„Nicht jeder Künstler erlebt posthum einen solchen Rummel“, sagt Leonie Beiersdorf. „Das zeigt, wie sehr uns diese Kunst heute noch berührt.“ Sie spricht bei junge alte im Rahmen der Evangelischen Erwachsenenbildung im Gemeindezentrum Am Zwinger in Durlach über „Von Schönheit und Melancholie - Mit den Augen Caspar David Friedrichs in der Natur“.
Leonie Beiersdorf ist promovierte Kunsthistorikerin und seit 2018 Kuratorin bei der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe für die Abteilung „Neuere Malerei und Plastik des 19. bis 21. Jahrhunderts." Caspar David Friedrich gelte heute als bedeutendster Maler der deutschen Romantik, sagt die Referentin.
Er wird 1774 in einfachen Verhältnissen in Greifswald geboren. Schon als Kind verliert er Mutter, Schwester und Bruder, hat also traumatische Begegnungen mit dem Tod. Zum Studium geht er nach Kopenhagen. Dort steht die zeichnerische Darstellung des Menschen im Zentrum der Ausbildung. Später kommt er an die Kunstakademie Dresden, an der er als Professor lehrt. 1818 heiratet er Caroline Bommer. Das Paar bekommt drei Kinder. 1835 erleidet Caspar David Friedrich einen Schlaganfall. 1840 stirbt er. Auf Wanderungen habe er zeitlebens Eindrücke für seine Bilder gesammelt, so Leonie Beiersdorf. Eines seiner bekanntesten Werke sei „Wanderer über dem Nebelmeer“, das um 1818 entstanden ist. Es zeigt - und das sei typisch für seine Arbeiten - eine Rückenfigur, die in altdeutscher Kleidung auf aus dem Nebel ragende Berggipfel schaut.
„Das Thema seiner Kunst liegt zwar draußen in der Natur“, erläutert Leonie Beiersdorf. „Ihr liegt eine doppelte Bewegung, nämlich von innen nach außen und dann von außen nach innen, zugrunde.“ Die Natur biete also nur die Anregung. Das Eigentliche liege im Inneren des Malers.
Rund 30 Werke von Caspar David Friedrich stellt sie vor, darunter das Gemälde „Mönch am Meer“, das, wie sie sagt, 1808 bis 1810 entstanden ist. Es ist horizontal in Land, Meer und Himmel, also in drei Elemente, gegliedert. Alles, was zum Meer gehören könnte, etwa Schiffe, ist weggelassen. „Es ist ein sehr berührendes Bild“, sagt sie. „Die Farbe zieht einen hinein. Es gibt keine Begrenzung für das Auge.“ Die Vereinzelung der Rückenfigur werde konfrontiert mit der, aus damaliger Sicht, Erhabenheit der Schöpfung. Mit diesem Bild habe Caspar David Friedrich die Vorstellung, die zu jener Zeit von Landschaftsmalerei herrschte, unterwandert. Das Bild ist misst 110 × 171,5 Zentimeter.
Aus dem Fundus der Staatlichen Kunsthalle stammt ein „zauberhaftes Kleinchen“, wie Leonie Beiersdorf sagt. Sie präsentiert das 22 Zentimeter hohe und 31 Zentimeter breite „Felsenriff am Meer", das 1824 entstanden ist. „Hier wird der Blick von der kreisrunden Bucht im kargen Land im Vordergrund hinaus aufs Meer gelenkt“, analysiert sie. "Es entsteht eine unglaubliche Tiefe durch einen kleinen Trick: Der Maler hat das Licht hinten auf die Meeresfläche gesetzt.“
Caspar David Friedrich habe ein neues, romantisches Verständnis von Mensch und Natur geschaffen, resümiert Leonie Beiersdorf. „Er führte die Gattung Landschaftsmalerei an die Schwelle der Moderne und in neue Sphären.“ Sein Werk werde bis heute kontrovers diskutiert. Fragen stellten sich, ob es religiöse oder politische Arbeiten seien oder die Werke eines apolitischen Melancholikers mit eigenen Vorstellungen. „In jedem Fall begeistert er bis heute ganz unterschiedliche Typen von Betrachtern“, so Leonie Beiersdorf. (rist)