Im Fernsehen werden vor großen kirchlichen Festen im Jahresverlauf immer wieder mal Menschen auf der Straße befragt, was da eigentlich gefeiert wird – und immer wieder ist man verblüfft, wie wenig dabei noch in den Menschen verankert ist. So geht es auch dem Pfingstfest, das neben Ostern und Weihnachten doch eines dieser Feste ist, an das noch ein zweiter Feiertag angehängt ist, also muss es doch schon auch bedeutend sein.
Pfingsten wird 50 Tage nach Ostern gefeiert – wie der Name ausdrückt, denn er kommt vom griechischen Wort pentēkostē hēméra = fünfzigster Tag. Die Kirchen feiern dabei die Aussendung des Heiligen Geistes und seine bleibende Gegenwart in der Kirche. Im Neuen Testament wird in der Apostelgeschichte erzählt, dass der Heilige Geist auf die Apostel und Jünger herabkam, als sie zum jüdischen Fest Schawuot in Jerusalem versammelt waren (Apg 2,1–41 EU). Dieses Datum wird in der christlichen Tradition auch als Gründung der Kirche verstanden.
Aber wir wollen uns hier gar nicht mit dem theologischen Hintergrund befassen, sondern einmal darauf schauen, was die Menschen mit diesem frühsommerlichen Fest verbinden.
Unser großer Dichter Johann Wolfgang von Goethe jubiliert in seinem „Reinecke Fuchs“: „Pfingsten, das liebliche Fest war gekommen; es grünten und blühten Feld und Wald; auf Hügeln und Höhn, in Büschen und Hecken übten ein fröhliches Lied die neuermunterten Vögel; Jede Wiese sproßte von Blumen in duftenden Gründen, Festlich heiter glänzte der Himmel und farbig die Erde.“Fast können wir bei diesen Zeilen den nahenden Sommer schon fühlen und riechen und bei so viel jubilierender Vorfreude ist es nicht verwunderlich, dass sich die Menschen zu allen Zeiten auch allerlei Brauchtum zu diesem Fest einfallen ließen. Aber es ist beim Brauchtum oft so eine Sache und es sollen hier auch keine schlafenden Hunde geweckt werden: mancherorts hat sich so manches Pfingstbrauchtum auch zu ausuferndem Schabernack entwickelt, über den die davon Betroffenen gar nicht mehr lachen können, handelt sich doch um Streiche, die mit Zerstörungen, Verunreinigungen und Ähnlichem einhergehen und daher von den Ordnungshütern argwöhnisch betrachtet oder auch geahndet werden.
Seinem historischen Ursprung nach ein Erntedankfest, reflektiert Pfingsten im europäischen Raum entweder das in der Bibel überlieferte Geschehen (siehe oben) oder es hat jahreszeitliche Bezüge als Frühlingsbrauchtum.
Aus vorchristlicher Zeit stammende und teilweise bis in die Gegenwart praktizierte Bräuche, die mit der rituellen Ablösung des Winters durch eine neue Wachstumsperiode zu tun haben, werden häufig im Zusammenhang mit dem christlichen Pfingstfest betrachtet. Das liegt daran, dass viele christliche Feiertage im Zuge der Christianisierung ehemals heidnische Feste abgelöst haben. Entsprechend wurden weltliche Bräuche in ein „christliches“ Gewand gekleidet, zeitlich verlegt oder christlichen Festen angegliedert.
Ein Beispiel hierfür sind die „Pfingstreiter“ und damit verbundene Reiterspiele, die ihren Ursprung in antiken Heerschauen haben, wie sie im alten Rom am 1. März (dem Beginn des neuen Kalenderjahres und der warmen Jahreszeit) durchgeführt wurden. Dabei waren die weltlich geprägten Turniere den Kirchenvertretern jedoch ein Dorn im Auge. Ein päpstliches Verbot im frühen 14. Jahrhundert führte einerseits dazu, dass die Turniere auf die Fastnachtszeit verlegt wurden und andererseits die Heerschauen eine Umwandlung in Reiterprozessionen oder Umritte erfuhren.
Ein anderes Beispiel eines Pfingstbrauchs, der die christliche Idee des Festes aufgreift und mit dem Auftritt einer heidnischen Vegetationsfigur verbindet, findet sich in den Heische-Bräuchen, also in Bräuchen, in denen von lokal unterschiedlich gestalteten Figuren meist Naturalien eingesammelt werden. Es kann sich dabei um eine in Stroh gehüllte Gestalt oder mit pflanzlichem Grün vermummte Gestalt handeln.
Es wird hierbei eine Handlung nachgeahmt, die auf einen Ausspruch Jesu in der Bibel zurückgeht: „Wer bittet, dem wird gegeben; wer suchet, der findet; wer anklopft, dem wird aufgetan“. Erst wenn er nach dem Gaben Heischen seine Vermummung wieder ablegt, kann er in seiner wahren Gestalt – frei von Sünde – in die Dorfgemeinschaft zurückkehren.
Kirchliches Pfingstbrauchtum
Da in den kirchlichen Texten zu Pfingsten von Feuerzungen als Symbol für den Heiligen Geist die Rede ist, wurden diese in manchen Kirchen durch rote Blütenblätter, die aus dem Gewölbe heruntersinken, dargestellt. Pfingstfeuer, die meist im Süden Deutschlands entzündet werden, gelten als Zeichen der Erleuchtung und als Symbol für den Heiligen Geist.
Manchmal wurden auch lebende Tauben in der Kirche freigelassen oder eine hölzerne Taube kreiste beim Pfingsthochamt über den Köpfen der Gläubigen an einer Schnur oder wurde durch eine Öffnung der Kirchendecke herabgelassen.
Wasser soll an Pfingsten wie an Ostern über eine besondere Segenskraft verfügen. Im Laufe der Zeit haben sich deshalb verschiedene Wasserbräuche herausgebildet. So war es weit verbreitet, sich an Pfingsten in einem Bach zu waschen. Dieser Brauch erinnert ebenso an den Taufritus wie ein anderer, bei dem junge Burschen oder auch eine aus Stroh, Tannenzweigen und Moos gebastelte Puppe in einen Dorfbrunnen getaucht wurden. Lange Zeit waren Pfingsten und Ostern auch beliebte Tauftermine.
Weltliches Pfingstbrauchtum
Bei vielen weltlichen Bräuchen geht es um die Beschwörung des Wachstums und der Fruchtbarkeit von Feldern und Weiden. Dazu gehört beispielsweise das Aufstellen von Pfingstbäumen, die denselben Hintergrund haben wie die Maibäume.
Ebenfalls Tradition hat das Schmücken und Verzieren von Quellen oder Dorfbrunnen mit Blumen und Zweigen, dazu entsprechende Pfingstbrunnenfeste, was auf die germanische Verehrung von Quell- und Brunnengeistern zurückgeführt wird. Auch Häuser, Kirchen, Ställe und Autos werden mit grünen Birkenzweigen und Blumen zu Pfingsten geschmückt und die Kür einer Pfingst- oder Maikönigin gehören ebenfalls in diese Kategorie.
Überliefert sind Tanzveranstaltungen und Pfingstspiele von Kaiser Friedrich I. Barbarossa in Mainz (1184), wo von regelrechten Trinkgelagen mit reichlich Pfingstbier die Rede ist.
In vielen Dörfern in der Lüneburger Heide und Umgebung fand am Pfingstsonntag morgens ein Kinderumzug mit einem mit Birkengrün und Blumen geschmückten Bollerwagen statt. In dem Wagen saß der „Pingstbüdel“, üblicherweise ein Junge im Vorschulalter. Man zog von Haus zu Haus und erbat Spenden für den „verletzten“ Pingstbüdel; Naschereien zur Besänftigung der Schmerzen nahm man auch gerne an. Am Ende des Umzugs wurde die „Beute“ gerecht geteilt.
Schon früh wurden in der Pfalz sogenannte Pfingstbäume aufgestellt: Das sind Nadelbäume, die in der Nacht vor Pfingsten von den jungen Burschen des Ortes im Wald geschlagen und neben dem Dorflokal aufgestellt wurden. Oftmals wurden von diesem Baum auch noch Äste abgeschnitten, um das Gasthaus damit zu schmücken. Auch das restliche Dorf wurde mit Girlanden dekoriert, denn am zweiten Pfingsttag (Pfingstmontag) fanden festliche Tanzveranstaltungen in den Ortschaften statt.
Zu solchen Bräuchen mit Bäumen gehört auch das Setzen sogenannter „Liebes-Maien“, kleine Bäume oder Sträucher vor das Haus der Angebeteten zwecks Erhörung.
Auf jahrhundertealte Pfingst-Rechtsbräuche gehen der Käskönig von Bad Dürkheim und die Geißbockversteigerung in Deidesheim zurück; bei ersterem trieb ein Bürgersohn, der zum „König“ gewählt wurde, den Zins von den Bewohnern des Dürkheimer Bruchs für das Weiderecht ein, der zumeist in Form von Käse bezahlt wurde; bei letzterem musste die Gemeinde Lambrecht für Weiderechte alljährlich einen Ziegenbock an die Stadt Deidesheim abgeben.
Quellen:
Ernst Christmann: Von „Mai“- und „Pfingst“-Flurnamen und Mai- und Pfingstbrauchtum. In: Beiträge zur Flurnamenforschung. Karlsruhe 1940, OCLC 72098066, S. 19–41.
Feilhauer, Angelika: Feste feiern in Deutschland, Zürich 2000
Becker-Huberti, Manfred: Feiern, Feste Jahreszeiten, Lebendige Bräuche im ganzen Jahr, Freiburg 1998
Becker-Huberti, Manfred: Lexikon der Bräuche und Feste, Freiburg 2000
Reinhard Abeln, Ursula Harper: Das große Kinderbuch zum Kirchenjahr. Heilige, Feste, Namenspatrone. St. Benno-Verlag, Leipzig 2010, ISBN 978-3-7462-2951-5, S. 64f.
Bräuche & Sitten. (Memento des Originals vom 24. August 2013 im Internet Archive)
Pfingstbrauchtum. (Memento des Originals vom 22. Februar 2014 im Internet Archive)
EKD: Zu Pfingsten feiern die Kirchen Geburtstag
Weblinks
Wiktionary: Pfingsten – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Pfingsten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikiquote: Pfingsten – Zitate
+Wikisource: Pfingsten – Quellen und Volltexte
Ulrich Kobelke, Gemeindearchivar