Artikel und Bilder: Gabriele von Kries
Die DFG lud in die Aula des Fürstenberg Gymnasiums Donaueschingen zum Vortrag von Frau Marie-Noelle Kreilos ein.
Nicole Nivoley, Präsidentin der DFG, stellte Frau Kreilos vor und begrüßte die mehr als 120 interessierten Besucher und bedankte sich beim Gastgeber Herrn Mario Mosbacher.
Frau Kreilos referierte mit dem nötigen Humor über das Leben im Elsaß zwischen 1871 und 1945 aus der Sicht ihrer Familie. In dieser Zeit erlebten die Bürger dreimal den Wechsel der Staatsangehörigkeit, der Sprache, der Verwaltung, des Militärs und des Schulsystems. Ihre Familie stammt aus der Garnisonsstadt Saverne.
Am Ende des 30-Jährigen Krieges kamen Elsass und Lothringen mit dem Westfälischen Friedensvertrag 1648 zum französischen Königreich. Paris war weit weg und Elsass-Lothringen eine Randregion, an der man dort nicht interessiert war.
1871 mit dem Sieg Deutschlands über Frankreich wurden beide im Deutschen Reich eingegliedert. Wilhelm I und Otto von Bismarck hatten dort die Macht. 166.000 Menschen aus der Region wanderten nach Frankreich in die Bretagne, Südfrankreich oder Algerien aus.
Für die Verbliebenen griff die Germanisierung durch: Die Schulpflicht wurde eingeführt, die französische Sprache verboten. Der erst 3-jährige und später 2-jährige Wehrdienst wurde eingeführt und die Rekruten weit ins deutsche Mutterland geschickt. Die Reichsmark ersetzte die französische Währung. Für die Verwaltung wurden Deutsche aus dem Mutterland bevorzugt, weil man den Einheimischen misstraute. Das Militär war überall gegenwärtig. Elsass wurde zum touristischen Ziel der Deutschen. Elsässer fühlten sich als Bürger 2. Klasse. Viele frankophile Elsässer, wie z. B. ihr Großvater, ließen ihre Kinder heimlich in der französischen Sprache unterrichten und schickten sie, wenn möglich, in verbliebene französische Internate.
1913 entstand die „Zaberner Affäre“, die zu einem großen Aufruhr im Reich führte.
Der Leutnant Günter von Forstner erregte die Öffentlichkeit wegen seiner Empfehlung an seine Rekruten, die „Wackes“ (Elsässer) zu erstechen.
Ihr damals achtjähriger Vater erzählte, der Leutnant sei inkontinent gewesen und von den Kindern als „Hosenschisser“ gehänselt worden, worauf dieser den Befehl gegeben haben soll, auf sie zu schießen.
Während des Krieges 1914-1918 dienten viele Elsässer in der Deutschen Armee, was oftmals zu Spannungen bis in die Familien hinein führte.
Mit dem Versailler Vertrag 1919 wurden Elsass-Lothringen wieder französisch. Die französische Dritte Republik griff hart durch. Französisch wurde zwangsunterrichtet. Deutsch und Elsässisch wurden verboten. Das Schulsystem änderte sich wieder. Den Elsässern misstraute man wieder.
1940 fiel Hitler ungehindert in Frankreich ein. Er umrundete die Maginot Linie, indem er über Belgien nach Paris einfiel. Elsass und Lothringen waren wieder deutsch. Wer wollte, konnte offiziell nach Frankreich. Dafür musste er auf jegliche Rückkehr verzichten. Ihr Vater verließ das Elsass heimlich und wurde Lehrer in der Bretagne, weshalb er später von der deutschen Polizei behelligt wurde. Für die Zurückgebliebenen war das Leben unter Nazideutschland wieder ein Martyrium. Man witterte überall Verräter.
1944 landeten die Amerikaner in der Normandie. Die Französische Regierung floh nach Sigmaringen. 1945 wurden Elsass und Lothringen wieder französisch. Viele Elsässer kamen aus Deutschland mit erlaubten 30 kg Gepäck heim ins Elsass. Andere wählten Deutschland als ihre Heimat.
Diese leidvolle, wechselhafte Geschichte führte dazu, dass sich viele Elsässer bis heute heimatlos fühlen.
Bei einer kurzen Pause trug Frau Töpfner ein Gedicht aus dem Elsass vor: „Das Riesenspielzeug“ von Adalbert von Chamisso. Diese elf Verse habe ich selbst im norddeutschen Hannover in der Schule gelernt.
Nicole Nivoley sprach noch kurz ein paar Dankesworte. Sie überreichte Blumen und Wein an Frau Kreilos. Herr Mossbacher bekam Wein für die Überlassung der Räumlichkeiten und das Publikum freute sich über ein kleines Büfett, das die Gesellschaft anbot. Man genoss noch bei einem Glas Sekt und guten Gesprächen den ausklingenden Abend.