: „Lasst sie kommen, die Rossmucken, sollen wir sie fürchten“? Auch der Graf beruhigte die Bürger, er sei ja bei ihnen, es würde ihnen schon nichts geschehen. Dann begab sich Helfenstein hinauf zur Johanneskirche. Schon um 7.00 Uhr begann das Hochamt. 40 Bürger von Weinsberg hatten sich in der Kirche eingefunden, um das Sakrament zu empfangen. Pfarrer Lochner verlas das Evangelium und Bruder Franz half bei der Austeilung der Kommunion.
(Fortsetzung im nächsten Nachrichtenblatt Nr. 31/25)