Kreisverkehrskunst

Warum der Stelzenläufer das Rennen gemacht hat

Die Wogen der Empörung werden nur langsam flacher.
Stelzenläufer
Der Entwurf wurde oft gescholten.Foto: bra

Es gibt Kritik an der Auswahl des neuen Kunstwerks für den Hirschkreisel. Im Gespräch mit dieser Zeitung erklären die Sport- und Kulturamtsleiterin Anna Reukauf, Lother Weccard (Stadtrat und Mitglied in der Findungskommission) sowie die Direktorin der Kunsthalle Göppingen, Melanie Ardjah, warum sie den Stelzenläufer des Künstlers Andreas Futter für eine gute Entscheidung halten.
Es steht noch nicht, da ist die Empörung vielerorts groß. Vor allem im Internet echauffieren sich zahlreiche Menschen teilweise in einer schroffen Wortwahl darüber, dass der Gemeinderat entschieden hat, dass der Stelzenläufer des Künstlers Andreas Futter den Hirschkreisel zieren soll. Dabei wurde die Entscheidung im Gemeinderat ein Jahr lang vorbereitet. Eine Findungskommission aus Vertretern der Gemeinderatsfraktionen sowie Kunstverständigen schlug am Ende zwei der insgesamt 188 eingereichten Ideen vor. Der Prozess sollte auch dazu dienen, für mehr Akzeptanz für die neue Kreiselkunst zu sorgen. Es ist schließlich nicht das erste Mal, dass ein neues Kreiselkunstwerk in Eislingen auf Ablehnung stößt.
Zahlreiche heftige Reaktionen
Von der Heftigkeit der Reaktionen sei er schon ein wenig überrascht gewesen, gibt Lothar Weccard zu. Der langjährige Grünen-Stadtrat war Teil der Kunstkommission und hat sich für den Stelzenläufer ausgesprochen - auch weil er sich von der Arbeit Akzeptanz in der Einwohnerschaft versprach. Das Werk sei nicht abstrakt, sogar ein wenig volkstümlich, ironisch und schalkhaft, findet er.
Die Kommission habe sich wiederholt getroffen und über viele unterschiedliche Entwürfe diskutiert. Manche Ideen wurden beispielsweise nicht weiterverfolgt, weil die Proportionen zur Umgebung nicht gepasst hätten. Die Kunstwerke waren zu klein oder zu niedrig. Bei anderen Entwürfen habe man die Realisierbarkeit im vorgegebenen Kostenrahmen bezweifelt, führt Weccard aus. Bei wieder anderen Entwürfen, die künstlerisch interessant gewesen wären, gab es die Befürchtung, dass sie Passanten zu einem Überqueren der Straßenfläche animiert hätten. „Das ist für Kreiselkunst nicht geeignet“, findet Weccard. Der Stelzenläufer habe sich im Verlauf der Gespräche mehr und mehr herauskristallisiert.
Zunächst stimmten bei dem Entwurf die Maße. Mit 6,8 Meter Höhe ist das Werk von überall aus gut zu sehen. Hinzu kommt, dass der Stelzenläufer Raum für Interpretationen lasse. Für Weccard drückt die Figur Willensstärke aus. Sie könne ferner als Symbol der Verbindung zwischen Nord und Süd gesehen werden. Der Stelzenläufer könne mit den Stelzen die Hindernisse Fils und Bahn auf seinem Weg von Süd nach Nord überwinden, erklärt der Stadtrat. Ein weiterer Vorteil der nun getroffenen Wahl sei, dass im Innern des Kreisels ein Hügel mit einer naturnahen Bepflanzung verwirklicht werden könne.
Eine Vielzahl an Entwürfen
Die Sport- und Kulturamtsleiterin Anna Reukauf betont, dass während des Findungsprozesses über viele unterschiedliche Entwürfe gesprochen worden sei. Am Stelzenläufer, der in der zuletzt elfköpfigen Kommission sieben Mitglieder überzeugen konnte, habe vielen der Mutmacher-Aspekt gefallen, sagt sie. Auch der Kontrast zwischen dem mächtigen Körper und den dünnen Stelzen, habe Anklang gefunden.
Den Weg über eine große Findungskommission mit einer enormen Auswahl an künstlerischen Bewerbungen würde sie bei der Suche nach einem Kreisverkehrskunstwerk nicht noch einmal gehen, meint sie rückblickend. „Es bringt nichts, wenn so viele Leute mitreden“, lautet ihr Fazit nach dem einjährigen Diskussionsprozess, der am Ende doch nicht für eine besonders große Akzeptanz der Entscheidung gesorgt hat. Es wäre wohl besser, eine kleine Fachjury über eine Auswahl von gezielt angesprochenen Künstlern sprechen zu lassen, die dem Gemeinderat schließlich eine kleine Auswahl an Entwürfen zur Entscheidung vorlegt.
Von der Idee einer allgemeinen Abstimmung in der Stadt hält Reukauf wenig. „Die Kunst soll nicht gefällig sein. Sie soll zum Nachdenken anregen“, betont sie. Generell gehöre Kunst in den öffentlichen Raum. Die Kunstförderung sei eine Aufgabe der Stadt, betont Reukauf. Die Arbeiten werteten den öffentlichen Raum auf und sorgten für eine lebenswerte Stadt.
Neugierig auf Unbekanntes
Die Direktorin der Göppinger Kunsthalle, Melanie Ardjah, rät dazu, dem Stelzenläufer Zeit zu geben und neugierig auf die Aufstellung des Werkes zu sein. Die Figur werde den Ort verändern, meint sie. Die Kunst im öffentlichen Raum solle doch den Betrachtern etwas Neues bieten. Wenig Verständnis hat die promovierte Kunsthistorikerin für Forderungen, Bekanntes, Leichtverständliches und Altbewährtes als Kreisverkehrskunst aufzustellen. Vielmehr solle die Kunst die Menschen mit Unbekanntem konfrontieren.
Eislingen sei durch seine hochwertige Kreisverkehrskunst bekannt geworden, betont Ardjah. Besonders hebt sie die Arbeiten von Fritz Schwegler und Anja Luithle hervor, die die Stadt zieren. „Damit hat Eislingen ein Alleinstellungsmerkmal“, hebt sie hervor. Dass nun die Diskussion um die Entscheidung des Gemeinderates in dieser Form stattfindet, habe sie so zwar noch nicht erlebt. Andererseits hätte es schlimmer kommen können - wenn das neue Kunstwerk einfach niemanden interessiert hätte.bra

Erscheinung
exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUM, Eislinger Zeitung
30.05.2024
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