Vorgestellt: Tongrubensee in Gochsheim ist Naturschutzgebiet

Wo sich Amphibien, Vögel und Libellen tummeln Auf der rund 80 Quadratkilometer großen Gemarkung der Stadt Kraichtal, das etwa zwei Drittel als Landschafts-...
Der Tongrubensee liegt in einem Naturschutzgebiet - baden verboten!
Der Tongrubensee liegt in einem Naturschutzgebiet - baden verboten!Foto: hjo

Wo sich Amphibien, Vögel und Libellen tummeln

Auf der rund 80 Quadratkilometer großen Gemarkung der Stadt Kraichtal, das etwa zwei Drittel als Landschafts- oder Naturschutzgebiet ausgewiesen hat, gibt es neben dem idyllisch gelegenen Pfannwaldsee in Oberöwisheim ein weiteres Gewässer, das zu den schönsten in der Region zählt.

Der Tongrubensee in Gochsheim wurde, wie so viele Baggerseen, die besonders in der Rheinebene zu finden sind, von Menschenhand geschaffen und ist heute ein fast verstecktes, 1986 durch das Regierungspräsidium Karlsruhe ausgewiesenes, Naturschutzgebiet. Das heißt, es darf weder gebadet noch dürfen andere Freizeitaktivitäten durchgeführt werden – obwohl sich manche Zeitgenossen auch schon mal über das Verbot hinwegsetzten. Doch wie entstand der See? Da im Kraichgau im Gegensatz zur Hardt kein Kies vorkommt, entstand der See durch den Abbau von Ton, der viele Jahre lang als Rohstoff für die Ziegelfertigung im nahen Betriebsgelände der Firma Bott genutzt wurde. In den vergangenen Jahrzehnten wurden in Deutschland nahezu alle Tongruben stillgelegt. Die Natur eroberte sich ihr Terrain zurück und die Gruben füllten sich rasch mit Wasser.

Frauen und Gastarbeiter beschäftigt

So entstanden nicht wenige Naturschutzgebiete – so auch in Gochsheim mit einer rund 15 Hektar großen Fläche. Andere Tongruben wie die in Frauenweiler, einem Ortsteil von Wiesloch, wurden später zu Fundstätten für Fossilienjäger, wobei man dort, u. a. durch Hobby-Archäologen aus Waghäusel, schon vor Jahren die ersten europäischen Versteinerungen von Kolibris entdeckte. Neben Rauenberg, wo der Ton mit der Feldbahn (Lorenbahn) aus der Grube Frauenweiler in die Produktionsanlagen zur Weiterverarbeitung transportiert wurde, stand also auch in Gochsheim ein Ziegelwerk, ebenfalls von der Firma Bott GmbH. Während in Rauenberg rund 250 Menschen in Lohn und Brot standen, waren es in Gochsheim „mehr als Hundert“, wie aus alten Dokumenten hervorgeht. In seinem Buch „Kraichtal – die Geschichte seit 1945“ (Verlag regionalkultur) schreibt Historiker Karl-Heinz Glaser: „Die Arbeit bei Bott war hart. Umso erstaunlicher, dass hier sehr viele Frauen beschäftigt waren. Der Ofenmeister der Ziegelei stammte aus Italien und warb in den 60er-Jahren auch Arbeiter aus seinem Heimatland an. Später kamen Gastarbeiter aus Spanien und Griechenland hinzu.“

Historie

Die Stadtarchive in Bruchsal und Gochsheim würden hierzu relativ wenige Unterlagen enthalten, „was angesichts der Größe der Firma verwundert. Schließlich waren in Gochsheim bis zu 200 Mitarbeiter in der Ziegelei beschäftigt – ein Segen für die Gemeinde und die ganze Region!“ Aktenkundig sei lediglich der Bau einer neuen Werkshalle im Jahr 1970, denn das Unternehmen wollte dazu einen Gleisanschluss zur Nebenbahn Bruchsal-Menzingen bauen. „Dieser kam jedoch damals aufgrund der zögerlichen Haltung der Stadt Gochsheim nicht zustande. Das neue Bott-Werk wurde nach dem Konkurs 1973 von der Firma Refratechnik übernommen und dieses Unternehmen erhielt 1979 auch einen Gleisanschluss“, so Glaser in seinen Ausführungen.

Ton, der im feuchten Zustand aussieht wie Lehm und sehr gut formbar ist, ist das Material, aus dem seinerzeit die Dachziegel gemacht wurden. Zur Entstehungsgeschichte des Materials Löß und Lehm hat Forscher Gernot Umminger aus Freiburg in seinem Aufsatz „Der Kraichgau – eine alte Durchgangslandschaft“ schon vor Jahren interessante Bausteine zusammengetragen und festgestellt, dass eine zeitliche Einstufung des Lößes und der ihn begleitenden Fließbildungen und Verlehmungszonen schwierig ist. Da das Eiszeitalter eine noch nicht genau bekannte Anzahl von Kalt- und Warmzeiten umfasst, gibt es „verschieden alte Löße und Verlehmungszonen“.

Zur Ziegelfertigung

Nachdem der Ton gebrannt wurde, wird er hart wie Stein, wobei die Form beim Brennen erhalten bleibt. Die Farbe jedoch ändert sich und der Ton wird „ziegelrot“. Während die Produktion in Rauenberg 1969/70 eingestellt wurde, war 1976 in Gochsheim Schluss mit dem Abbau Lehm und Ton. Ende 1986 wurde das ganze Gelände mit der großen Werkshalle Naturschutzgebiet. Heute führt ein kleiner Wanderweg rund um den See, wobei Bänke zum Verweilen einladen. Über Trampelpfade, Bäume und Sträucher geht es durch das Unterholz und plötzlich liegt er da – der an den Ufern teils mit Schilf, Weiden oder Rohrkolben bewachsene Tongrubensee. Dieser Bereich bietet wertvollen Lebensraum für Amphibien wie Frösche und Kröten, Eidechsen, Blindschleichen, Vögel oder Libellen und sollte für Spaziergänger oder badewillige Besucher tabu sein. (hjo)

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion Nussbaum
19.06.2024
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