Die Debatte um die Zukunft der Carl-Engler-Realschule (CERS) in Hemsbach spitzt sich weiter zu. Nach der nichtöffentlichen Informationsveranstaltung melden sich nun die politischen Fraktionen der Stadt zu Wort.
Die Positionen reichen von deutlicher Kritik an Bürgermeister Jürgen Kirchner bis hin zur grundsätzlichen Befürwortung eines gemeinsamen Schulstandorts. Ein Überblick.
Die Fraktion Pro Hemsbach lehnt ein mögliches Aus der Realschule entschieden ab. Man erinnere daran, dass bereits im Jahr 2012 ein breiter Beteiligungsprozess stattgefunden habe, bei dem Eltern und Lehrer einbezogen worden seien. Schon damals habe Pro Hemsbach betont, dass alle drei Bildungsgänge – Hauptschule, Realschule und Gymnasium – im Schulverband angeboten werden sollten. „Das Bildungsangebot der Realschule ist ein praxisorientierter mittlerer Bildungsabschluss“, betont die Fraktion. Der pädagogische Ansatz sei nicht vergleichbar mit dem der Gemeinschaftsschule. Der mittlere Abschluss werde zwar auch dort angeboten, doch das Notensystem und die Fachwahlmöglichkeiten der Realschule böten andere Voraussetzungen für beruflichen Erfolg oder den Übergang auf weiterführende Schulen.
Scharfe Kritik richtet sich gegen Bürgermeister Kirchner, dem Pro Hemsbach vorwirft, ohne entsprechenden Gemeinderatsbeschluss zu handeln. Die Veröffentlichung eines Elternbriefes habe „Unruhe und Unsicherheit“ ausgelöst. Es fehle zudem der Nachweis, ob Weinheim tatsächlich in der Lage sei, zusätzliche Schüler aufzunehmen. Sollte dies nicht der Fall sein, drohten Platzprobleme an der Gemeinschaftsschule in Hemsbach, falls Eltern ihre Kinder dort anmelden. Ein weiterer Kritikpunkt ist das Fehlen belastbarer Finanzzahlen: „Es ist ein Unding, ohne Kostenschätzung und Finanzplanung einfach nur das 'Aus' für die Realschule in den Raum zu stellen“, so die Fraktion. Auch die städtebaulichen Auswirkungen eines möglichen Neubaus auf dem Schillerschulgelände seien nicht untersucht worden.
Auch die CDU-Fraktion äußert sich kritisch zur bisherigen Kommunikation und den schnellen Entscheidungsdruck. „Eine Entscheidung von solcher Tragweite muss mit Klugheit, Weitblick und Verantwortungsbewusstsein getroffen werden – nicht unter Zeitdruck“, teilte die Fraktion auf Anfrage der Hemsbacher Woche mit. Die Erwartung, dass der neu gewählte Gemeinderat bereits im September ein abschließendes Urteil fällen solle, hält man für unrealistisch. Man sehe die Realschulen in Weinheim durch eine mögliche Schließung der CERS „spürbar belastet“. Ob dort ausreichend Kapazitäten vorhanden seien, müsse sorgfältig geprüft werden. Lehrkräfte aus Hemsbach könnten zwar theoretisch auch in Weinheim unterrichten, dies sei jedoch keine gesicherte Option. Die CDU bringt Alternativvorschläge in die Diskussion ein: Neben einem Neubau, dessen Kosten auf bis zu 100 Millionen Euro geschätzt werden, sei auch eine Sanierung des bestehenden Bildungszentrums oder ein Anbau an die Schillerschule denkbar – vorausgesetzt, dies sei organisatorisch und baulich umsetzbar.
Die SPD-Fraktion zeigt sich in ihrer Stellungnahme um Ausgleich bemüht, betont aber zugleich, dass Bildungsgerechtigkeit und der Erhalt aller Schulabschlüsse vor Ort oberste Priorität hätten. Die Informationen zur Schulentwicklung seien zu spät und nichtöffentlich erfolgt, was zu unnötiger Unruhe geführt habe. Nun dominiere ein verkürzter Blick auf die Realschule, obwohl es um das gesamte Bildungsangebot in Hemsbach gehe.
Man sei nicht begeistert von der möglichen Schließung der CERS. Sollte dies jedoch die einzige Möglichkeit sein, Hauptschul-, Realschul- und Gymnasialabschluss dauerhaft in Hemsbach zu sichern, sei man bereit, den Planungen für einen Neubau auf dem Gelände der Schillerschule zuzustimmen. „Die SPD-Fraktion sieht in dem Planungsentwurf, wie er jetzt auf dem Tisch liegt, den gangbarsten Weg zur Sicherung des Schulstandorts Hemsbach“, heißt es in der Mitteilung. Kritisch sieht man den bisherigen Diskussionsverlauf. Die Verwaltung müsse nun „zügig die Versachlichung der Diskussion herbeiführen“ und eine Chronologie der vergangenen Entscheidungen veröffentlichen, um die Öffentlichkeit umfassend einzubeziehen.
Die Fraktion GBL/Grüne unterstützt eine Umstrukturierung des Schulstandorts, sieht darin aber keinen Verlust, sondern eine „Modernisierung und Bereicherung der Schullandschaft“. Der Realschulabschluss bleibe weiterhin möglich, auch wenn es keine eigenständige Realschule mehr gebe. Vielmehr gehe es darum, alle Abschlüsse künftig unter einem Dach anzubieten und pädagogisch besser zu verzahnen.
„Das oberste Ziel sollte sein, in ein zukunftsfähiges Schulkonzept zu investieren, das bestmögliche Bedingungen für alle Schüler schafft – pädagogisch wie baulich“, teilte die Fraktion auf Anfrage mit. Die bisherige Dreigliederung stoße zunehmend an ihre Grenzen. Man verweist auf die nordeuropäischen Bildungssysteme, in denen Kinder länger gemeinsam lernen und bessere Ergebnisse in Bildungsgerechtigkeit und Grundkompetenzen erzielen würden. Probleme sieht man vor allem in der Übergangszeit. Für diese brauche es gute Organisation und klare Kommunikation. Auch die Sorge vor einem „Verkehrskollaps“ beim neuen Standort relativiert GBL: Bestehende Infrastrukturen könnten eingebunden, ein tragfähiges Verkehrskonzept entwickelt werden.
Die FDP Hemsbach spricht sich in einem Facebookpost deutlich gegen die Pläne zur Schließung der Realschule aus. Dort heißt es: „Unsere Kinder und Jugendlichen verdienen ein vielfältiges Bildungsangebot. Die Realschule ist ein zentraler Bestandteil dessen.“ Eine Umstrukturierung würde aus Sicht der Liberalen einem „Kahlschlag“ im örtlichen Bildungsangebot gleichkommen. Die Fraktion fordert ein Konzept, das sowohl den Ausbau als auch die Sanierung bestehender Strukturen prüft – unter Berücksichtigung aller drei Schulabschlüsse vor Ort. Ein vorschnelles Aus der Realschule lehne man strikt ab, da es weder pädagogisch noch planerisch ausreichend begründet sei.
Die Positionen der Hemsbacher Fraktionen zeigen deutlich: Ein einheitlicher Kurs in der Schulentwicklungsplanung ist derzeit nicht in Sicht. Während Pro Hemsbach, FDP und CDU die Eigenständigkeit der Realschule erhalten wollen, zeigt sich die SPD offen für neue Strukturen, sofern sie alle Abschlüsse sichern. GBL/Grüne setzen auf ein integriertes Schulmodell, das modernen pädagogischen Ansätzen folgt.
In einem Punkt herrscht jedoch Einigkeit: Die Diskussion muss auf einer soliden Datenbasis geführt werden – mit Transparenz, Bürgerbeteiligung und realistischen Prognosen. Bis zur geplanten Entscheidung im Herbst dürfte die Debatte weiter an Fahrt aufnehmen.