Hemsbach bewirtschaftet seinen Wald mittlerweile nach naturnahen Gesichtspunkten. Und der Wald sieht gut aus. Das konstatierte Dr. Lutz Fähser, ein ausgesprochener Fachmann auf diesem Gebiet, als er kürzlich auf Einladung des BUND Hemsbach-Laudenbach in der Stadt zu Gast war. Hörte man seinen Worten genau zu, war aber auch klar: Luft nach oben gibt es beim Thema naturnahe Waldbewirtschaftung immer.
Lutz Fähser ist diplomierter Forstwirt. Er ist auch ein Mann, der das Denken rund um den Wald maßgeblich geprägt hat. Fähser legte in den 1990er-Jahren die Grundsteine des Lübecker Modells, das sich dem Wald als komplexem System annimmt und dabei Ökologie und Ökonomie verbindet. Allerdings durch ein Weniger denn Mehr. Heißt konkret: weniger Eingriffe in das System. „Die Natur organisiert sich optimal. Wenn wir eingreifen, können wir Effekte nur vermindern, nie verbessern“, sagte Fähser und bezog sich dabei auch auf erste Studien des Forstwissenschaftlers Heinrich Cotta, der Anfang des 19. Jahrhunderts zum gleichen Ergebnis kam. Bisherige Forstwirtschaft, so machte Fähser in seinen Ausführungen vor ca. 30 Gästen im Saal der Bonhoeffer-Gemeinde deutlich, hätten dem Wald eher geschadet. „Nach meiner Überzeugung müssen Forstwirtschaft und Naturschutz Schadensbegrenzung betreiben“, trat er für seltene und spärliche Eingriffe in das System Wald ein. Statt 20 Eingriffen in 100 Jahren nur noch zwei bis drei, so die Auffassung des Experten. Alles andere verhindere den Wald, der sowieso erst entsteht, wenn der Forst beginnt, älter zu werden. „Aber dann fällen wir“, verwies Fähser auf bisher gängige Praxis. Die entspringt der Struktur, die Förster angehalten sind, in ihre Reviere zu bringen, nahm er dabei den Gesetzgeber in die Verantwortung. Dass man sich dabei auf Modellszenarien zur Zukunft in Zeiten des Klimawandels stützte, machte es für den Fachmann nicht besser. Durch den Klimawandel sei Waldwirtschaft ein Raum, der unbestimmt und unsicher sei. „Wir arbeiten in einer Blackbox“, machte er deutlich.
Besser als Szenarien sei der Blick in Urwälder, in die Natur selbst, die zeige, wie sie sich wandelt und welche Maßnahmen sie ergreift. „Dynamik statt Struktur“, warb er für ein Umdenken, dafür, sich der Natur anzupassen, statt sie zu machen. „Damit haben wir die größte Chance, den geringsten Schaden anzurichten.“ Und gerade diese Art der Bewirtschaftung sei naturnah. Dazu gehöre laut Ökologen auch mehr Biomasse, also mehr Bäume statt der Ausdünnung. Fähser bezifferte die fehlende Dichte auf 50 Prozent. Naturnahe Bewirtschaftung erfordere ebenso die gesamte Informationspalette des Genpools aller Organismen. „Da dürfen wir nichts ausschließen“, stellte er sich gegen die bestimmende menschliche Hand, die entscheidet, was wachsen darf. Und genauso bedürfe es der Kommunikation des Systems. Das funktioniert nur, wenn nicht alle Jahre Schneisen geschlagen werden, die die Kommunikation in den verbundenen Wurzeln kappen, war Fähser wieder bei der Reduzierung der Eingriffe angelangt.
In Hemsbach habe man sich bereits auf den Weg gemacht. Lutz Fähser blickte auf das Förderprogramm „Klimaangepasstes Waldmanagement“, in das Hemsbach 2024 aufgenommen wurde. Dabei steht zum Beispiel die Naturverjüngung vor der Pflanzung. Kahlschläge sind auf einen Hektar reduziert und indem man bereits 2022 eine Fläche von 12,3 Hektar aus der Bewirtschaftung herausgelöst hatte, sorgt man für ein Waldrefugium, in dem die Waldwirtschaft nicht eingreift. „Es wurde in Hemsbach schon viel erreicht“, zeigte sich Felix Kokocinski, Co-Vorsitzender des BUND Hemsbach-Laudenbach durchaus zufrieden. Darauf möchte man aufbauen, so Kokocinski. Ziel sei, dass Waldwirtschaft erreiche, dass der Wald seine Leistungen von Erholungsort über Holzlieferant bis hin zum Hochwasserschutz und Artenvielfalt auch in Zukunft zur Verfügung stellen könne. Und sich nicht zuletzt Ökologie und Ökonomie verbinde.
Das sah Lutz Fähser bei einer naturnahen Waldwirtschaft durchaus als gegeben. „Wer das meiste Geld verdient, minimiert die Kosten“, so Fähser, mit dem Hinweis darauf, dass jeder Eingriff Kosten verursache. Mit Blick auf mehr als 20.000 Euro, die Hemsbach durch Aufnahme in das Förderprogramm erhält, machte er deutlich, dass man am Ende das meiste Geld fürs weniger tun bekommt. Und eins stellte Lutz Fähser auch klar: In Wäldern in der Ried oder in Darmstadt gehe es jetzt ums Überleben. „Hier gilt umso mehr: Wir müssen ihnen eine Pause gönnen zur Erholung.“ Zugunsten des Menschen selbst, denn, so sagte Fähser, Naturschutz sei letztlich Lebensschutz – für den Menschen. (cs)