Wieso steht im Erker in der Hauptstraße 118 in Wiesloch eine weiße Madonna? Diese und viele andere Fragen konnte Hansi Rau bei der Eröffnung der „Wanderausstellung Kleindenkmale“ im Foyer des Wieslocher Rathauses beantworten.
Wie der ehrenamtliche Mitarbeiter Hansi Rau vom Projekt „Kleindenkmale“ erläuterte, habe hier einmal eine barocke Statue gestanden, die aber aus Angst vor einem Diebstahl irgendwann entfernt worden sei. 2017 habe dann der Künstler Antal Sandor die neue Plastik der Stadt geschenkt. In der ehemals kurpfälzisch evangelischen Stadt habe es mehrere solcher Erker gegeben, die Katholiken errichtet hatten, um für ihre Religion „Werbung zu machen“.
Die Madonna war eines der fünf Kleindenkmale, die Rau im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Kreisarchives mit dem Landesdenkmalamt in Wiesloch entdeckt und dessen Geschichte ausgegraben hatte. Ein weiteres war der Gründungsstein von Frauenweiler, der als Bodenplatte in einem privaten Garten gefunden wurde. Er lag so zusagen auf dem Gesicht und die Inschrift „Frauenweiler wieder errichtet im fünften Jahre der Nationalsozialistischen Erhebung 1937“ damit nicht lesbar. Weiterhin fand er heraus, dass das östliche Stadttor an der Oberen Hauptstraße/Heidelberger Straße, von dem es noch eine Zeichnung gibt, 1840 abgerissen wurde, weil es für die damals in Mode gekommenen Pferdekutschen zu eng und zu niedrig war. Er entdeckte auch Spuren des Kurbrunnens in Frauenweiler und einen Lochstein, wie die Grenzsteine beim Bergbau bezeichnet wurden, an dem das Symbol „Schlägel und Eisen“ spiegelverkehrt angebracht worden war. Bei der Skulptur auf dem Wieslocher Kirchplatz kann er nachweisen, dass es sich nicht um den Ritter Konrad, sondern um Heinrich Swendinger von Wissenlo handelt, der hundert Jahre später lebte.
Klaus Kistl war auf Kleinkunstsuche in Baiertal unterwegs. Er stellte fest, dass das Feldkreuz am Akazienweg noch bis 1936 in Wiesloch stand, dort hinderte und von einem Bauern an den jetzigen Platz transportiert worden war. Ein verblichenes Schwarz-Weiß-Foto zeigt sechs junge Damen, die auf dem Geländer der ehemaligen „Judenbrücke“ sitzen. Diese galt als Grenze, wie weit sich am jüdischen Ruhetag, dem Schabbat, die Gläubigen im Ort bewegen durften. Vom anwesenden Bürgermeister Ludwig Sauer erfuhren die Ausstellungsbesucher, dass der Baiertaler Künstler Pit Elsasser hier eine Gedenktafel aufstellen werde. Eine ganz besondere Rarität ist ein Grenzstein in der Hirschgasse, auf dem das Wappen der Adelsfamilie von Bettendorf aus dem 16./17. Jahrhundert zu sehen ist.
Nicht vorgetragen wurden die Funde von Klemens Schmid in Schatthausen. Er erfasste und erforschte unter anderem den Gedenkstein zum 700-jährigen Bestehen der ehemals selbstständigen Gemeinde, die Skulptur "Esel" am Dorfbrunnen, die auf den Uznamen der Bewohner anspielt, den Eckpfeiler der alten Schmiede in der Ortsstraße, das Mühlrad der ehemaligen Schatthäuser Mühle, das Sammelgrab für acht Gefallene des 2. Weltkriegs und das Grab des Philipp Ludwig von Roman.
Alle drei Heimatforscher haben mit ihrem Tun zur systematischen Erfassung der Kleindenkmale in unserer Region beigetragen, wie die Projektleiterin Marlene Kleiner vom Rhein-Neckar-Kreis in ihrer Ansprache erläuterte. In den Katalog aufgenommen würden Objekte, die für die Ortsgeschichte von Bedeutung sind, außerdem aus dauerhaftem Material bestehen, menschengemacht und ortsfest. Weil die Standorte oft versteckt und ihre Entstehungsgeschichten oft nur mündlich überliefert wurden, sei die Denkmalpflege auf die Mitarbeit der Menschen vor Ort angewiesen. In Wiesloch mit den Ortsteilen sei die Erfassung jetzt erfolgreich abgeschlossen, so auch in weiteren 20 von insgesamt 54 Kommunen.
Die begleitende Plakatausstellung gibt Hinweise für jedermann, was es zu entdecken gibt, wenn man mit der „Kleindenkmal-Brille“ durch den Ort geht. So findet man am Wieslocher Alten Rathaus noch einen Pranger, der auf die frühe städtische Gerichtsbarkeit hinweist, am Wilhelmsberg hinter den PZN-Kliniken einen Wasserhochbehälter mit Jugendstil-Fassade, im benachbarten Meckesheim eine Tafel, die an den Frauenarzt Adolf Kehrer erinnert, der mit dem ersten quer verlaufenden Kaiserschnitt Medizingeschichte schrieb. Und in Waibstadt „Stundensteine“ aus dem Jahr 1817, die nachdrücklich warnten, Bäume zu beschädigen. Auf einer Informationstafel wird erklärt, wie man Kleindenkmale entdeckt und ihr Aussehen und die Geschichte dokumentiert, auf einer anderen, wie Interessierte selbst „Teil des Kleindenkmal-Projektes“ werden.
Bürgermeister Sauer hatte vor der Begrüßungsansprache um eine Gedenkminute für den ermordeten Polizeihauptkommissar Rouven Laur gebeten. Am Ende dankte er allen Mitwirkenden für ihr Engagement und sprach den Wunsch aus, eine Broschüre über die Kleindenkmale in Wiesloch erstellen zu lassen, sofern es die angespannte Finanzlage der Stadt zulasse. (aot)