Seit rund einem Jahr führt das Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe seinen neuen Namen. Zuvor wurde es Sozialamt genannt. Weshalb die Namensumbenennung wichtig war und wie sich die gesellschaftliche Entwicklung in den vergangenen fünf Jahren auf das Amt auswirkten, haben wir Jan Hauser, Leiter des Amtes für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe gefragt.
Weshalb heißt das Sozialamt jetzt Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe (ASS)?
„Wir haben es uns natürlich nicht leichtgemacht und abgewogen, ob wir uns als Sozialamt umbenennen. Es zeigte sich aber immer deutlicher, dass der Name „Sozialamt“ die Leistungen, die tatsächlich von unserem Amt erbracht werden, nicht abbildet“, erklärt Jan Hauser. Durch den Namen „Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe“ werden nun die wesentlichen Aufgaben schon in der Amtsbezeichnung angesprochen. „Auch für die Bürgerinnen und Bürger ist so gleich durch die Amtsbezeichnung zu erkennen, dass dieses Amt zur Pflege, Eingliederungshilfe, Integration und als Versorgungsamt berät.“ Mit der Umbenennung sollte auch zum Ausdruck kommen, dass sich das Amt mehr als Dienstleister für die Bürgerinnen und Bürger sieht. Die eingeengte Sichtweise auf die pure Sozialhilfe und die Transferleistungen wurden dem Leistungskatalog des Amtes für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe nicht gerecht.
Die vergangenen fünf Jahre waren eine mit Krisen durchzogene Zeit, die sich vor allem auf den Sozialen Bereich auswirkten. Welche Herausforderungen haben sich hier ergeben?
„Mit Blick auf die bewältigte Corona-Pandemie, deren Auswirkungen noch zu spüren sind, den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und die Flüchtlingsströme, die sich ebenfalls noch weiter auf das gesellschaftliche Leben auswirken: es ist vor allem der Soziale Bereich, der sich hier enormen Herausforderungen gegenüberstehen sieht“, so Jan Hauser. Der Landkreis wendet für die soziale Sicherung im Haushalt die meisten Gelder auf. Die Kostenentwicklung wirkt sich direkt auf den Kreishaushalt aus und ist vor allem durch die wirtschaftliche Lage und die demografische Entwicklung bestimmt.
Das Landratsamt hat sich zum Ziel gesetzt, digitaler zu werden. Wie ist da der Stand im Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe?
Jan Hauser erklärt, dass sein Amt als eines der ersten im September 2019 den Schritt wagte und mit der elektronischen Akte (E-Akte) startete. „Wir haben das Papier sozusagen aus den Büros verbannt. Zwar nicht ganz, da noch einige kleinere Bereiche, die von Landesverfahren abhängig sind, auf den Umstellungszeitpunkt warten müssen. Aber der Großteil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat den nächsten Schritt auf der Digitalisierungsleiter genommen.“
Sämtliche Vordrucke des Amtes wurden überarbeitet und in die Verfahren überführt. Schließlich wurde die zentrale Posteingangsverscannung getestet und weiterentwickelt. Nach nur einem Dreivierteljahr wurde die E-Akte eingeführt.
Und die Digitalisierung hat auch ihre Vorteile mit sich gebracht. Zum einen wurden die internen Arbeitsabläufe verbessert und Vorgesetzte sowie Sachbearbeiter können jetzt gleichzeitig dieselben Akten einsehen. Vor allem freut es den Amtsleiter aber, dass die Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit gestiegen ist. Das mag auch daran liegen, dass sich die Arbeitsprozesse beschleunigt haben. „Es ist deutlich spürbar, dass wir durch die Digitalisierung unsere Kunden besser betreuen können“, so Jan Hauser.
Eine bedeutende Veränderung gab es mit dem Bundesteilhabegesetz. Dieses Gesetz wurde durch den Bundestag beschlossen und tritt in vier Stufen in Kraft. Ziel ist, dass es Menschen besser möglich ist, am Arbeitsleben, an Bildung und generell sozial teilzuhaben. Welche Auswirkungen hat das Bundesteilhabegesetz, kurz BTHG auf Ihr Amt?
Jan Hauser dazu: „Man muss wissen, dass im Schwarzwald-Baar-Kreis derzeit zirka 1.500 Leistungsempfänger leben, die alle unter die Anwendung des neuen Gesetzes fallen. Die größte Änderung zunächst war, dass die sogenannten Fachleistungen von den existenzsichernden Leistungen getrennt wurden. Mittlerweile wurde ein gänzlich neuer Leistungskatalog erarbeitet, der derzeit eingeführt wird. Im Schwarzwald-Baar-Kreis wurde beschlossen, künftig sozialraumorientiert zu arbeiten.“
Was heißt das genau für die Leistungsempfänger?
Jan Hauser: „Das heißt, dass wir uns als Landratsamt so aufgestellt haben, dass die Leistungsberechtigten ihren zuständigen Ansprechpartner im Landratsamt je nach ihrem Wohnort zugeordnet bekommen. Es wurden vier Sozialräume geschaffen. Der Sozialraum Nord-West (Schonach, Triberg, Sankt Georgen, Schönwald, Unterkirnach, Gütenbach, Furtwangen, Vöhrenbach, Marbach, Rietheim, Pfaffenweiler, Weilersbach, Obereschach und Herzogenweiler), der Sozialraum Nord-Ost (VS-Schwenningen, Königsfeld, Mönchweiler, Niedereschach, Dauchingen, Tuningen, Zollhaus, Weigheim und Mühlhausen), der Sozialraum Villingen-Stadt (VS-Villingen ohne Ortsteile) und der Sozialraum Süd (Bad Dürrheim, Brigachtal, Donaueschingen, Bräunlingen, Hüfingen und Blumberg).“
Welche Bedeutung hat die Eingliederungshilfe?
Jan Hauser: „Die Eingliederungshilfe ist im Sozialhaushalt der größte Kostenblock. Die ohnehin schon hohen Kosten haben sich bundesweit pro Jahr um circa fünf Prozent fortentwickelt. Diese stetige Entwicklung bekommt nun durch das BTHG nochmals einen deutlichen Schub. Bei den Finanzen müssen wir feststellen, dass durch Gesetzesänderungen verstärkt Leistungsausweitungen und damit zusätzliche Aufwendungen auf die kommunale Seite zukommen.“
Zum Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe zählt auch das Sachgebiet Asyl und Integration. Hier gab es ja in den vergangenen fünf Jahren besondere Herausforderungen…
Jan Hauser: „Ja, durchaus. Die Zuweisung von Asylbewerbern hat in den Jahren um 2019 stark abgenommen. Deshalb wurden damals nach Aufforderung durch das Land, das für die Finanzierung der Aufgaben der unteren Aufnahmebehörden zuständig ist, viele Unterkünfte im Zuge einer Rückbaukonzeption aufgegeben. Der Schwarzwald-Baar-Kreis betrieb Anfang 2019 fünf Unterkünfte. Die Aufgaben hatten sich auf die Städte und Gemeinden verlagert. Dort erfolgen die Anschlussunterbringung und vor allem die Integrationsarbeit. Der Landkreis unterstützt dabei 17 Städte und Gemeinden durch das vom Land finanzierte Integrationsmanagement. Die übrigen Gemeinden haben diese Aufgabe selbst übernommen. Ende 2021 nahmen nach der Corona-Pandemie die weltweiten Fluchtbewegungen wieder spürbar zu. Das führte dazu, dass der Landkreis wieder Unterkünfte suchen, aufbauen oder wiederbeleben musste.“
Wie hat sich die Situation weiterentwickelt?
Jan Hauser: „Anfang 2022 betrieb der Landkreis sieben Unterkünfte und war bereits auf der Suche nach weiteren Unterkünften. Dann begann am 24. Februar 2022 der russische Angriffskrieg auf die Ukraine. Aufgrund der hohen Zugangszahlen stand der Schwarzwald-Baar-Kreis unter großem Druck, weitere Unterkünfte bereitzustellen. Hier handelte es sich nicht um stetig steigende Flüchtlingszahlen, die man bislang kannte, sondern um einen plötzlichen und stark steigenden Zustrom, bei dem kaum Zeit blieb, sich darauf einzustellen. Deshalb mussten die übrigen Strukturen wieder sehr schnell aufgebaut und Personal gefunden werden. Zwischenzeitlich sind wieder zwölf Unterkünfte in Betrieb.“
Am 3. März 2022, nur wenige Tage nach Kriegsbeginn, haben sich die EU-Staaten darauf geeinigt, die Massenzustrom-Richtlinie zu aktivieren. Es erfolgte eine große Zahl an Anträgen auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach dieser Vorschrift, für deren Bewilligung die Ausländerbehörden zuständig waren.
Jan Hauser berichtet: „Die Zugangswege der ukrainischen Flüchtlinge waren unterschiedlich. Ein Teil der Personen kam über die landesweite Verteilung in die vorläufige Unterbringung, ein Teil der Personen kam von selbst im Landkreis an und bat um Unterbringung. Der größte Teil der Personen kam über Hilfstransporte, Verwandte, Freunde oder Bekannte im Landkreis an. Aber für alle Zugangswege sollte gewährleistet sein, dass die Flüchtlinge in unsere festgelegten formalen Strukturen erfasst werden konnten, ohne zugleich zu viel Bürokratie zu erleben. Das Verfahren sollte effizient gestaltet werden. Dies führte dazu, dass im Schwarzwald-Baar-Kreis ein zentrales Aufnahmezentrum geschaffen wurde, das bereits am 14. März 2022 seinen Betrieb aufnahm. Die Flüchtlinge konnten so drei verschiedene Behörden in einem Zentrum antreffen. Das Verfahren war effektiv und die Erfassung so möglichst lückenlos.“
Das zentrale Aufnahmezentrum wurde zunächst in der Sturmbühlstraße in VS-Schwenningen und schließlich in der Sporthalle der Albert-Schweitzer-Schule in VS-Villingen bis Herbst 2022 betrieben. Jan Hauser: „Wir haben eine Registrierungsstraße mit der Aufnahmebehörde, der Ausländerbehörde und der AsylbLG-Antragsstellung aufgebaut. Später kamen das Jobcenter und die SGB XII-Antragsstellung hinzu.“
Eine besondere Herausforderung gab es dann noch einmal. Zur finanziellen Entlastung der Länder und Kommunen wurde beschlossen, dass vorübergehend Schutzberechtigte ab 1. Juni 2022 Leistungen aus dem SGB II bzw. dem SGB XII erhalten. Ukrainische Flüchtlinge wurden ab 1. Juni 2022 wie anerkannte hilfsbedürftige Asylsuchende finanziell unterstützt. Diese erhalten seither Leistungen nach dem SGB II bzw. SGB XII. „Dies führte dazu, dass alle bis dahin registrierten Fälle in ein anderes Leistungssystem migriert werden mussten“, so Jan Hauser.
Zwischenzeitlich sind sechs Millionen ukrainische Flüchtlinge in der EU und in den direkten Nachbarländern. Über eine Million Menschen davon sind in Deutschland. Im Schwarzwald-Baar-Kreis sind zirka 4.000 Menschen registriert. Zwei Drittel sind weiblich und ein Drittel sind Kinder und Jugendliche. „Eine besondere Herausforderung der Integrationsarbeit bleibt die Vermittlung von Sprache und die Schaffung von Betreuungsangeboten“, weiß Jan Hauser.
Im Bereich Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sind die Fallzahlen von 361 Fällen im Jahr 2019 auf zwischenzeitlich 1.061 Fälle im Frühjahr 2022 angestiegen. Zwischenzeitlich sind sie – bedingt durch den Rechtskreiswechsel der ukrainischen Flüchtlinge - auf 795 Fälle Mitte 2024 zurückgegangen, aber immer noch deutlich höher als 2019.
Hintergrundinfo:
Das Amt für Soziale Sicherung, Pflege und Teilhabe ist eines der größten Ämter im Landratsamt. Neben der kommunalen Sozialhilfe werden auch staatliche Leistungen, zum Beispiel die Versorgung von Schwerbehinderten und die Unterbringung von Spätaussiedlern und Asylbewerbern erbracht. Insgesamt arbeiten in diesem Amt 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Weitere Infos gibt es auf www.lrasbk.de.