Gastwirtschaft mit familiärer Atmosphäre

Zum Goldenen Löwen: Gastwirtin Roswitha Sebold blickt zurück

Die Geschichte des Goldenen Löwen in Weingarten geht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Besonders Roswitha Sebold hat sie Jahrzehnte lang geprägt.
Die Wirtsleute Kurt und Roswitha Sebold in festlicher Umgebung.
So sind vielen Weingartenern die Wirtsleute des „Goldenen Löwen“ in Erinnerung.Foto: Roswitha Sebold

Über den „Goldenen Löwen“ wurde schon viel geschrieben. So widmet das Heimatbuch von Pfarrer Albert Nikolaus ein ganzes Kapitel den „Gaststätten in Weingarten, Amt Karlsruhe, in Vergangenheit und Gegenwart 1595-1938“, in den Heimatblättern des Bürger- und Heimatvereins finden sich ausführliche Beschreibungen der ehemaligen Schankwirtschaften, und auch die BNN druckten im August 2023 in ihrer Serie „Damals und Heute“ ein Portrait der am Marktplatz gelegenen historischen Schenke.

Dabei stand stets die frühe Geschichte des im Jahre 1663 eröffneten Hauses im Vordergrund, während die vielfältigen Funktionen der Gaststätte nur am Rande erwähnt wurden. Klar ist jedoch: Der Goldene Löwe war weit mehr als eine Wirtschaft. Er war Kulturzentrum, Sportstätte, Kino, Vereins- und Tanzlokal, Beherbergungsbetrieb, Brennerei und Begegnungsstätte, in der man gleichzeitig noch gut bürgerlich und traditionell nach alten Rezepten satt werden konnte. Es gibt kaum einen Weingartener Verein, der nicht den „Löwen“ zumindest zeitweise für seine regelmäßigen Treffen oder Generalversammlungen genutzt hätte. Erst mit dem Bau der Vereinsgaststätten am Ortsrand und mit der Inbetriebnahme der Mehrzweckhalle im Jahre 1968 verlagerte sich ein Großteil der Aktivitäten, übrig blieb dennoch über lange Jahre eine gemütliche Gastwirtschaft mit Fremdenzimmern und einer familiären Atmosphäre.

Ein großer Schritt

Das Leben der heute achtzigjährigen Roswitha Sebold ist aufs Engste verwoben mit der Geschichte des Hauses. Ursprünglich sollte es auch ganz anders verlaufen, denn die junge Kindergartenhelferin konnte sich niemals vorstellen, zusammen mit ihrem Ehemann und gelernten Schreiner Kurt die Gaststätte in eigener Verantwortung zu führen. Dessen jüngerer Bruder Erwin hatte eigens eine Metzgerlehre absolviert, um den „Löwen“ von Elisabeth Manz zu übernehmen und in die Zukunft zu führen. Sein tragischer Unfalltod im Jahre 1961 stellte alles infrage, bis sich Kurt, der schon immer gerne mitgeholfen hatte, und seine junge Ehefrau entschlossen, den großen Schritt zu wagen und die Nachfolge anzutreten.

Die offizielle Betriebsübergabe von Elisabeth Manz auf Kurt und Roswitha Sebold erfolgte im Jahr 1970. Damit verabschiedete sich das junge Paar für immer von der 40-Stunden-Woche. Die Küche des Gasthauses war anfangs bis 24 Uhr geöffnet. Gekocht wurde lange Zeit auf einem holz- und kohlebefeuerten Herd, erst später wurde dieser durch einen Gasherd ersetzt. Nur am Mittwoch sowie an Sonn- und Feiertagen blieb etwas Zeit zum Durchatmen, doch der Beherbergungsbetrieb mit den anfangs sieben und später bis zu zwölf Fremdenzimmern lief trotz der Ruhetage weiter.

Eine besondere Belastungsphase war alljährlich die Ballsaison. Diese startete im Januar mit dem Tanzabend der Freiwilligen Feuerwehr und endete mit dem Faschingswochenende, das die jungen Wirtsleute regelmäßig an ihre persönlichen Grenzen brachte. Es begann mit dem samstags stattfindenden Winzerball, am Sonntag stand die Kolpingsfamilie auf dem Programm, und am Rosenmontag versammelte sich der Gesangverein „Liederkranz“ in dem historischen Festsaal. Man kann sich unschwer vorstellen, wie sehr sich Roswitha und Kurt bei diesem Marathonlauf gemeinsam auf den Aschermittwoch freuten.

Sie prägten das Dorfleben

Ein Blick in die Speisekarte weckt Sehnsüchte nach früheren Zeiten und dokumentiert gleichzeitig die bedauernswerte Entwicklung der Gastronomie im letzten Vierteljahrhundert. Entgegen zahlreichen Behauptungen haben die beiden Wirtsleute im Zuge der Euro-Umstellung im Jahre 2002 die Preise nicht verdoppelt, sondern nur geringfügig um Centbeträge angehoben. Für ein Lendensteak vom Rind mit Pfifferlingen, hausgemachten Spätzle und Salat zum Preis von 18,80 Euro und eine Literflasche (!) Weißburgunder zu zwölf Euro würden wir heute gerne einen Achtsitzer mieten, eine mehrstündige Fahrt in Kauf nehmen und es mal richtig krachen lassen. Zusätzlich zum regulären Menü standen montags und dienstags immer saure Nierle und saure Leber auf der Tageskarte. Roswitha Sebolds persönliches Lieblingsgericht war der Försterteller mit Pfifferlingen.

Zum siebzigsten Geburtstag von Kurt Sebold im Jahre 2008 übergaben die beiden Wirtsleute den Betrieb an Familie Birk. Obwohl ihr Leben anders verlief, als sie sich dies als junge Frau vorgestellt hatte, blickt Roswitha Sebold zufrieden auf die vielen Jahre im „Goldenen Löwen“ zurück – denn kaum jemand hat das Weingartener Dorfleben mit seinen Geschichten und der Vielzahl an freudigen, aber auch traurigen Ereignissen so hautnah miterleben dürfen wie das Ehepaar, dessen Türen bald vierzig Jahre lang an fünf Tagen in der Woche für Alt und Jung geöffnet waren. (gö)

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exklusiv online
von Redaktion NUSSBAUMRedaktion NUSSBAUM
17.09.2025
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Weingarten (Baden)
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