Jedes Jahr naht es wieder neu - das Weihnachtsfest. Auch wiederum jedes Jahr gibt es erneut den Grund nachzufragen, was Weihnachten in Zeiten wie diesen bedeutet. Schließlich hat Weihnachten eine tiefere Bedeutung als nur ein Familienfest zu sein. Gerade in Krisenzeiten kann es Halt geben. Nachgefragt bei den Kirchenvertretern der evangelischen, katholischen und freikirchlichen Gemeinden.
Pfarrer Thomas Abraham von der evangelischen Stadtkirche nimmt wahr, dass die Menschen Weihnachten tatsächlich anders empfinden. „Menschen äußern häufiger, dass sie Orientierung suchen. Die Sehnsucht nach dem 'Frieden auf Erden' hat an Brisanz und zugleich an Ernsthaftigkeit gewonnen. Das ist etwas anderes als der oberflächliche Wunsch, 'ein paar schöne Stunden' zu genießen und heile Welt zu spielen.“ Noch immer herrscht der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. In den Nachrichten hört man, wie sich dieser als Angriff auf den gesamten Westen möglicherweise noch verschärft. Immer noch ist die Welt in Krisenstimmung. Auf die Frage „Was bedeutet Weihnachten speziell dieses Jahr für Sie?“, antwortet Abraham: „Beim Krieg im Nahen Osten ist die Frage der Verantwortlichkeiten viel schwieriger zu beantworten als bei dem Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt. Bei beiden Kriegen kann die Suche nach den Schuldigen vom Blick auf die Not der Menschen ablenken. Es wird deutlich, dass Gott hat keinen Raum in der Herberge, um zur Welt zu kommen, und lässt sich dadurch nicht vom Weg zu den Menschen abhalten. Darin sehe ich eine Mahnung zur Solidarität mit den Menschen, die unter Gewalt leiden und in Angst und Not leben. Weihnachten ist wie Ostern ein Fest der Hoffnung, die am Leben festhalten lässt - auch gegen die Angst.“
Welche Hoffnung kann man, auch als Kirchenferner vielleicht, aus Weihnachten heraus schöpfen? - „Da müssten wir erst einmal klären, was einen 'Kirchenfernen' ausmacht. 'Die Kirche' – das sind die Menschen, die sich nach Gott sehnen und sich angezogen fühlen von dem Kind in der Krippe, in dem Gott sich zu erkennen gibt. 'Die Kirche' ist nicht immer so, wie sie sein soll – und 'die Welt' ist es auch nicht. Die Hoffnung, um die es an Weihnachten geht, ist eine Kraft, die sich nicht mit den Gegebenheiten abfindet, sondern darauf drängt, dass die Welt so wird, wie sie sein soll. Wer diese Hoffnung teilen will, den möchte ich ungern als 'kirchenfern' bezeichnen. Aber wer mit dieser Hoffnungsgemeinschaft gar nichts anfangen kann oder will, der wird auch keine Hoffnung aus Weihnachten schöpfen können. Das verdient dann auch meinen vollen Respekt.“ Auf die Frage, was dieses Jahr anders ist, gerade angesichts des Transformationsprozesses in den Kirchen, antwortet Abraham: „Der Transformationsprozess der kirchlichen Organisationsstrukturen hat viel mit Selbstbeschäftigung zu tun. Da ist es sehr heilsam, uns auf das zu konzentrieren, was uns in die Wiege gelegt ist: Gottes Liebe zu den Menschen, die Hirten und Könige im Stall bei einer Patchwork-Familie zusammenbringt. Diese Vielfalt ist phänomenal und belebend.“ Was möchte er den Leserinnen und Lesern mitgeben?
„Stellen Sie Gottes 'Fürchtet euch nicht!' auf Dauerschleife und misstrauen Sie der Hoffnungslosigkeit.“
„Wenn Advent ist, steht das Licht für mich im Vordergrund“, sagt Steffen Jelic, Pfarradministrator der Röm.-kath. Kirchengemeinde Karlsruhe-Durlach-Bergdörfer. „Auf dem Weg zu Weihnachten wird es immer lichter. Aus der Krippe mit dem Kind hellt das Licht auf. Es scheint uns ein Bedürfnis zu sein, mit dem Licht Orientierung und Halt zu schaffen. Das verbinde ich mit dem Weihnachtsfest.“ Auch er merkt Veränderungen. Auf die Frage, wie er das in seiner Funktion sieht, dass, kommerziell betrachtet, schon recht früh, im September schon, Weihnachten über den Lebkuchenverkauf etc. angekündigt wird, antwortet Jelic: „Kommerziell gilt Angebot gleich Nachfrage. Wenn niemand im September Lebkuchen kaufen würde, gäbe es das gar nicht. Ich habe schon mal kurz vor Weihnachten Lebkuchen kaufen wollen, aber es gab keine mehr. Jetzt stellt man schon früh den Weihnachtsbaum auf. Advent ist auch Erwartung. Viele können es nicht aushalten und erwarten, bis Weihnachten kommt und nehmen das vorweg. Schon nach dem zweiten Weihnachtstag laufen dann bei vielen keine Weihnachtslieder mehr, wo doch bei uns Christen Weihnachten da noch weitergeht bis mindestens Epiphanias. Die Vorbereitung auf Weihnachten bedeutet auch, dass die Erlösung durch Jesus schon mit dem kleinen Kind begonnen hat. Wir erwarten am Ende dieser Schöpfungszeit, dass er alles, was nicht heil ist, löst und vollendet. Es ist ein hoffnungsfrohes Fest, in der die Dunkelheit und der Tod nicht das letzte Wort haben und aus dem Toten etwas Lebendiges machen kann.“ Was kann uns Weihnachten in Zeiten wie diesen, angesichts des Angriffskrieges von Russland auf die Ukraine, Künstlicher Intelligenz oder sonstiger Umstürze in diesen Zeiten sagen?
„Für mich bedeutet es, dass Gott sich in diese Zeiten hineingibt. Dafür wurde er Mensch. Auch damals gab es immer wieder Revolutionen in Israel. In diesem kleinen Kind wird er menschlich und begibt sich mit hinein, um uns nahe zu sein. Es gibt auch andere Wege, um solche Krisen zu überwinden. In der Weihnachtsbotschaft, die die Engel den Hirten verkünden, heißt es:
'Frieden auf Erden den Menschen guten Willens.' Gott gibt uns da Gestaltungsfreiheit. Er nimmt in Kauf, dass wir Menschen uns gegen sein Friedensangebot stellen. Damit schaffen wir die Krisen dieser Welt. Er mag Menschen, die nach Lösungen suchen. Die Sprache verändert sich. Deshalb hat man verschiedene Bibelübersetzungen. Aber Wohlgefallen und was er will, ist in dem Fall dasselbe. Für ihn ist das wie ein Kniefall in die Schöpfung von Gottes Seite. Gott möchte den Menschen begegnen. Auch denen, die in Krisen sind, begegnet er und ist mit ihm auf Augenhöhe. Das ist für mich der wichtige Blick aufs Fest, Gottes Kniefall vor der Menschheit, dass er auf einer Ebene mit uns steht und auf uns schaut.“ Auf die Frage, was dieses Jahr anders ist bei ihm als Kirchengemeinde, antwortet Jelic: „Wir unionieren, alle Kirchengemeinden und Pfarrereien, mit der Kirchengemeinde St. Stephan. Am 01. Januar 2025 steht das an. Wir sind in den Vorbereitungen. Nächstes Jahr gibt es ein Abschiedsfest.“ Dieses Jahr gibt es wieder an Heiligabend einen Livestream-Gottesdienst, um 22 Uhr, für die Älteren und Kranken, die ihre Kirche sehen wollen. Sie möchten einmal im Monat wieder einen Stream machen. Das wäre im Dezember die Christmette. Die Gottesdienste per Stream hatte Jelics Vorgänger Pfarrer Maier im Dezember 2023 eingestellt gehabt. Was möchte er den Leserinnen und Lesern mitgeben?
„Ich lade Sie ein, sich dem Kind in der Krippe zuzuneigen und ihm ganz nahezukommen und staunend zu betrachten, dass Gott uns in seinem Sohn ganz nahe kommt, damit es Weihnachten wird in Ihrem Herzen.“
Noch immer herrscht der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine. In den Nachrichten hört man, wie sich dieser als Angriff auf den gesamten Westen möglicherweise noch verschärft. Immer noch ist die Welt in Krisenstimmung. Was Weihnachten speziell dieses Jahr für Jannis Winkels, Vorstand und Pastoralreferent der AGAPE-Gemeinde, bedeutet, verrät dieser hier: „Für mich bekommt Weihnachten gerade in solchen Zeiten eine viel tiefere Bedeutung, weil Gott der Welt seine Liebe dadurch gezeigt hat, dass er seinen Sohn gesandt hat (Joh 3, 16, sehr frei zitiert) und Jesus gekommen ist, um Rettung und Frieden zu bringen in einer Zeit voller Krieg und Krisen. Jesus gibt Orientierung dort, wo Chaos herrscht und Licht, wo es dunkel ist. Wenn wir in einer Welt leben, die heftig erschüttert wird, finden die Menschen Hoffnung in Jesus, der Bestand hat."
Auch er beobachte, dass Menschen das Fest anders empfinden. “Was ich beobachte, ist, dass der Weihnachtskommerz und Konsumwahnsinn von vielen hinterfragt wird. Was ich auch echt feststelle, ist, dass die Leute einen spirituellen Durst haben und der durch die Botschaft von Jesus gestillt werden kann. Ich habe den Eindruck, es kommen wieder mehr Leute zum Glauben. Meine Hoffnung ist, nicht mehr und nicht weniger, dass Menschen Christus begegnen und dadurch zum Glauben kommen." Hoffnung ist ein gutes Stichwort, denn gerade die stellt Winkels an Weihnachten in den Fokus. „Meine Hoffnung ist, dass alle, auch Kirchenferne, in Weihnachten die Hoffnung entdecken, um die es eigentlich geht. Das ist Jesus. Klar, gibt es an Weihnachten viele tolle Randthemen, aber was bringt es, ein Randthema in den Fokus zu bringen, wenn es eigentlich um Christus geht?“ Was möchte er den Leserinnen und Lesern mitgeben? „Die Weihnachtszeit sollte eigentlich ruhig und besinnlich sein. Meistens erleben wir das Gegenteil, dass es laut und hektisch ist. Ich würde die Leserinnen und Leser dazu ermutigen, auch mal innezuhalten und nach Gott zu fragen.“ (war)