Weinsberger Blutostern 1525
Geschichte zum Bauernkrieg 1524/25
von Klaus Heiland und Manfred Wiedmann
(Fortsetzung vom letzten Nachrichtenblatt Nr. 35/25)
Der Stadtbrand von Weinsberg am Sonntag, 21. Mai 1525
Vorgeschichte
Nach der blutigen Einnahme der Burg und der Stadt Weinsberg, der Ermordung des Grafen Ludwig von Helfenstein sowie weiterer Adeliger durch die Bauern am 16. April 1525 befand sich die Stadt zunächst unter der Kontrolle der aufständischen Bauern aus unserer Region. Die Bürger Weinsbergs waren Zeugen der Gräueltaten geworden und lebten in den Tagen und Wochen danach in einem Klima der Angst. Sie wussten nicht, welche weiteren Plünderungen oder Gewaltakte ihnen bevorstanden, zumal die Bauernheere zu diesem Zeitpunkt in der Region noch stark waren. Die Stadt wurde von den Bauern als Stützpunkt genutzt, was weitere Belastungen mit sich brachte, darunter Einquartierungen und die Sicherstellung der Versorgung für die aufständischen Bauern usw.
Der Stadtbrand in Weinsberg am 21. Mai 1525 war eine Vergeltungsaktion des Schwäbischen Bunds nach dem sogenannten „Weinsberger Blutostern“. Es waren nicht die Bauern, die die Stadt anzündeten, sondern die Truppen des Schwäbischen Bunds unter der Führung von Truchsess Georg III. von Waldburg-Zeil, genannt der Bauernjörg.
Der Stadtbrand von Weinsberg am 21.5.1525
Kriege im Mittelalter waren überwiegend Belagerungskriege, bei denen die Verbindungen von der Burg oder Stadt aus nach außen von den Belagerern abgeschnitten wurden. So war es auch im Bauernkrieg 1525. Zuerst wurde die Burg Weinsberg durch die rebellischen Bauern eingenommen, angezündet und vernichtet. Danach haben die Bauern die Stadt Weinsberg am 16.4.1525 angegriffen, eingenommen, besetzt und 16 Ritter, einschließlich des Burgvogts Graf Helferich von Helfenstein, durch Spießrutenlaufen im Bereich des Lindenplatzes auf grausame Weise ermordet.
Dieses als „Weinsberger Blutostern" in die Geschichte eingegangene Ereignis löste bei den Fürsten und dem Schwäbischen Bund einen Schock und großen Vergeltungswillen aus. Weinsberg hatte um die Zeit des Bauernkriegs etwa 1.500 Einwohner. Daraufhin besetzten die Bauern auf weitere Zeit die Stadt. Die Besetzung von Weinsberg durch die Bauern dauerte 35 Tage. Es ist möglich, dass es um diese Jahreszeit schon einigermaßen warm war. Das Jahr 1525 war witterungsmäßig mittelmäßig. Die Ernte war gut. Das Rebwerk ist zum Teil an Georgii (23. April) erfroren. Aus heutiger Sicht ist es als sicher anzunehmen, dass ein Teil der kriegerischen Bauern in der Stadt Weinsberg vom 16. April an bis 21. Mai 1525 gut lebte, wohnte und nächtigte. Man kann von einer geschätzten Zahl von durchschnittlich 1.000 Mann ausgehen. Sie mussten Tag für Tag mit Essen und Trinken durch die Bürger der Stadt versorgt werden. Sie wohnten und nächtigten auch in der Stadt. Man kann davon ausgehen, dass pro Familie bis zu 8 Bauern einquartiert waren. Dafür hatten die Bürger der Stadt zu sorgen und auch die immensen Kosten zu tragen. Außerdem kann angenommen werden, dass ein kriegerischer Bauer am Tag mindestens einen halben Liter Wein während dieser Zeit getrunken hat. Hierzu sind für die 35 Tage Aufenthalt und für 1.000 Mann (Ein Teil der Bauern besetzten die Stadt Weinsberg in der Zeit vom 16.4.1525 – Einnahme – bis 21.5.1525 – Stadtbrand-.) Bei der täglichen Aufnahme von Personen im besetzten Weinsberg liegen keine historischen Aufzeichnungen vor. Die genaue Zahl der Besatzung schwankte mit Sicherheit täglich. Man kann aufgrund der Erkenntnisse von anderen Stadtbesetzungen davon ausgehen, dass etwa ein 1/6 der Bauern, die Weinsberg einnahmen, die Stadt in der Zeit von 16.4. bis 21.5.1525 sich durchschnittlich in Weinsberg aufhielten. Das sind 6.000 : 6 = 1.000 Mann. Außerdem kann man annehmen, dass ein kriegerischer Bauer am Tag mindestens einen halben Liter Wein während dieser Zeit getrunken hat. Das sind: 1.000 x 35 x 0,5 = 17.500 Liter.
Täglich hatte man mindestens einen Ochsen (vielleicht auch zwei, sie waren damals gegenüber heute mindestens nur halb so groß) schlachten müssen. Das waren für die 35 Tage Belagerungszeit über 30 Ochsen (vielleicht auch Schweine, Schafe und Geflügel usw.) Quasi war das fast eine kleine Viehherde. Beim Grundnahrungsmittel Brot usw. wären bei einem Bedarf von 250 g Brot pro Person und Tag für die Bauern ein Bedarf um 17 Tonnen Mehl. Dazu kam auch noch die gehobene Versorgung und die Unterbringung für die anwesenden Bauernführer. Die Pferde der Bauern usw. mussten zusätzlich mit Heu, Stroh und Kraftfutter versorgt und in Stallungen untergebracht werden.
Auch die Weinsberger Bürger mussten leben
Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der festen und flüssigen Nahrung durch die tägliche Darm- und Blasenentleerung zu entsorgen waren, das sind etwa im Mittel 0,5 + 1,5 = 2 kg/Person und Tag, so sind es bei 1.000 Mann x 2 kg/Person und Tag = 2.000 kg oder 2 Tonnen; und bei 35 Tagen fast 70 Tonnen oder fast 2 bis 3 Toilettenfahrzeuge (heute etwa 30 Tonnen Inhalt pro Fahrzeug)! Und dazu kam noch ein Teil der Bevölkerung der Stadt und der Anteil der Tiere. In Weinsberg duftete es entsprechend. Es gab damals keine Kläranlage oder Kanalisation (nur den „Saubach“).
Die Stadtniederbrennung Weinsbergs war Teil dieser Racheaktion des Schwäbischen Bunds unter der Leitung des Bauernjörg. Die genaue Methode der Brandstiftung ist nicht bis ins Detail überliefert, aber es ist davon auszugehen, dass die Truppen die Stadt systematisch in Brand setzten, indem sie an allen vier Ecken der Stadt Feuer legten. Dies war eine gängige Methode, um eine Stadt schnell und vollständig zu zerstören. Gebäude, insbesondere solche mit viel Holz und Stroh (Dachdeckung), wie es im 16. Jahrhundert üblich war, brannten in kurzer Zeit „in Allmacht“ (vollständig nieder).
Diese Aktion wurde als Strafmaßnahme für das Verhalten der Weinsberger Bürger und als Exempel für andere Städte und Bauern vollzogen, um die Macht der Obrigkeit zu demonstrieren und weitere Aufstände zu unterbinden. Weinsberg wurde dabei weitgehend dem Erdboden gleichgemacht.
Der Bauernkrieg änderte sich dramatisch, als die Fürsten, insbesondere der Schwäbische Bund, eine massive Gegenoffensive starteten. Die Bauernheere, die anfangs Erfolge verbuchen konnten, wurden zunehmend besiegt. Die entscheidende Niederlage der Bauern am 12. Mai 1525 bei Böblingen gegen das Heer des Schwäbischen Bunds unter Georg III. Truchsess von Waldburg-Zeil markierte einen Wendepunkt. Diese Niederlage schwächte die Moral und die militärische Stärke der Bauern erheblich. Viele Bauern flohen und die verbliebenen Bauernrotten oder auch Bauernhaufen genannt, waren im Lande weitgehend zerstreut und desorganisiert.
Im Zuge des Kriegs kam es zu Vergeltungsmaßnahmen gegen die Bauern. Die Bürger Weinsbergs, die diese Geschehnisse hautnah miterleben mussten, waren nicht nur Zeugen der Zerstörung ihrer Stadt, sondern auch der brutalen Wiederherstellung der adeligen Macht. Es war ein tief einschneidendes Erlebnis, das die Ohnmacht der Bevölkerung gegenüber den Mächtigen eindringlich vor Augen führte.
Es lässt sich sagen, dass die Bürger Weinsbergs in dieser Zeitspanne von der Angst vor den unkontrollierten Bauern über die Hoffnung auf ein Ende der Gewalt, die sich aber schnell in Verzweiflung angesichts der blutigen Vergeltung durch den Schwäbischen Bund wandelte, alles durchleben mussten. Für die Weinsberger gab es keine Alternative.
Nachdem der Schwäbische Bund die Bauern in Böblingen besiegt hatte, rückte das Heer Mitte Mai 1525 in Richtung Unterland und Weinsberg vor. Die Stadt Weinsberg wurde nun zum Schauplatz der Racheakte des siegreichen Adels. Für die Bürger Weinsbergs bedeutete dies einen Übergang von der Herrschaft der Bauern zur rücksichtslosen Wiederherstellung der alten Ordnung, der adeligen Obrigkeit.
Die Bestrafung der Weinsberger war exemplarisch und sollte eine für alle Rotten abschreckende Wirkung haben. Dadurch wurde die Ordnung der adeligen Obrigkeit wiederhergestellt. Man machte die Stadt für die Ereignisse vom 16. April 1525 kollektiv verantwortlich, auch wenn viele Bürger selbst Opfer und zwangsweise unbeteiligte Zeugen gewesen waren. Am 21. Mai 1525 wurde die Stadt Weinsberg und weitere Nachbargemeinden von den Truppen des Schwäbischen Bunds, unter der Leitung von Graf Ulrich von Helfenstein, Bruder des ermordeten Grafen Ludwig-Helferich, in Brand gesteckt und fast vollständig zerstört. Für die Bürger bedeutete dies den Verlust ihrer Häuser und ihrer Existenzgrundlage. Sie erlebten dadurch die systematische Zerstörung ihrer anvertrauten Heimat.
Dillenius schreibt in seiner Chronik über Weinsberg von 1860 über den Stadtbrand von Weinsberg Folgendes:
„Das Heer des Schwäbischen Bunds stand am 21.5.1525 vor den Toren der Stadt Weinsberg. Sie fanden nichts als Weiber, Kinder und Greise darin. Diese wurden verwarnt, herauszugehen; auch das Sakrament ließ man heraustragen. Einen alten Mann, der nicht herauswollte, und zwei Kindbetterinnen schleppten die Knechte mit Gewalt heraus. Dann wurde das Städtchen an drei Enden angezündet „und sind da etliche Weiber verbrannt, die auf die Warnung nicht haben von ihrem Gut gehen wollen“.
Vom Vieh und altem Gerät durfte weder ein Kriegsknecht noch eines der Ausgetriebenen das Geringste nehmen. „Und wenn sie voller Nobel gewesen wären, die Stadt und alles Gut darin war zum Feuer verurteilt“. Fürchterlich war das Gebrüll des verbrennenden Viehs und das Geheul der unschuldigen Alten, der Weiber und Kinder, die ihre Wiegen und ihre letzte Habe vor ihren Augen verbrennen sehen mussten. Weithin hörte man es und in der Ferne leuchten. Fünf umliegende brennende Dörfer: Erlenbach, Binswangen, Gellmersbach, Sülzbach und Ellhofen – welche wie andere im Tal und wie Weinsberg vom Boden weggebrannt wurden. Der Himmel aber über dem Weinsberger Tal war in jener grässlichen Nacht ein Feuermeer. Zehn Häuschen waren nach dem Erlöschen der Flammen von der unglücklichen Stadt allein noch unverbrannt zu sehen. Auch die schöne alte Kirche ward ausgebrannt und das ältere Archiv der Stadt ging in den Flammen zugrunde“ (soweit Dillenius).
(Fortsetzung im nächsten Nachrichtenblatt Nr. 37/25)