Was war denn da los? Bei der vorletzten Chorprobe unseres Gesangvereins ereignete sich etwas, das in unserer Vereinsgeschichte wohl als kleine Sensation gelten darf: Die sonst so zahlreich vertretenen Sopräne waren fast nicht da!
Normalerweise bilden sie eine mächtige Klangwand – zahlreich, selbstbewusst und gerne auch mal ein bisschen laut. Doch diesmal war alles anders. Die Reihen der Sopranistinnen waren gelichtet, und die wenigen Anwesenden wirkten zunächst etwas verloren. Man merkte ihnen die Nervosität an: Ohne die gewohnte Masse im Rücken war das Verstecken nicht mehr möglich. Jede Stimme war plötzlich hörbar – und sichtbar.
Bis kurz vor Beginn der Probe wurde noch gehofft und gebangt: „Vielleicht kommt ja doch noch jemand?“ Und tatsächlich – vereinzelt trudelten weitere Sopräne ein. Nicht in Scharen, aber immerhin. Und jede einzelne wurde mit Applaus begrüßt, als wäre sie ein Star auf dem roten Teppich. Die anderen Stimmgruppen fanden das köstlich, und auch unser Dirigent konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Mit einem Augenzwinkern meinte er: „Na, dann kann ich die Sopräne heute mal richtig striezen!“
Doch er ließ Gnade walten – und vielleicht war es gerade diese besondere Situation, die die Sopräne zu Höchstleistungen anspornte. Ohne ihre gewohnte Deckung sangen sie mit Klarheit, Präsenz und Herzblut. Am Ende war es eine Probe, die nicht nur musikalisch überzeugte, sondern auch menschlich berührte.
Ein kleiner Ausnahmezustand – und ein großes Miteinander. So lieben wir unseren Chor.