
Weihnachten steht vor der Tür. Nach möglicherweise all der Hektik in der letzten Zeit, kann man ein wenig zur Ruhe kommen. Was macht Weihnachten dieses Jahr für die Vertreter der Kirchen und Gemeinden aus? Wie kann die Weihnachtsbotschaft vielleicht auch Hoffnung spenden? Nachgefragt bei Pfarrer Markus Wittig, Pfarradministrator Steffen Jelic, Pastor Oliver Rakowski und Pastor Jannis Winkels.
Die Verbindung von Theologie, christlicher Botschaft und Kunst liegt Pfarradministrator der Katholischen Kirche, Steffen Jelic, am Herzen. Auch die Ikonografie fasziniert ihn als Vertreter der Katholischen Kirche. „Für mich ist immer wieder faszinierend, dass Gott so unscheinbar in die Welt kommt. Es heißt ja in einem weihnachtlichen Lied: 'Lobt Gott, Ihr Christen, alle gleich, in seinem höchsten Thron … er liegt dort elend, nackt und bloß in einem Krippelein,' das ist das Faszinierende.“ Die Menschen vor 2000 Jahren merken kaum etwas davon, dass Gott in die Welt kommt. Nur ein paar Hirten sehen das. Was ich dieses Jahr sehe, sind die Menschen in Palästina, die nichts mehr haben, nur das, was sie tragen. Sie hatten nichts mehr, mussten alles an sich reißen. Es waren unmögliche Zustände, die uns die Bilder der Medien zeigten. In die Erbärmlichkeit der Menschheit versetzt sich Gott hinein und solidarisiert mit allen. Er wird selbst zum Menschen. Dieser Gott hat das ja auch leibhaftig am eigenen Leib erfahren, auch welche Scham man haben kann, wenn andere einen bloßstellen. Mich tröstet es, dass Gott in diese Welt, die wir erbärmlich gestalten, hinein kommt und dieser Nacktheit und Blöße Würde und Glanz verleiht. Da kann Gott Kraft und Trost spenden, wenn Menschen Zukunftsängste haben oder Gewalttaten erleben müssen. All denen schenkt Gott in seiner Nacktheit dennoch einen Glanz. Es gibt so viele Facetten der Menschwerdung. Deshalb kann man immer wieder Neues entdecken. Da kann man immer wieder drüber nachdenken. Wenn man die Kunst anschaut, verweisen die Künstler in weihnachtlichen Krippenszenen immer wieder auf Neues. Zum Beispiel gibt es im Bild von Hugo van der Goes’ „Anbetung der Hirten“ eine Ehrengabe zu Füßen des Kindes, einen Verweis auf das ewige Leben. Oder im Bild von Sieger Köder „Maria durch den Dornwald ging“ erwächst ein Rosenstrauch mitten im Dornengestrüpp.
Was ist anders als letztes Jahr oder die letzten Jahre? - „Wir haben uns verändert, auch durch eigene Lebenserfahrungen und kommen da zu diesem Weihnachtsfest. Für die Kirchengemeinde stehen nach Weihnachten große Veränderungen an. Unsere Pfarreien werden zu einer Pfarrei umgestaltet. Die neue Pfarrei heißt St. Stephan Karlsruhe. Dazu gehören Karlsruhe und Eggenstein-Leopoldshafen, 40 Kirchen sowie der Organisationsraum Ost. Ich werde da mit Mitarbeitern zusammen wirken. Das geschieht alles im Zuge der Verwaltungsreform. Ich werde die Leitung der Seelsorgeeinheit Karlsruhe-Durlach-Bergdörfer abgeben, weil es sie nicht mehr geben wird. Stattdessen werde ich Kooperator, priesterlicher Mitarbeiter. Aber nicht nur in der Kirche, sondern auch privat wird es für Paare, wenn sie sich getrennt haben, ein ganz anderes Weihnachten sein. Verluste und Ängste haben uns verändert. Aber auch da kommt Gott hinein in diese Nacktheit und Bloßheit. Gott bringt das Licht sowie gibt den Halt und Trost, getragen zu sein. Gott verbindet sich mit meinem Leben. Auch er kennt die schwierigen Lebenssituationen und Momente. Gerade dann kann er da Trost spenden.“ Von den Veranstaltungen her wird es eine Kinderkrippenfeier mit Krippenspiel in Durlach, Grötzingen, Stupferich und auf dem Bergwald geben. Die Christmetten sind in Hohenwettersbach, um 16.30 Uhr, besonders für Familien, sowie in Grötzingen, Durlach und Stupferich. Das möchte Jelic den Leserinnen und Lesern mitgeben: „Ich wünsche allen in diesen Advents- und weihnachtlichen Tagen Momente, die von einer heilenden und mitmenschlichen Freude Gottes sprechen. Und Menschen an der Seite, denen ich nichts vorspielen muss und die mir nichts vorspielen müssen, die mich so nehmen, wie ich bin, auch in der Schwachheit. Das Kind in der Krippe liegt da und braucht genau so viel Hilfe wie jeder Mensch. Gott liegt da in den Exkrementen dieser Welt. Wenn man nach Palästina blickt, sieht man Mauern und die massive humanitäre Krise. Ich wünsche allen, dass sie Mauern in ihrem Leben einreißen, wie Gott das auch gemacht hat.“ Passend dazu wählt Jelic den Bibelspruch, der bei Jesaja 9,1, steht: „Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht.“
Auf die Frage, was Weihnachten dieses Jahr für ihn bedeutet, sagt Dr. Oliver Rakowski, PhD (USA), Pastor beim Evangelischen Gemeinschaftsverband AB, schmunzelnd, dass er dieses Jahr dafür verantwortlich sei, Geschenke zu kaufen, aber gut im Zeitplan sei. „Auch dieses Jahr ist Weihnachten aber wiederum mehr als Geschenke, gutes Essen und ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt. Es hat schon seinen Platz, würde ich sagen. Es ist immer wieder das Wissen, dass man in Gott geborgen sein darf. Gerade in einer stressigen Zeit erinnert mich Weihnachten daran, dass Gott mir und uns Menschen nicht fern bleibt, sondern in unser Leben, in unsere Welt, gekommen ist. Weihnachten ist für mich ein Fest des Staunens über die Liebe Gottes, die alle Menschen meint, unabhängig von Herkunft, Glauben und Lebensweg. Deshalb wird Weihnachten ein Stopp-Machen, ein Innehalten und eine Neuausrichtung fürs neue Jahr. Auch wenn ich weiß, dass Weihnachten dieses Jahr umtriebig wird, so sehe ich die Freuden meiner Kinder als ein Highlight und eine Metapher für die Liebe Gottes.“ Was ist für ihn anders als letztes Jahr bzw. die letzten Jahre? - „Corona ist zum Großteil vergessen. An die Kriege sind wir schon fast gewöhnt. Zumindest vordergründig scheint es ein ganz normales Weihnachten zu werden; auch wenn Schwierigkeiten im Hintergrund schlummern wie der Krieg der Ukraine oder Aufstände in Afrika oder Atomtests zwischen Westen und Osten. So scheint Weihnachten dieses Jahr ganz normal und alltäglich zu sein. Es darf uns daran erinnern, dass schwierige Zeiten vorbeigehen. Die Botschaft von Weihnachten ist ja, dass Gott nicht in eine heile Welt/in einen Palast, sondern in eine Welt voller Trubel/Krippe gekommen ist. Egal, ob es einem gut oder schlecht geht, möchte Gott in den Alltag der Menschen hineinkommen. Damit ist Weihnachten eine Einladung, sich auf den Gott, der zu uns Menschen kommt, einzulassen.“
„Weil Weihnachten eines der zentralen Feste ist, möchten wir einzelne Generationen miteinander verbinden“, sagt Rakowski. „Deswegen freuen wir uns dieses Jahr ganz besonders auf einen Gottesdienst, der von unserer Jugend gestaltet wird. Durch Musik, Theater und ihren Gedanken zu Weihnachten möchten sie uns Weihnachten aus einer frischen Perspektive näher bringen, am Gottesdienst am Heiligabend, um 16 Uhr, in der Zehntstraße 4. Jedes Jahr ist eine andere Generation für den Weihnachtsgottesdienst zuständig“, freut er sich. Alle drei Jahre ist er selbst dafür zuständig, den Gottesdienst zu gestalten. Was er den Leserinnen und Lesern mitgeben möchte, ist der Bibelspruch Johannes 1,5: „Das Licht scheint in der Finsternis. Die Finsternis hat es nicht ergriffen. Die Botschaft davon ist: Es gibt ein Licht, das stärker ist als das Dunkel – das uns allen Hoffnung schenkt.“ Der Pastor erläutert es näher: „Gott möchte uns einen Frieden schenken, der nicht von unseren Umständen abhängig ist. Deswegen kommt er uns in Weihnachten entgegen. Er will uns gar nicht überfordern, sondern uns beschenken. Deswegen glaube ich, dass die Botschaft von Weihnachten das schönste Geschenk ist, weil es die Zusage ist, dass Sie geliebt und angenommen sind, egal wie Sie sich gerade fühlen. Wenn Sie sich drauf einlassen, können Sie Weihnachten ganz neu entdecken und Gott in ihrem Alltag begegnen.“
Auf die Frage, was Weihnachten dieses Jahr für ihn bedeute, sagt Winkels: „Für mich bedeutet Weihnachten ein Besinnen, aber nicht nur mit dem Blick nach hinten, mit dem Kindlein in der Krippe, sondern auch darauf, dass Jesus wiederkommt. Weihnachten bedeutet für mich, mein Herz auf dieses Wiederkommen von Jesus vorzubereiten. Das ist ein zutiefst Hoffnungsspendendes, ein Erinnern. Es ist aber auch ein hoffnungsvolles Nach-Vorne-Schauen. Da kann man sich fragen: Ist mein Herz vorbereitet, wenn er kommt? Wie kann ich es vorbereiten? Was mache ich, bis er wiederkommt? Glaubst Du, dass Jesus wiederkommt? Wie?“ Was ist anders als letztes Jahr oder die letzten Jahre? - „An der globalen Situation hat sich noch nicht viel verändert mit den Konflikten und Kriegen, die andauern. Das wissen die Leute. Auch in unserer Groß-Familie ist immer viel geboten. Der Gedanke mit dem Blick nach vorne ist das Entscheidende.“
Auf die Frage, welche Veranstaltungen stattfinden, sagt Winkels, dass an jedem der Adventssonntage, um 10 Uhr, im Gemeindesaal der Gottesdienst stattfindet. Dieses Jahr gab es zum ersten Mal seit dem 7. Dezember die „Love Week“, d.h. Woche der Liebe. Es fanden verschiedene soziale Aktionen wie Obdachlosenhilfe oder der Einsatz im Flüchtlingsheim statt. „Das war eine coole Woche. Das ist ja auch der Sinn und Zweck von Weihnachten: Ich richte den Blick nicht nur auf mich, sondern nach außen, auf andere. Das ist der Sinn und Zweck von Weihnachten, eine Erinnerung daran, dass Liebe auch praktisch werden muss“, sagt Winkels. Die ganze Adventszeit wurde mit der Predigtserie „Der König kommt“ gestaltet. Der Grundgedanke ist: Advent heißt ja Ankunft. Es gilt, sich darauf vorzubereiten, dass Jesus als Retter und König in diese Welt gekommen ist, so ganz anders, als wir es eigentlich erwartet hätten. Wir wollen den Blick nicht nur nach hinten, in die Vergangenheit richten, sondern auch nach vorne und glauben, dass Jesus wiederkommen wird als Retter, König und Richter. Das ist etwas zutiefst Hoffnungsvolles, etwas, worüber man gar nicht mehr so viel redet. Wenn er wiederkommen wird, dann wird das so ähnlich wie damals. Da ist die Frage: Wie sind unsere Herzen drauf vorbereitet, dass er wiederkommt? Es ist wie, wenn ein hoher Besuch kommt. Da braucht man eine besonders gute Vorbereitung. Man räumt auf, sorgt für eine angenehme Atmosphäre, bereitet ein gutes Essen vor, kleidet sich gut. Jesus kommt wieder und sagt uns aber nicht, wann. Die Frage ist: In welchem Zustand kommt er an, wenn er wiederkommt? Die Frage ist: Rechnest Du damit, merkst Du es vielleicht nicht, weil Du zu arg beschäftigt bist oder weil man es nicht bemerkt? In den Lukas-Evangelien und in der Offenbarung ist das überliefert. Es wird wie ein 'Dieb in der Nacht', Christi Himmelfahrt: Leuchtend wird er wiederkommen. Es wird etwas sein, was nicht wiederkommen wird. Diese Nah-Erwartung, dass er wiederkommen wird, ist über die Jahre hinweg in Vergessenheit geraten. Diese Hektik lässt einen darüber vergessen, zu schauen, ob er wiederkommt. Er wird die Schrift erfüllen. Aber die Leute wird es trotzdem überraschen. Den Abschluss bildet der Gottesdienst, um 16 Uhr, an Heiligabend im Gemeindesaal. Was wünscht Jannis Winkels den Leserinnen und Lesern? „Offene Herzen und auch Momente der Ruhe, der Besinnung und der Gottesbegegnung, die Herzenstür weit zu machen, die ganz persönliche und innige Ankunft von Jesus im Herzen.“ Der Bibelspruch dazu laute: „Denn wir warten darauf, dass sich unsere wunderbare Hoffnung erfüllt: dass unser großer Gott und Retter Jesus Christus in seiner ganzen Herrlichkeit erscheinen wird.“ Titus 2,13
Auf die Frage, was Weihnachten dieses Jahr für ihn bedeutet, sagt Pfarrer Wittig: „Leider sind die ganzen Probleme und Krisen noch vorhanden. Es geht darum, den langen Atem zu halten und sich nicht frustrieren lassen von der Weltpolitik insgesamt. Ich hoffe, dass Weihnachten ein Moment ist, innezuhalten und man sich darauf besinnen kann, dass Gott eine andere Wirklichkeit ins Spiel bringt, dass er wirkt in die Gegenwart hinein. Bei den einstürzenden Gebäuden, bei denen auch Kinder in der Ukraine ums Leben kommen, denkt man, Putin verhält sich wie Herodes und es ist ihm scheißegal, ob Kinder ums Leben kommen und wer ums Leben kommt. Auch Trump, der ein Friedensabkommen abschließt, nur zugunsten Putins, ist wie jemand, der einem Kindermörder die Hände schüttelt. Wie man so Politik machen kann, dass man Werte vergisst, ist mir unverständlich, wenn man Putin so entgegen kommt. Weihnachten setzt dem eine andere Wirklichkeit entgegen, dass solche Herrscher am Ende doch nicht siegen und Gott die Oberhand behält. Zugleich verstehe ich auch, je länger der Krieg dauert, dass man die Hoffnung aufgibt, dass sich etwas zum Besseren wendet. Schön wäre ein Weihnachten im Schützengraben, wie damals im Zweiten Weltkrieg.“
„Am 23. Dezember, um 11 Uhr, macht Frau Aydt einen Gottesdienst für die ganz Kleinen und ihre Familien. Wir setzen das Format am Heiligabend, den Gottesdienst, um 16.30 Uhr, auf dem Friedhof fort, weil es ein gutes Miteinander gibt und viele ihre Angehörigen auf dem Friedhof besuchen. Wiederum am Heiligabend, um 16 Uhr, gibt es einen Familiengottesdienst mit Singspiel, das Kinder aufführen. Am 25. Dezember ist ab 10.30 Uhr Gottesdienst. Es wird einen Festgottesdienst mit Chor geben. Am 26. Dezember gibt es um 10 Uhr im Martin-Luther-Haus einen Festgottesdienst.“
Was möchte er den Leserinnen und Lesern dieses Jahr mitgeben? - Wittig zitiert nach dem Lukas-Evangelium den Lobgesang des Zacharias, die Verheißung aus Jesaja: „Man kann mit der Weihnachtsgeschichte die Barmherzigkeit Gottes ausdrücken durch die (…) wie Zacharias verheißt, uns besuchen wird das Licht aus der Höhe, damit es für die erscheint, die in der Finsternis und im Schatten des Todes sitzen und unsere Füße auf den Weg des Friedens richten.“ Er stellt fest: „Da ist viel in der Hoffnung, dass der Krieg und der Tod überwunden wird, durch die Wege des Friedens.“ (war)