Aus den Rathäusern

Wer bekommt die Christian-Wagner-Straße?

Vor 50 Jahren wurden die Gemeinden Höfingen, Gebersheim und Warmbronn im Zuge der Kreisreform an Leonberg angegliedert. Aus selbstständigen Gemeinden...

Vor 50 Jahren wurden die Gemeinden Höfingen, Gebersheim und Warmbronn im Zuge der Kreisreform an Leonberg angegliedert. Aus selbstständigen Gemeinden wurden Teilorte. Das brachte große Aufgaben mit sich, struktureller und sozialer Natur.

„Die neuen Stadtteile sollen kleine Verwaltungsbereiche sein, in denen der Bürger eine Anlaufstelle erhält, um sein Anliegen vorbringen zu können. Er solle nicht extra dafür nach Leonberg fahren müssen“, schreibt die Leonberger Kreiszeitung am 19. November 1974 und bezieht sich auf Forderungen des damaligen Stadtrats Gustav Bohnacker. Zu diesem Zeitpunkt ist bereits beschlossen, dass die Gemeinden Höfingen, Gebersheim und Warmbronn eingemeindet werden und ab 1. Januar 1975 zu Teilorten Leonbergs werden.

Nur wenige Tage zuvor, am 13. November 1974, unterzeichnet der Gebersheimer Bürgermeister Eberhard Heckeler den Eingliederungsvertrag – fünf Monate nach den anderen beiden Gemeinden. Im Gegensatz zu Höfingen und Warmbronn konnte sich der Gebersheimer Gemeinderat zuvor nicht zu einer Zustimmung zur Eingemeindung durchringen. Gebersheim wird deshalb „‘von Amts wegen‘ nach dem Gemeindereformgesetz zum 1. Januar 1975 Leonberg zugeschlagen“ (LKZ, 8.11.1974).

Die Eingemeindung ist ein Kraftakt für Leonberg. Wo kann das ganze Verwaltungspersonal untergebracht werden, wenn die Zuständigkeiten zusammengelegt werden? Für jeden Teilort gibt es deshalb einen Plan zur Personalüberleitung. Dort sind die bisherige Tätigkeit und Besoldung beziehungsweise Vergütung aufgeführt sowie die Wunschvorstellung der neuen Position. In den meisten Fällen kann auf diese Rücksicht genommen werden. So wird der Gebersheimer Bürgermeister zum Leiter des Leonberger Schul-Kultur-Sportamts. Warmbronn behält seinen hauptamtlichen Bürgermeister Ulrich Frisch, in Höfingen übernimmt das Amt Helmut Noë. Die Ortschaften behalten teilweise ihre Verwaltungsbereiche, lediglich bei drei Personen ist „noch unterzubringen“ vermerkt.

Im Eingliederungsvertrag ist auch geregelt, dass die Ortschaften ihre Gremien in Form eines Ortschaftsrats behalten. Die Größe entspricht den ehemaligen Gemeinderäten. Belange, die die Teilorte betreffen, werden zunächst im Ortschaftsrat beraten, bevor dieser eine Empfehlung an den Leonberger Gemeinderat gibt.

Darüber hinaus bringt die Eingemeindung neue Flächen in die Stadtgrenzen, die in die Stadtentwicklung integriert werden müssen – der Flächennutzungsplan muss geändert werden. Wohn- und Gewerbegebiete werden neu ausgewiesen, Naturschutzgebiete müssen berücksichtigt werden. Die Anbindung der neuen Ortsteile an das Verkehrsnetz der Stadt ist eine zentrale Aufgabe. Das betrifft Straßenbau, öffentliche Verkehrsmittel und Radwege.

Zudem stellen sich auch ganz praktische Fragen, etwa: Wer behält die Christian-Wagner-Straße? Vor der Eingemeindung gibt es diesen Straßennamen sowohl in Höfingen als auch in Warmbronn. Ab 1975 ist das nicht mehr zulässig. Letztendlich darf Warmbronn den Straßennamen behalten, schließlich ist der Dichter dort geboren, gestorben und hat im Teilort gelebt und gewirkt. In Leonberg gibt es heute dafür die Graf-Leutrum-Straße.

Auch wenn auf dem Papier aus Leonberg eine Kernstadt mit Teilorten geworden ist, muss die Engelbergstadt in den Köpfen der Bevölkerung noch zusammenwachsen. So betrauern unbekannte Bürger „die verlorengegangene Selbständigkeit“, indem sie in der Neujahrsnacht einen Sarg vor dem Bürgermeisteramt abstellen (LKZ, 2.1.1975). Am Abend zuvor wird Oberbürgermeister Dr. Dieter Ortlieb in seiner Ansprache zur Altjahrabendfeier deutlich, er hat Erwartungen an die Leonberger Bevölkerung: „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern in unserer neuen großen Stadt und uns rasch kennenlernen, um füreinander da sein zu können. Die Gemeinsamkeit wird uns stark machen, wenn wir bereit sind, Eifersüchteleien beiseite zu schieben und immer das Ganze zu sehen“ (LKZ, 2.1.1975).

Erscheinung
Mitteilungsblatt Gebersheim
NUSSBAUM+
Ausgabe 04/2025
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