
Zum 50. Jubiläum der Stadtbibliothek hatte sich der Leiter Thomas Michael und sein Team einiges an Veranstaltungen einfallen lassen.
Als besonderes Highlight konnte er die bekannte Journalistin und Fernsehmoderatorin Dunja Hayali zu einem Vortrag über „Demokratie und Zusammenleben“ nach Wiesloch holen. Unterstützung bekam er vom „Bündnis Demokratie & Toleranz“, außerdem stellte die MLP ihren Vortragssaal zur Verfügung. Dass Michael beim Wieslocher Publikum damit einen Nerv traf, zeigte sich im rasanten Ausverkauf der Veranstaltung.
Nicht ahnen konnte der Bibliothekar, dass die Veranstaltung einen „Shitstorm“ auslöste, mit Beschimpfungen der Referentin und von ihm selbst, bis hin zu Morddrohungen. Unter dem Aspekt, Publikum und Referentin gleichermaßen zu schützen, habe man kurz mit dem Gedanken gespielt, die Veranstaltung abzusagen, wie Oberbürgermeister Dirk Elkemann bei seiner Begrüßung erläuterte.
Angesichts der bisher guten Erfahrungen in Wiesloch sei man aber schnell davon abgekommen und habe stattdessen mithilfe der MLP ein umfassendes Sicherheitskonzept entwickelt. Der Abend verlief dann auch ohne Störung, im Gegenteil, der Beifall schon während ihres Vortrages zeigte nicht nur breite Zustimmung zur Person, sondern auch zu ihren ganz konkreten Ausführungen.
Gleich zu Beginn ging sie auf die Angriffe ein, denen sie ständig ausgesetzt ist. Sie seien ihr vollkommen unverständlich, weil sie ja nicht zu den Entscheidungsträgern gehöre. Sie mache keine Politik, sie kommentiere sie lediglich. In diesem Zusammenhang wehrte sie sich auch gegen den Vorwurf, grün-linke Politik zu vertreten. Manchmal sei auch schon gerade das Gegenteil behauptet worden. „In unserem Land hat man verlernt zu streiten“, wie sie resigniert feststellte.
Die aktuellen Äußerungen von Friedrich Merz zum „Stadtbild“ kritisierte sie als unsachlich, diskriminierend und auch nicht zielführend. Hier werde der Eindruck erweckt, als ob die Abschiebung aller 215.000 geduldeter Asylbewerber die Lösung des Problems sei. Abgesehen davon, dass etwa die Hälfte davon aus den unterschiedlichsten Gründen gar nicht abgeschoben werden können, würde man trotzdem in den Großstädten weiterhin Vermüllung, Drogenabhängige und Obdachlose finden.
Merz erwecke mit seinen Äußerungen den Eindruck, dass Menschen mit Migrationshintergrund nur dann willkommen seien, wenn sie nützlich sind. Das sei das Menschenbild der AfD und nicht das, was man von einer christlichen Partei erwarte. Sie erinnerte daran, dass nach dem Grundgesetz „die Würde des Menschen“ unantastbar ist, mit anderen Worten, niemand dürfe diskriminiert werden, warum auch immer.

Dies gelte nicht nur für Menschen anderer Hauptfarbe, sondern auch für Behinderte, Arme und queere Menschen. Auch Linkshänder, Nichtschwimmer, Übergewichtige und Personen ohne Schulabschluss gehörten, neben vielen anderen, dazu. Hayali ist überzeugt, dass jeder Mensch im Laufe seines Lebens schon in irgendeiner Form Diskriminierung erfahren habe, seien es abfällige Bemerkungen, Ausschluss aus einer Gemeinschaft oder Rufschädigung.
Dunja Hayali, 1974 geboren und Tochter irakischer Christen aus Mossul, war Katholikin und in der Jugend Messdienerin, ist aber inzwischen aus der Kirche ausgetreten. Sie bekennt sich zu Deutschland und seiner demokratischen Ordnung, genauso wie zu ihren irakischen Wurzeln. Sie hat Medizin und Sportwissenschaft studiert und arbeitet heute als Journalistin und Fernsehmoderatorin.
Ihr Vortrag war ein Plädoyer für das demokratische Deutschland mit einer verlässlichen Rechtsordnung und einem liberalen Staat, in dem Meinungs- und Pressefreiheit einen großen Stellenwert haben. Vielfalt ist ihrer Meinung nach ein Gewinn für die Gesellschaft, genauso wie die jahrzehntelange Migration nach dem 1. Weltkrieg.
Von den Politikern erwarte sie weniger Richtungskämpfe als das Angebot von Problemlösungen. Mit Übernahme der AfD-Ideen gewinne man keine neuen Wähler, sondern mache sie eher salonfähig. Nur der öffentlich-rechtliche Rundfunk und das Fernsehen biete sachlich fundierte Nachrichten und stütze so die Demokratie.
Im Gegensatz dazu verkürzten soziale Medien die Nachrichten zu effekthaschenden Mitteilungen und schaden ihr. Es gelte für jeden Einzelnen, den demokratisch freiheitlichen Staat zu schützen und autokratisches Gedankengut zu bekämpfen. Weltweit nehme die Tendenz zu Diktaturen zu und die AfD verbreite ein Gedankengut, das in die gleiche Richtung gehe.
Ruhig, mit ständigem Augenkontakt zum Publikum, sprach Hayali mit großer Überzeugungskraft und gewann damit die Herzen ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer. Dort, wo es notwendig ist, fand sie aber auch deutliche Worte, wie zu dem menschenverachtenden Attentat der Hamas, genauso wie zu dem Vernichtungskrieg, den die israelische Armee in Gaza führt. (aot)