Zigeunerbrunnen und Leebrunnen

Der Ortsname Leonbronn kommt vom Brunnen dort Von Irmhild Günther Ortsnamen sind sehr alt und wurden auch im Laufe der Jahrhunderte anders ausgesprochen...
Stein in Leonbronn
Stein in LeonbronnFoto: Irmhild Günther

Der Ortsname Leonbronn kommt vom Brunnen dort

Von Irmhild Günther Ortsnamen sind sehr alt und wurden auch im Laufe der Jahrhunderte anders ausgesprochen und auch anders geschrieben, sodass es meist sehr kompliziert ist, wenn man der Frage nachgeht, wie ein solcher Name entstanden ist und worauf er sich bezieht. Bei Leobronn, Teilort von Zaberfeld im Oberen Zabergäu denkt man zunächst an Leo (Löwe) und sieht zunächst gar keinen Zusammenhang. Und es gibt auch keinen. Der Ortsname kommt vom Brunnen, besser gesagt von einer Quelle oberhalb der Sternenfelser Steige. Aber damit ist man noch keinen Schritt weiter, denn das war nie ein „Löwenbrunnen“. Aber an Quellen wurde sehr häufig gesiedelt. Also ist der Name sehr alt und hat somit sprachlich einen jahrhundertelangen Werdegang.

Wir besitzen einen zuverlässigen Erklärer hierzu in Karl Schlenker. Er war von 1905 bis 1925 Pfarrer in Leonbronn und wurde hier zum Heimatforscher des Zabergäus. Als Vorstand des Zabergäuvereins schrieb er zahlreiche Aufsätze über die Geschichte des Zabergäus und war auch Verfasser einschlägiger Gedichte. Seiner Feder verdanken wir die Erklärung des Namens Leonbronn, er schrieb darüber 1935 in der Zeitschrift des Zabergäuvereins. Übrigens starb er auch in diesem Jahr, und zwar am 12. September in Geislingen an der Steige. Er hat also dort weiter geforscht über seine frühere Heimat und noch kurz vor seinem Tod über den Namen Leonbronn.

Was bedeutet nach ihm also dieser Name? Mit Leo, lateinisch Löwe, habe er nichts tu tun, obwohl im Wappen ein solcher abgebildet sei. Wappen entstanden ja meist viel später als Namen und sind insofern keine Erklärung der Geschichte über ihn. In einer Urkunde von 1289 wird der Brunnen, an dem später der Ort entstand, „Lincbrunnen“ geschrieben, im 14. Jahrhundert heißt er „Lienbrunnen“, 1496 Leynbrunnen“, 1550 „Leonbrunnen“ und zehn Jahre später dann noch „Lienpronnen“. Erklärungsversuche gingen auf Wildsau, Waldrebe oder Geländer hinaus. Der Geschichtschreiber des Zabergäus im 19. Jahrhundert, Karl Klunzinger, schreibt, dass Leonbronn wie die Stadt Leonberg den Namen von „lew“ habe, was auseinanderstehendes Gehölz bedeutet. Eine kleinere Lichtung oder Rodung im Wald also wonach viele Dörfer und Städte heißen. Es gibt nämlich auch die Schreibung „Lichenbrunnen“. Und da meint Schlenker, man komme der Erklärung bei dieser Schreibweise am nächsten. Die Bedeutung des Wortes findet er aber nicht mit Lichtung, sondern mit Leichen!

Da denkt man an Tote und Sterben und hat somit keine so erfreuliche Erklärung. Aber diese bezieht sich auf eine sehr alte Vergangenheit, nämlich die Riesengrabhügel, die sich im Wald rund um Leonbronn ja noch heute befinden. Also ein Grabhügelbrunnen! Und Schlenker macht auch einen ganz konkreten Brunnen für die Namensgebung verantwortlich. Er beschreibt einen Quell an der Sternenfelser Steige rechts an einem Feldweg. Dieser Brunnen hieß zu seiner Zeit Zigeunerbrunnen oder Leebrunnen. Ersterer Name erklärt sich leicht dadurch, dass dort Zigeuner lagerten, die an dieser Stelle praktischerweise immer frisches Wasser hatten. Das dürfte aber vom Volksmund aus nicht so ganz alter Zeit sein, während der Leebrunnen ja auf den ursprünglichen Namen zurückgeht und sich offensichtlich lange gehalten hat bis zu dem Zeitpunkt, als das Dorf entstanden war und Wappenkundler lieber an einen Löwen dachten.

Karl Schlenker weiß zu berichten, dass es unmittelbar an der Quelle noch lange einen Lee, also einen Grabhügel gegeben habe, der der Verbreitung eines Weges zum Opfer gefallen war. Im Frühjahr 1925 sei die letzte Unebenheit, welche dieser alte Grabhügel immer noch gebildet habe, beseitigt worden. Schlenker vermutet, dass durch die Tätigkeit der Landwirtschaft im Laufe der Jahrhunderte viele dieser Grabhügel abgetragen worden sind. Nur im Wald blieben sie eben erhalten und können noch heute erkannt werden. Schließlich gehörte Pfarrer Schlenker zu den Leuten, die dem Volk interessiert „aufs Maul“ schauten. Das konnten oft Belege sein, wenn schriftliche Quellen nicht da waren und wie in diesem Fall auch gar nicht da sein konnten. Und da hörte er häufig, dass die Leute ihr Dorf „Leebronn“ nannten. Das kann man hin und wieder auch heute noch heraushören und man denkt eigentlich nur, dass es sich hier um eine beliebte Abkürzung handelt, die sich im Mundartlichen durchgesetzt hat. Einheimische übernehmen das gern voneinander. Hier stimmt die mündliche Überlieferung mit dem heimatkundlichen Ergebnis überein. Nicht umsonst entstehen wissenschaftliche Institute zur Erhaltung der Mundarten und Dialekte, da sich in unserer Zeit das Hochdeutsche schnell ausgebreitet hat.

Karl Schlenker kommentiert auch noch die Entstehung der Grabhügel. Sie wurden nach und nach immer größer und höher durch die aufgeworfene Asche der verbrannten Toten. Wo diese besonderen Hügel im Wald noch heute anzutreffen sind, befanden sich einst Verbrennungsstätten Verstorbener. Diese Art der Beerdigung ist Jahrtausende alt. Nach Pfarrer und Heimatforscher Karl Schlenker bedeutet der Name Leonbronn also „Brunnen in der Nähe vom Grabhügel“. In unserer Zeit wurde zu Beginn dieses Jahrtausends ein Gedenkstein oberhalb der Sternenfelser Steige aufgestellt vom Gesprächskreis des Dorfes nach einer Idee von Manfred Schneider. Dieser Stein soll daran erinnern, wonach der Teilort von Zaberfeld seinen Namen hat, nämlich von einer Quelle. Hinter dem Stein befindet sich ein mit Schilf bewachsenes Wasserbecken, vielleicht mit Quellwasser angefüllt? Den „Leonbrunnen“ gibt es zwar nicht mehr, aber im Graben neben der Straße fließt noch immer Wasser unterirdisch ins Dorf hinunter.

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Ausgabe 10/2025
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
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