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Vortrag über Egon Eiermann (1904 bis 1970)

Bekannt und doch über sein Wohnhaus neu entdeckt „Mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod hat er in der Fachwelt den unbestrittenen Ruf, einer...
Steffen Schmid, Leiter der Regionalgruppe Karlsruhe des Landesvereins Badische Heimat e. V., Hildegund Brandenburg, die Vorsitzende des Vereins Die Orgelfabrik – Kultur in Durlach e. V. und Autor Gerhard Kabierske (von links) freuten sich über die sehr gut besuchte Veranstaltung.
Steffen Schmid, Leiter der Regionalgruppe Karlsruhe des Landesvereins Badische Heimat e. V., Hildegund Brandenburg, die Vorsitzende des Vereins Die Orgelfabrik – Kultur in Durlach e. V. und Autor Gerhard Kabierske (von links) freuten sich über die sehr gut besuchte Veranstaltung.Foto: war

Bekannt und doch über sein Wohnhaus neu entdeckt

„Mehr als ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod hat er in der Fachwelt den unbestrittenen Ruf, einer der zentralen Architekten der deutschen Nachkriegszeit gewesen zu sein.“ Das sagte der promovierte Kunsthistoriker Gerhard Kabierske. Am Mittwoch der vorvergangenen Woche präsentierte er Auszüge aus seinem Werk „Egon Eiermann, Haus Eiermann Baden-Baden."

Nicht als Vortrag, sondern als Buchpräsentation gestaltete Gerhard Kabierske den Abend. Er ist nicht nur promovierter Kunsthistoriker. Er war auch Stadtkonservator in Karlsruhe. Anschließend war er bis 2020 am Südwestdeutschen Archiv für Architektur und Ingenieurbau (saai) am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Schwerpunkte seiner Arbeit bildeten der Aufbau des Archivs zu einer der größten Einrichtungen seiner Art im deutschsprachigen Bereich sowie Ausstellungen und Publikationen zur Architektur des 19. und 20. Jahrhunderts. Seit 2000 ist er Vertreter des Landesvereins Badische Heimat in der Jury für den Denkmalschutzpreis Baden-Württemberg. Seit 2006 ist er Vorsitzender der Jury. Am saai war er unter anderem für das umfangreiche Werkarchiv Eiermann zuständig. Er gilt daher als Eiermann - Experte.

Bekannt

Nicht nur in der Region die Matthäuskirche im Pforzheimer Stadtteil Arlinger, sondern auch Großbauten in ganz Deutschland umfassen sein Repertoire. „Bekannt sein dürfte er Ihnen am ehesten wegen der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin, ein auch politisch emblematischer Bau für westliche Präsenz im damals dramatisch eingeschlossenen West-Berlin. Die Baugruppe am Kurfürstendamm war bei der Einweihung 1961 ungemein modernistisch - stereometrisch strenge Einzelbaukörper mit Wabenfassaden umgeben in bewusstem Kontrast die erhaltene Turmruine der kriegszerstörten neoromantischen Kirche. Anfängliche Kritik verstummte angesichts der beeindruckenden Raumwirkung mit intensiv blau leuchtenden Glasfenstern, die auch heute noch die Berlin-Touristen magisch anziehen.“ Das sagte Gerhard Kabierske. „Andere Werke von ihm wie der Deutsche Pavillon auf der Weltausstellung Brüssel 1958, die Deutsche Botschaft in Washington, das Abgeordnetenhaus des Deutschen Bundestags in Bonn oder Konzernzentralen von führenden Unternehmen wie Neckermann und Olivetti in Frankfurt oder IBM in Stuttgart demonstrieren schon von den repräsentativen Bauaufgaben her Eiermanns exponierte Stellung in der Architekturszene seiner Zeit. Er war ein Player auf nationalem Parkett, der global rezipiert wurde.“

Das eigene Wohnhaus

Das im Buch großflächig beschriebene Haus, das Egon Eiermann für sich und seine Familie in den Jahren 1958 bis 1962 gebaut hatte, befindet sich in Baden-Baden. Abgesehen davon, dass er das Haus ohne Rücksicht auf Bauherrenwünsche hatte realisieren können, bekam es eine übergreifende Rolle als Demonstrationsobjekt. Es habe unter den Karlsruher Studenten und Studentinnen der 1960er-Jahre einen geradezu legendären Ruf genossen. In Vorlesungen habe Eiermann ihnen seine Entwurfsprinzipien vorgestellt. Als Abschluss des Grundstudiums hatten sie die Aufgabe, „Das eigene Haus“ zu entwerfen. Viele pendelten von der Neugier getrieben zu seinem Haus, mussten aber eher draußen bleiben. Anekdotenreich ging es im Vortrag weiter. „So ungeniert er in der Vorlesung vor vollem Hörsaal seine Hose herunterlassen konnte, um seine selbst entworfene Kombiwäsche aus Hemd und Unterhose und deren funktionale Vorteile vorzuführen, so wollte er doch in den raren privaten Stunden, die ihm angesichts gravierender Arbeitsüberlastung bei angeschlagener Gesundheit blieben, eher nicht gestört werden.“

Persönliche Erfahrungen

1970 war Hildegund Brandenburg Eiermanns letzte Diplomandin. Sie desillusionierte das Publikum und sagte, dass „der Meister“, wie ihn unter anderem ein anderer Weggefährte, Oberkonservator a. D. Andreas Vorbach, genannt hatte, „solch ein Haus mit so großen Fenstern“ nicht mehr habe bauen wollen, sondern eher eines mit einem kleinen Schlitz, bei dem er das Wetter sehe. Schließlich könne er sonst rausgehen. Er hätte lieber eine Fabrikhalle mit Wohnwagen für jedes Familienmitglied einzeln gebaut. (war)

Info:

Gerhard Kabierske (Autor) und Horstheinz Neuendorff (Fotograf): Egon Eiermann, Haus Eiermann, Baden-Baden (Opus, 87), Herausgeber: Edition Axel Menges; 1. Edition (1. November 2023), Sprache: Englisch, Taschenbuch, 72 Seiten, 36 Euro, ISBN-10: ‎3932565878 und ISBN-13‏: ‎978-3932565878

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