In die Kohl’sche Scheune eingeladen hatte der SPD-Ortsverein Asperg zu seiner ersten Veranstaltung unter dem Motto „Wein und Politik“. Alle Plätze waren besetzt, als der Co-Vorsitzende Jörg Fröscher die Besucherinnen und Besucher zur bildungspolitischen Diskussion begrüßte. „Das baden-württembergische Schulsystem in der Krise?“ – unter diesem Motto diskutierten drei Expertinnen und Experten. Mit MdL Katrin Steinhülb-Joos kam nicht nur die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, sondern auch eine ehemalige Schulleiterin nach Asperg. In Asperg zuhause und bekannt ist Nicole Stockmann. Sie war früher Abteilungsleiterin am Friedrich-List-Gymnasium und ist heute Schulleiterin des Ellentalgymnasiums I in Bietigheim-Bissingen. Prof. Dr. Albrecht Wacker, der Leiter des Instituts für Erziehungswissenschaft an der PH Ludwigsburg, war in seiner Laufbahn vor der Hochschule nicht nur Lehrer, er kann auch auf eine Ausbildung bei einer Bank zurückblicken. Eine kompetente Runde, die von Jörg Fröscher moderiert wurde.
In den Pausen stellte der SPD-Altstadtrat und Nebenerwerbsweingärtner Hubert Kohl Weine aus seinem eigenen Anbau vor. Auch einen kleinen Ausschank mit Weinprobe hatte er für die zahlreichen Gäste bereit. Bettina Horn-Kohl hatte einen schmackhaften Imbiss für die Besucherinnen und Besucher hergerichtet. Beide Angebote kamen bestens an. Herzlichen Dank dafür!
In der ersten Runde stand das G9 am Gymnasium in Baden-Württemberg im Mittelpunkt, das auf massiven Druck eines Teils der Elternschaft zum kommenden Schuljahr wieder im Regelbetrieb eingeführt wird. Nicole Stockmann betonte, dass es sich dabei nicht um das „alte“ G9 handele, sondern besonders in der Stundentafel deutlich anders angelegt sei als das vorherige Modell. In den Stufen 5 und 6 werde durch die Stundenkürzungen das Halbtagsgymnasium zur Regel werden. Dies fordere die Gymnasien besonders heraus, da ein Bedarf an Ganztags in der Elternschaft vorhanden sei. Nicole Stockmann: „Die Schule, egal an welcher Schulart, muss ein Ort zum Wohlfühlen für die Kinder sein. Dies haben die Gymnasien verstanden und daran arbeiten wir.“ Noch seien auch nicht alle Bestimmungen zum Start an den Schulen angekommen, viel Arbeit stände noch bevor.
Katrin Steinhülb-Joos wies auf den hohen Bedarf an Lehrkräften für G9 hin. „8600 zusätzliche Lehrkräfte und eine halbe Milliarde allein für das Land, ein hoher Preis für ein Modell, das auf viele Fragen noch keine Antwort hat. Trotzdem hat die SPD-Fraktion im Landtag zugestimmt, weil wir die Anliegen der Elternschaft ernst nehmen und den Kindern mehr Zeit zum Lernen geben wollen.“, so die Landtagsabgeordnete. Nicht nachvollziehbar sei, dass die Demokratiebildung explizit nur am neuen G9 eingeführt werden soll, an den anderen Schularten werde es dies nur in einzelnen Projekten geben. Katrin Steinhülb-Joos: „Warum wir bei den Jugendlichen hier eine Trennung machen, ist mir unverständlich.“
Hier stieg dann auch Prof. Dr. Albrecht Wacker ein, der grundsätzlich eine Benachteiligung der nicht-gymnasialen Schularten in der Sekundarstufe I sah. „Die neue Schulreform hat eigentlich nur das Gymnasium im Blick, alles andere ist in meinen Augen Stückwerk und bringt uns als Bildungsland nicht voran. Das wirft uns eher zurück.“, meinte der Bildungsexperte. Er forderte eine Konzentration der Kräfte in einem Zwei-Säulen-Modell, indem es neben dem Gymnasium nur noch eine weitere Säule, bestehend aus einem Zusammenschluss von Realschule, Gemeinschaftsschule und Hauptschule, geben soll. Albrecht Wacker: „Und diese zweite Säule muss auch zwingend das Abitur anbieten können. Internationale Studien und die Praxis in fast allen Ländern zeigen, dass dieses Modell ein gewinnbringendes für Baden-Württemberg sein kann.“
Einig waren sich die Diskussionsteilnehmer, dass die neuen Zugangsbestimmungen mit Kompass 4 und dem Potentialtest beim Wechsel von der Grundschule aufs Gymnasium eine Zumutung und Überforderung der Kinder waren. „Warum muss man 9-jährige Kinder in eine solche Situation bringen?“, fragte sich Katrin Steinhülb-Joos. Prof. Wacker zeigte auf, dass es keine ernsthaften Studien gäbe, die einen Mehrwert solcher Überprüfungen bestätigten.
In den sich anschließenden Wortbeiträgen aus dem Publikum zeigte SPD-Stadtrat Markus Furtwängler auf, dass das G9 nicht nur das Land viel Geld koste. Auch in Asperg müsse das FLG wohl in naher Zukunft baulich erweitert werden. Auch die Probleme der immer schwerer zu beschulenden Kinder mit massiven Verhaltensstörungen sowie den Kindern, die erst gar nicht zur Schule gehen, wurden vom Publikum angesprochen.
Eine gelungene Veranstaltung, die voraussichtlich im Herbst eine Fortsetzung – dann aber mit einem anderen Thema – finden wird.
JF